Süddeutsche Zeitung

AfD Bayern:Sie wollen ein anderes Land

Die neue AfD-Landeschefin nennt sich "ganz normal mittendrin", aber auch Corinna Miazga ist inhaltlich auf Flügel-Linie.

Kommentar von Johann Osel

Die Machtübernahme ist gescheitert, zumindest auf dem Papier. Im Richtungsstreit in der bayerischen AfD zwischen dem völkischen "Flügel" und eher gemäßigten Kräften sollte es auf dem Parteitag in Greding zum Showdown kommen. Katrin Ebner-Steiner, Frontfrau der Strömung, unterlag dann knapp. Doch auch die nun gewählte Vorsitzende Corinna Miazga, wenngleich sie sich "ganz normal mittendrin" in der AfD verortet und den Mitgliedern als Versöhnerin anpries, ist inhaltlich auf Flügel-Linie. Und der abgewählte Landeschef Martin Sichert, wenngleich er rote Linien am rechten Rand zieht und dafür ausgebuht wurde, ist ebenso Unterzeichner der "Erfurter Resolution", des Gründungsmanifests des Flügels. Miazga, Ebner-Steiner und Sichert kamen im ersten Wahlgang zusammen auf fast 100 Prozent. Das moderate Lager wollte oder konnte gleich gar niemanden mit Chancen aufbieten. Man hat anscheinend kapituliert.

Aber der Höcke-Flügel braucht auch überhaupt keinen originären Statthalter im bayerischen Parteichefsessel, um den Ton anzugeben. Sichert, eigentlich durchaus als Pragmatiker bekannt, beleidigte in Greding Markus Söder als "Hure" und grüne Politiker als "Ökofaschisten", um sich dem Flügel anzubiedern. Zu Recht nennt das CSU-Generalsekretär Markus Blume "Nazi-Jargon, heute sind die letzten Sicherungen geflogen". Man kennt das Prinzip etwa im Bundestag von Alice Weidel, die mal als gediegene Ökonomin galt - und plötzlich über "Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse" herzog, wohl aus Angst, irgendwann von der Flügel-Mafia kaltgestellt zu werden. Diese verspottet Gemäßigte als "Halbe" - halbe Patrioten.

Was die vollen Patrioten anstreben, machen sie selbst immer wieder klar. Es geht ihnen nicht um ein rechtskonservatives Gegengewicht innerhalb des Systems, weil die Union einstige Positionen aufgegeben hat, es geht ihnen nicht um Koalitionen. Man spielt nur auf Sieg, auf die Mehrheit - um alles radikal umzukrempeln. Sie wollen ein anderes Land.

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SZ vom 16.09.2019/kbl
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