Süddeutsche Zeitung

Kultur und Coronavirus:Jetzt wieder rundum sinnlich

Ohne Masken, Abstände und Obergrenzen: Kulturveranstalter reagieren erleichtert auf die gelockerten Corona-Regeln für Konzerte und Theater.

Von Michael Zirnstein, München

Nach eineinhalb Jahren des Corona-bedingten Umplanens von Konzerten, des Absagens und Verschiebens, ist Peter Maffay vorsichtig ob der behördlichen Lockerungs-Übung. Das merkt man dem Tutzinger Rocker an. "Aber wenn das denn so kommt", sagt der 72-Jährige, der 2022 endlich sein zwanzigstes Nummer-1-Album auf Tour vorstellen will, "dann wäre das fantastisch, wir warten seit zwei Jahren drauf. So brauchen wir keine staatlichen Hilfen, sondern können uns am eigenen Schopf aus dem Schlamassel ziehen."

Worauf genau die Branche seit langem wartet, steht nun nach einem Beschluss des Ministerrates in der bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung: "erhebliche Erleichterungen für Veranstalter". Wer demnach ausschließlich Geimpfte und Genesene (2-G-Regel) in seine Konzertsäle, Kinos, Opern, Theater einlässt (aber auch Tagungszentren, Messen, Bibliotheken, Musikschulen) oder auch Getestete mit einem PCR-Test (3-G-plus-Regel), für den gelten keine Besucherobergrenzen mehr. Und erst bei voller Auslastung, so beten es die privaten Veranstalter seit Monaten vor, seien Konzerte und Vorführungen kein Draufzahlgeschäft mehr. Die Szene sei erleichtert, sagt David Lodhi vom Verband der bayerischen Pop-Veranstalter VP.By. Er selbst kann kommende Woche das Festival "Nürnberg.Pop" in Clubs und Kirchen im großen, lockeren Rahmen steigen lassen. "Wir sind Kulturminister Bernd Sibler dankbar, dass er sich für uns einsetzt", sagt auch Patrick Oginski vom Verband der Münchner Kulturveranstalter (VdMK).

Sibler berichtet von positiver Resonanz aus der Branche. Er habe am Montag viele "durchtelefoniert, von den Staatsintendanten bis zu den Kleinkunstagenturen, alle warten ja darauf: Ich habe selten so viele fröhliche Stimmen gehört". So gern wie eben, als er grünes Licht geben konnte, habe er seinen Job schon lange nicht mehr gemacht: "Ich ermögliche ja lieber, als ich verhindere. Mit der neuen Regelung können wir das ursprüngliche Kulturerlebnis mit der notwendigen Sicherheit angesichts der noch nicht beendeten Pandemie verbinden. Das freut mich sehr, denn es ist ein weiterer Schritt hin zur früheren Normalität."

Für einige kommen die lange erhofften Lockerungen zu plötzlich

Die Gäste müssen sich nun also wieder an körperliche Nähe gewöhnen. Sie können aber auch wieder durchatmen, ohne Masken, an den Garderoben, auf dem Sitzplatz und an den Bar-Tresen. Der der Ausschank von Alkohol ist nun auch bei Veranstaltungen von über 1000 Gästen wieder erlaubt - das Deutsche Theater in München hatte wegen der drohenden Prosecco-Prohibition seine Vorstellungen des nächste Woche anlaufenden Musicals "Der Schuh des Manitu" auf 999 Plätze gedeckelt.

Kultur darf jetzt wieder rundum sinnlich sein. Das macht sie möglicherweise wieder attraktiver. Nicht nur Sibler hofft deshalb darauf, dass die "Leute, die wegen der Masken und Beschränkungen zurückhaltend waren, sich nun wieder umgewöhnen und trauen, zu den Veranstaltungen zu gehen." Die Veranstalter jedenfalls hätten jetzt wieder mehr Planungssicherheit gerade für die Konzertsaison im nächsten Jahr. Zudem will der Ministerrat den Ausfallfonds des Bundes für Veranstaltungen und Messen bald in Bayern umsetzen: Demnach erhält, wer eine Veranstaltung von 22. Oktober bis 30. September 2022 wegen eines behördlichen Verbots absagen muss, 80 Prozent der Auslagen ersetzt, im Einzelfall bis zu acht Millionen Euro.

Für einige kommen die lange erhofften Lockerungen zu plötzlich. David Boppert von der Münchner Kultur GmbH zum Beispiel bleibt für die Lange Nacht der Münchner Museen am kommenden Freitag bei der alten 3G-Regel mit Antigen-Test-Option. "Wir sind ja schon seit drei Wochen im Vorverkauf, ich hätte die Tickets nicht rückabwickeln können", sagt er, "außerdem sind die Leute mit Masken sicherer, und in Museen ist es auch so erträglich." Letztlich gibt es "keinen staatlichen Zwang", heißt es aus der Staatskanzlei. Die privaten Veranstalter können sich frei für ein Modell entscheiden. "Das müssen wir natürlich auch mit den Künstler abklären", sagt Oginski.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5431382
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/sim
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.