Nahverkehr:Das 365-Euro-Ticket für Schüler und Azubis soll es ab Herbst geben

Lesezeit: 3 min

Der öffentliche Nahverkehr hat große Probleme - auf die es keine einfachen Lösungen gibt. (Foto: Florian Peljak)
  • Vertreter der Staatsregierung und der kommunalen Verbände haben sich zum ersten ÖPNV-Gipfel getroffen.
  • Ministerpräsident Markus Söder kündigte an, das 365-Euro-Jahresticket - wenn möglich - schon ab September einführen zu wollen.
  • Das könnte sich aber mancherorts als kontraproduktiv erweisen. Söder sagt, er könne sich statt eines 365-Euro-Tickets für alle auch "vergleichbare Modelle" vorstellen.

Von Maximilian Gerl

Die Herren kommen ein paar Minuten zu spät, doch an den öffentlichen Verkehrsmitteln liegt es diesmal nicht: In die Münchner Staatskanzlei sind es nur ein paar Schritte vom Prinz-Carl-Palais, wo sich zuvor Vertreter der Staatsregierung und der kommunalen Verbände zum ersten Verkehrsgipfel getroffen hatten. Von Verspätungen hört man denn auch weniger, dafür viel von guten Gesprächen. "Ich glaube, wir haben uns intensiv ausgetauscht", sagt Deggendorfs Landrat Christian Bernreiter. "Eine gute Debatte", hat Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly beobachtet. Und Bernrieds Bürgermeister Josef Steigenberger findet, so wie man zusammensitze, das "kann Lösungen bringen".

Lösungen: Die werden gesucht, soll der öffentliche Personennahverkehr besser werden. Dass der wichtig ist, darüber sind sich im Freistaat alle einig, nicht erst seit diesem Montag. Trotzdem ist aus Sicht vieler Pendler bislang wenig passiert. Sie klagen über fehlende Verbindungen, unpünktliche Züge, mangelhafte Reiseinformationen, teure Tickets; große Probleme also, für die es keine einfachen Lösungen gibt.

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Auch der ÖPNV-Gipfel schafft keine sofortige Abhilfe. Dafür bringt er ein paar Millionen Euro hier und da sowie die Ankündigung, mit dem 365-Euro-Jahresticket für Schüler und Auszubildende wirklich ernstzumachen. Wenn möglich, solle das neue Ticket schon zum September eingeführt werden, sagt Ministerpräsident Markus Söder, "mal schauen, wie das rechtlich ist". Der fürs rechtliche Schauen zuständige Verkehrsminister Hans Reichhart sagt, man werde in den kommenden Wochen das Gespräch mit den Verkehrsverbünden suchen. "Ein Quantensprung" sei das Ticket vor allem für Azubis.

Der Plan eines 365-Euro-Schülertickets ist damit noch ambitionierter geworden, nicht nur wegen des strafferen Zeitplans: Ursprünglich war eine Einführung zum Herbst 2020 geplant gewesen. Noch weiß niemand, welche Verbünde sich wie für ein solches Ticket engagieren würden. Entsprechend unklar ist, was das Ticket wen kosten könnte. Im Doppelhaushalt sind noch keine Mittel eingestellt, obwohl der Freistaat zwei Drittel der Kosten übernehmen will. Laut Reichhart sei es schwierig, die Summe zu beziffern, bevor man die Gespräche geführt habe. Er gehe aber davon aus, dass es "keine gigantisch große Zahl" sei.

Tatsächlich bieten manche Verbünde oder Landkreise bereits eine kostenlose Schülerbeförderung an, andere könnten hingegen vor dem Eigenanteil zurückschrecken. Konkreter sind da andere Summen, die am Montag in den Raum gestellt werden. 65 Millionen Euro sollen Bayerns Verkehrsverbünde erhalten, um Tarifstabilität zu gewährleisten. Davon bleiben 35 Millionen Euro in München. Unter anderem Nürnberg erhält 13, Augsburg vier Millionen Euro.

Söder will mehr Geld vom Bund einfordern

Alle Anwesenden verweisen darauf, dass kein Stadt-Land-Gefälle entstehen dürfe - und dass daher bayernweit einheitliche Lösungen womöglich kontraproduktiv seien. Ein vor allem den kommunalen Vertretern wichtiger Punkt. Jede Gemeinde habe ihre "besonderen Problemstellungen", sagt Bernreiter. Ländlichen Gemeinden gehe es zum Beispiel mehr um die Taktung, um die Frage, wie sich flexible Angebote bei vergleichsweise niedrigen Fahrgastzahlen schaffen ließen. "Flexbusse kosten Geld." Das erst mal beschafft werden muss, dauerhaft. Ticketerlöse tragen in der Regel die Kosten des ÖPNV.

Ein günstiges 365-Euro-Ticket für alle Bürger - das Söder mal bis 2030 in Aussicht gestellt hatte - könnte sich darum aus Sicht der Kommunen mancherorts als kontraproduktiv erweisen, den bestehenden Nahverkehr gar "kannibalisieren", wie Maly sagt. Daher werde man sich in Ruhe anschauen müssen, ob der künftige "Bayerntarif" eine "totale Flatrate" oder an eine Entfernungspauschale gekoppelt werde. Auch Söder rückt am Montag etwas von seinem Versprechen ab: Statt eines 365-Euro-Tickets für alle könne er sich auch "vergleichbare Modelle" vorstellen.

Neben dem neuen Schülerticket will Reichhart vor allem einen "Werkzeugkasten" zusammenstellen, um zumindest einige Probleme zu lindern. Sogenannte Mobilitätsmanager sollen künftig als Bindeglied zwischen Bezirksregierungen und Kommunen auf der einen und Busunternehmen und Eisenbahngesellschaften auf der anderen Seite fungieren, um die Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu verbessern. Neue Expressbuslinien sollen den ländlichen Raum besser an Ballungsgebiete anschließen. Söder will mit der Stadt München über eine Ring-S-Bahn diskutieren und generell vom Bund mehr Geld einfordern.

Vor allem Letzteres ruft die Opposition auf den Plan. "Es braucht deutlich mehr Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr", sagt Sebastian Körber, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Wenn Söder hier mit dem Finger nach Berlin zeige, lenke er von eigenen Versäumnissen ab. "Die Verkehrsinfrastruktur hinkt seit Jahren dem Bedarf hinterher." Ähnlich äußert sich Inge Aures von der SPD: Wenn die Staatsregierung nur zwei Drittel des 365-Euro-Tickets für Schüler und Azubis übernehme, werde das "insbesondere arme Kommunen an ihre Grenzen bringen".

Was am Schluss den Anwesenden vom Gipfel bleibt, ist zumindest die Gewissheit, ein paar Schritte aufeinander zugetan zu haben. Die Mobilität und damit die Lebensqualität zu verbessern, werde eine Menge Geld kosten, sagt Maly. "Das wird nicht jeden freuen." Aber es gebe keine Alternative. "Wie gesagt: gutes Gespräch, guter Einstieg."

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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