Der Kadaver der jungen Luchsin, den ein Waldbesitzer vor eineinviertel Jahren nahe Bischofsmais im Bayerischen Wald gefunden hat, war ein grausamer Anblick. Das Raubtier war stark abgemagert, an der linken Vorderpfote hatte es eine schwere Verletzung. Luchse sind streng geschützt, sie dürfen nicht gejagt werden. Wer dennoch einem Luchs nachstellt, begeht eine Straftat. Wegen der Wunde an der Vorderpfote lag der Verdacht nahe, dass die Luchsin gewildert worden war. Der Kadaver wurde deshalb im Auftrag des Landeskriminalamts genauestens untersucht.
Das Ergebnis: Auf die Luchsin war ein Schuss abgegeben worden, das Projektil hatte sie an der Vorderpfote getroffen. Die Verletzung war so schwer, dass die Raubkatze nicht mehr jagen konnte. Sie verhungerte kläglich. Der Fall reiht sich ein in eine ganze Serie von Luchs-Wildereien in den vergangenen Jahren in der Grenzregion zwischen Bayern und Tschechien. Zwar gab es immer mal wieder Hinweise auf mögliche Täter. Aber letztlich ist kein einziger Fall aufgeklärt worden.
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Mit einem neuen Projekt wollen jetzt die Umweltorganisation WWF und der Verein "Luchs Bayern" die illegalen Tötungen von Luchsen im Bayerischen Wald und im angrenzenden Böhmerwald zumindest eindämmen. Es nennt sich "Tatort Luchs". Illegale Luchstötungen haben nach wie vor ein solches Ausmaß, dass sich die Raubkatzen nicht weiter ausbreiten im Freistaat, in Tschechien und in Oberösterreich. Die kleine Population ist vielmehr in ihrer Existenz gefährdet, obwohl jedes Jahr junge Luchse geboren werden. Naturschützer gehen davon aus, dass bayernweit zuletzt nur rund hundert Luchse in den Wäldern herumgestreift sind, darunter 26 Jungtiere.
Abgrundtiefer Beuteneid sei der Grund für Luchstötungen
Der Grund, warum Wilderer immer wieder den Raubkatzen mit Gift, Fallen und Schusswaffen nachstellen, ist nach Überzeugung von Experten abgrundtiefer Beuteneid: Luchse jagen und fressen in der Hauptsache Rehe. Deshalb wollen die Wilderer sie nicht in den Wäldern dulden. Untersuchungen zufolge werden bis zu 25 Prozent der Luchse in Bayern gewildert. Laut WWF und "Luchs Bayern" sind allein in den Jahren 2018 und 2019 im bayerisch-böhmischen Raum 13 erwachsene reviertreue Luchse spurlos verschwunden, zwei weitere seien dort nachweislich getötet worden. "Aber auch die verschwundenen Luchse sind mit großer Wahrscheinlichkeit der Wilderei zum Opfer gefallen", sagt der WWF-Mann Moritz Klose.
Das Projekt adressiert sich vor allem an Ranger, lokale Behörden, Staatsanwälte und Richter. Denn es sind sie, auf die es bei der Spuren- und Beweissicherung bei Wildereien, aber auch bei der Verfolgung der Straftäter ankommt. Zentrale Aspekte sind, welche Spuren am Fundort eines getöteten Luchses gesichert werden müssen und welche weiteren Analysen notwendig werden. Das "Tatort-Luchs-Team" will dazu ein Handbuch mit Best-Practice-Beispielen vorlegen, Spurensicherung und die Strafverfolgung sollten möglichst stets nach gleich hohen Standards ablaufen. "Es sollten alle zur Verfügung stehenden kriminaltechnischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden", sagt die Vorsitzende von "Luchs Bayern", Sybille Wölfl. "Wir brauchen die Einbindung von kompetenten Wildtier-Forensikern. Sie können wichtige Hinweise liefern, wo und wie weiter zu ermitteln ist."
WWF und "Luchs Bayern" haben sowohl in Sachen Luchs und Wilderei große Expertise. Der WWF durch sein Engagement für allerlei bedrohte Tiere und Schutzgebiete weltweit, aber auch für den Luchs in anderen Bundesländern. "Luchs Bayern" durch die lokalen Aktivitäten seiner Vorsitzenden Wölfl für die Raubkatzen. Die Biologin Wölfl zählt zu den herausragenden Luchs-Experten im deutschsprachigen Raum. Sie engagiert sich seit vielen Jahren dafür, dass sich die Raubkatzen wieder etablieren im Bayerischen Wald. Wegen ihrer Entschiedenheit wird Wölfl immer wieder heftig attackiert. Außerdem arbeiten die tschechische Umweltorganisation Hnutí Duha und die Universität Bremen in dem Projekt mit. Letztere bringt vor allem ihre juristische Kompetenz ein.