Bayerischer Wald:Grüne Schwarze werden schwarze Grüne

Gaby Englmeier und Thomas Müller (Grüne)

Sie waren beide mal Schwarze, jetzt sind sie Grüne: Gaby Englmeier und Thomas Müller nach der Wahl zum Kreisvorsitz in Regen.

(Foto: oh)

Es gab Zeiten, da ging es für die CSU im Bayerischen Wald nur um die Frage, ob sie bei der nächsten Wahl 60 oder 70 Prozent bekommt. Heute leiten hier alte Christsoziale grüne Kreisverbände - und staunen über die Gepflogenheiten in ihrer neuen politischen Heimat.

Von Wolfgang Wittl

Worauf sie sich mit dem Wechsel zu den Grünen eingelassen hat, wurde Gaby Englmeier beim Nominierungsparteitag für den Bundestag noch einmal so richtig bewusst. Ob es bei der Aufstellung denn wirklich keine Absprachen gebe, "redet ihr vorher überhaupt nix aus?", fragte die Frau aus dem Bayerischen Wald. Sie war aus ihrer Vergangenheit anderes gewöhnt.

Zwölf Jahre war Gaby Englmeier Mitglied in der CSU. Sie leitete den Ortsverband von Ruhmannsfelden, war Vorsitzende der Frauen-Union im Landkreis Regen, 2009 kandidierte sie auf Listenplatz 27 für den Bundestag. In der CSU, erinnert sich Englmeier, habe die Rangfolge stets vor einer Versammlung festgestanden. Jetzt gehöre sie einer Partei an, in der sich keiner sicher sein könne. "Bei den Grünen wird jede Kleinigkeit ausg'schmatzt", sagt Englmeier - so auch im Regener Kreisverband, deren Vorsitz sie vor wenigen Tagen übernommen hat. Sie, die ehemalige CSU-lerin, zusammen mit ihm, dem ehemaligen CSU-ler. Denn auch ihr Ko-Chef hat eine schwarze Vergangenheit: Thomas Müller, der Bürgermeister von Bayerisch Eisenstein und frühere CSU-Ortsvorsitzende, war im Frühjahr 2011 zu den Grünen gewechselt, bereits ein paar Monate vor Englmeier.

Zwei ehemalige CSU-ler an der Spitze eines Grünen-Kreisverbandes? Im vermeintlich ach so konservativen Bayerwald? Man kann das für Zufall halten, man kann das als persönliche Entscheidung zweier politisch denkender Menschen begründen. Die CSU wäre froh, wenn es denn nur so wäre.

Es gab Zeiten, da ging es für die Regener CSU nur um die Frage, ob sie bei den nächsten Wahlen über 60 oder 70 Prozent kommt. "Früher war hier ja nichts außer der CSU", sagt Englmeier, 46. Sie selbst hat erlebt, wie der Pfarrer seine Herde vor Wahlen ermahnt hat, ihr Kreuzchen am christlich-sozialen Fleck zu machen. Und heute sitzt im Landratsamt ein nicht mal 30 Jahre alter SPD-Mann, keine einzige der drei Städte im Landkreis ist noch CSU-regiert. "Es ändert sich sehr viel", sagt Englmeier: "Die CSU hat es nicht mehr leicht."

Helmut Brunner, der Landwirtschaftsminister und CSU-Kreisvorsitzende, will von grundsätzlichen Problemen seiner Partei nichts wissen. Er spricht von individuellen Umständen, die diese Entwicklung ausgelöst hätten. Doch auch Brunner hat bemerkt, dass man "nicht mehr als CSU-ler geboren" werde, nicht einmal mehr im Bayerischen Wald. Die Gesellschaft sei heterogener geworden, "wichtig ist, dass man sich darauf einstellt".

Drohbriefe beim Parteiaustritt

Das macht ein jeder auf seine Art. Thomas Müller sah sich schon immer als grünen Schwarzen, nun sei er eben ein schwarzer Grüner, sagt er. Müller engagierte sich früh im Bund Naturschutz, setzt sich für den Nationalpark Bayerischer Wald ein, arbeitet nebenbei als Wald- und Landschaftsführer. Vor elf Jahren wurde er mit 29 zum jüngsten Bürgermeister Niederbayerns gewählt. Als vor drei Jahren eine Anfrage der Grünen aus Zwiesel kam, ob er nicht für sie kandidieren wolle, verließ er die CSU, zu der er nach wie vor ein ungetrübtes Verhältnis pflege, wie er sagt. Die Freundschaft zu einstigen Weggefährten bleibe bestehen.

Gaby Englmeier hat andere Erfahrungen gemacht. Als sie der CSU nach einem internen Streit mit weiteren Mitgliedern den Rücken kehrte und den ersten grünen Ortsverband im Bayerischen Wald gründete, habe sie anonyme Drohbriefe bekommen, berichtet sie. Ihr Geschäft - Englmeier betreibt zwei Salons für Fußpflege - habe unter Umsatzeinbußen gelitten.

Ein weiterer Seitenwechsler habe seinen Status im Marktgemeinderat sogar von grün auf parteilos geändert. Der Busunternehmer habe nämlich einen Rückgang gerade bei Seniorenfahrten bemerkt. Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt. Als die Freien Wähler sie umgarnt hatten, hatte Englmeier abgelehnt, "weil die für nichts stehen". Die größte Schnittmenge sah sie bei den Grünen, zumal hier im Wald, "mitten in der Natur, wo man von Herzen grün sein muss".

Wenn Thomas Müller gefragt wird, was ihm außer persönlichen Freundschaften seit seinem Abschied von der CSU fehle, so sagt er: "nichts". An den Grünen schätzt er den offenen Diskussionsstil. Er merke, wie er bei jeder Debatte dazulerne, sagt Müller, während bei der CSU "nur noch Monolog von oben herab angesagt" sei.

Aber es gibt auch Sachen, die sich von der CSU abschauen lassen. Die Öffentlichkeitsarbeit etwa, oder Organisationsstrukturen. Um die Basis zu stärken, wollen die beiden Kreisvorsitzenden daher nun ganz im CSU-Stil weitere Ortsverbände gründen. Vor allem Jüngere zeigen sich interessiert, binnen zwei Jahren verdoppelte sich die Mitgliederzahl der Regener Grünen auf 62. Englmeier wird bei der Bundestagswahl als Direktkandidatin antreten, Müller auf Platz vier der Bezirksliste für den Landtag. CSU-Kreischef Brunner nimmt die neue Konkurrenz gelassen. Er sagt: "Wir haben so viele Talente, dass wir auch andere Parteien versorgen können."

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