Süddeutsche Zeitung

Nationalpark:Drei Wölfe streifen durch den Bayerischen Wald

Im Grenzgebiet leben mehr Tiere, als Experten bisher annahmen. Auf tschechischer Seite ist ein neues Rudel unterwegs.

Von Christian Sebald, Grafenau

Im Gebiet der Nationalparke Bayerischer Wald und Šumava leben mehr Wölfe, als Fachleute bisher gedacht haben. "Auf bayerischer Seite haben wir in den letzten Monaten immer wieder welche nachweisen können", sagt der Forstwissenschaftler Marco Heurich, der das Wildtiermonitoring im Nationalpark Bayerischer Wald betreut. "Inzwischen gehen wir davon aus, dass bei uns drei Stück ansässig sind." Die Tiere sind demnach im Gebiet rund um den Falkenstein unterwegs. Und zwar nicht nur in den Hochlagen dort. Sondern auch in den Tälern. So sind sie schon zur Trinkwassertalsperre Frauenau hinuntergewandert.

Außerdem streifen die drei Wölfe zumindest immer wieder gemeinsam umher. So haben Nationalparkmitarbeiter unlängst im Schnee drei nahe beieinander gelegene Übernachtungsplätze der Tiere entdeckt. Auch die Fährten weisen auf gemeinsame Streifzüge hin. In die Fotofallen im Nationalpark sind die Tiere dagegen immer nur einzeln getappt. Heurich kann denn auch noch keine näheren Aussagen zu ihnen machen. "Denn auf Fotos kann man sie nicht unterscheiden", sagt er. "Und die Ergebnisse der Gentests stehen noch aus." Nationalparkmitarbeiter haben Urin- und Kotproben eingesammelt und an das Labor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt geschickt.

Die drei Wölfe im Nationalpark Bayerischer Wald sind aber nicht die einzigen in der Region. Auf tschechischer Seite ist unlängst ein Rudel mit sieben Tieren in eine Fotofalle getappt. Dem Rudel gehören demnach auch Jungtiere vom vergangenen Jahr an. Die Fotofalle steht im Bereich der beiden Gemeinden Modrava und Srini unweit der Grenze nach Bayern. Dort gibt es ein Wolfsgehege. Offenbar hat das Rudel seinen Artgenossen in dem Gehege einen Besuch abgestattet. Der Forstwissenschaftler Heurich geht davon aus, dass die drei Wölfe auf bayerischer Seite dem Rudel angehören. Entweder haben sie sich von ihm abgespalten oder sie sind nur immer mal wieder auf eigene Faust unterwegs. Gewiss sagen lässt sich auch das allerdings erst, wenn die Ergebnisse der Gentests vorliegen.

Aber gleich ob es nun sieben oder womöglich sogar zehn Wölfe in den beiden Nationalparken sind: Schon mit den bisherigen Nachweisen steht fest, dass die Population stabiler ist als zwischenzeitlich gedacht. Zwar streifen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet seit etlichen Jahren Wölfe umher. Aber erst im November 2016 gelang der Nachweis, dass sich dort ein Wolfspaar niedergelassen hat. Wie von vielen Fachleuten erwartet, bekamen der Rüde und die Fähe im Frühjahr 2017 Nachwuchs. Eine Fotofalle dokumentierte die drei Welpen erstmals am 28. Juli 2017. Die Aufnahme war der erste Beleg von Wolfsgeburten in freier Wildbahn in Bayern seit 150 Jahren. Über Monate hinweg war das Rudel wohlauf. Die meiste Zeit hielten sich die Elterntiere und ihre Jungen freilich auf tschechischer Seite auf.

Ein Jahr später hatte sich das Rudel dann offenbar bereits wieder aufgelöst. Es gab keinen Hinweise auf abermaligen Nachwuchs. Das Muttertier galt als verschollen. Die beiden Jungrüden waren nach Norden abgewandert. Der eine kam bis in die Gegend von Hamburg und wurde dort auf einer Autobahn überfahren. Der andere hielt sich zumindest einige Zeit lang auf einem Truppenübungsplatz in Thüringen auf. Nur die Jungfähe und das Vatertier blieben in den Nationalparken und werden dort immer wieder nachgewiesen. Das Vatertier kann bisweilen sogar auf Aufnahmen von Fotofallen identifiziert werden. Der Grund: Es hat einen markanten weißen Fleck auf dem Fell, an dem man es sicher erkennen kann.

Unklar bleibt zumindest vorläufig indes, ob es sich bei den Alttieren des jetzt dokumentierten Rudels um das vormalige Vatertier und seine Tochter handelt. Oder ob sich ein neues Wolfspaar gefunden hat. Auch das werden erst die Gentests ergeben. Experten gehen aber davon aus, dass die Wölfe in den beiden Nationalparken weiter auf dem Vormarsch sind. Denn das neue Rudel dürfte auch 2020 Nachwuchs bekommen.

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SZ vom 31.01.2020
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