Das Gesetz über das Beflaggen öffentlicher Gebäude in Bayern − kurz BayBeFlagG − steht selten im Fokus und ist eigentlich eine recht dröge Verwaltungsangelegenheit. Und so kommt auch erst mal der Antrag für eine Gesetzesnovelle daher, den die AfD-Fraktion am Donnerstag in erster Lesung in den Landtag eingebracht hat. In den vergangenen Jahren habe sich an öffentlichen Gebäuden im Freistaat „ein unübersichtliches Sammelsurium verschiedenster Fahnen“ entwickelt. Dass nicht mehr nur Schwarz-Rot-Gold und Weiß-Blau als klare Hoheitssymbole gehisst werden, verwirre die Bürger und bremse deren „Identitätsgefühl“. Abseits von Staatsbesuchen sollten demnach künftig ausschließlich die Flaggen der Bundesrepublik, des Freistaats oder der jeweiligen Kommune angebracht werden dürfen.
Was auch bedeutet: Die Ukraine-Flagge, die als Zeichen der Solidarität mit dem angegriffenen Land vielfach im Alltag zu sehen ist, soll weg. Ferner die europäische Flagge, auch daran stört man sich bei der AfD. Und vor allem die Regenbogenflagge, die jetzt im Frühsommer zu Beginn der Christopher-Street-Day-Saison, den vielen CSDs also und Pride-Demonstrationen, zeitlich befristet mitunter staatliche Gebäude ziert. In den vergangenen Jahren zum Beispiel auch schon mal den Landtag und die bayerische Staatskanzlei. Nach Ansicht der AfD: alles zu verbieten!
Als Erster kontert in der Debatte am Donnerstag Peter Wachler (CSU). Der Antrag, sagt er, sei Zeichen einer Geisteshaltung die „an eines unserer dunkelsten Kapitel erinnert“ und die „klare Fronten zieht gegen das, was nicht ins eigene Weltbild passt“. Es sei „ein Angriff auf die Toleranz, auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung in ihrer gelebten Form“.
An dieser Stelle muss man vielleicht erklären: Verwunderlich ist das nicht. Trotz der Gender-Witze etwa von Markus Söder in Bierzelten, trotz manchen Fremdelns mit Queer-Anliegen in der CSU − der Ministerpräsident hat ein Schutzversprechen für „jede Liebe“ abgegeben, beim grundsätzlichen Bekenntnis zu einer vielfältigen Gesellschaft erfüllt die CSU schon ihre Rolle als staatstragende Volkspartei. 2023 hatte Söder auch überraschend die Arbeit an einem bayerischen Aktionsplan für sexuelle Vielfalt angestoßen; öffentliche Ergebnisse dazu gab es aber bislang nicht.

Politik in Bayern:Was wurde aus dem queeren Aktionsplan der Staatsregierung?
Der Freistaat gilt als einziges Bundesland ohne einen solchen Plan. Dann gab Söder im Landtagswahlkampf ein Versprechen ab. Was ist seitdem passiert?
Zurück ins Plenum des Landtags, bei der AfD wird nach Wachlers ersten Sätzen wild gebrüllt. Die Fraktion wählte ja zuletzt häufiger ein Auftreten, als befände sie sich im Fußballstadion und nicht in einem Parlament. Die Versammlung von Menschen unter einem bunten Zeichen, aber auch die europäische Idee, sagt CSU-Mann Wachler, würden von der AfD als Bedrohung gezeichnet. Die AfD selbst setze auf Uniformität im Land, der Antrag sei „gefährlich“.
Zu dick aufgetragen? Man kann sich einfach die Begründungen zum Antrag anhören. „Fetische und gewisse Neigungen lebt man halt zuhause aus“, rät AfD-Mann Florian Köhler. Und sein Kollege Jörg Baumann wirkt nah am Orgasmus, als er im Landtag verkündet: Seine AfD gebe den Deutschen mit diesem Antrag wieder Hoffnung, aufzustehen, sich nicht zu schämen, die Farben der Heimat mit Stolz zu tragen, „ihr dürft deutsch sein“.
Florian Siekmann (Grüne) wirft der AfD ein „Gesetzgebungstheater“ vor, sie tue so, als sei der Regenbogen eine Gefahr für die bayerische Identität. Das Gegenteil sei richtig: Bereits bei den Bauernkriegen in Süddeutschland sei der Regenbogen als Symbolik verwendet worden, für Gerechtigkeit und Menschenwürde. Diese Menschen im Jahr 1525, findet Siekmann, „hatten mehr Gespür für Demokratie und Freiheit als diese Fraktion hier rechts außen in diesem Parlament heute“.
Als schwuler Mann, so der Grünen-Politiker, wolle er der AfD sagen: „Wir lassen uns nie wieder unsichtbar machen.“ Und: „Diese bunte Gesellschaft bekommen sie nicht weg, auch wenn sie es mit ihrem rechtsextremistischen Vorfeld bei CSDs immer wieder versuchen“. Vergangenes Jahr hatte es etwa bei der Parade in Landshut einen kleinen Gegenprotest gegeben. Zuletzt kamen vor allem Berichte aus Ostdeutschland, die von Bedrohungen gegen queere Menschen durch Rechtsextremisten bei Veranstaltungen sprachen.
Doris Rauscher (SPD) nennt es in ihrer Rede „lächerlich“, dass durch „eine kleine bunte Flagge“ das Heimatgefühl verloren gehen soll. Das zeige nur, dass Werte wie Solidarität „den Verfassungsfeinden hier im Hohen Haus fremd sind“. Dass auch die Europafahne nicht mehr standardmäßig gehisst werden soll, hält Rauscher für bezeichnend. Martin Scharf (FW) betont, anlassbezogene Zeichen einer gesellschaftlichen Haltung stünden nicht in Konkurrenz zur Staatsflagge. Der Landtag habe Besseres zu tun, als sich mit solchen Gesetzesentwürfen „aufzuhalten“. Dennoch nimmt nun alles seinen parlamentarischen Gang: Der AfD-Antrag wurde zunächst in den Rechtsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen.