Bayerischer Städtetag:Zäsur nach 36 Jahren

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Die Ära der CSU geht zu Ende - zumindest im Bayerischen Städtetag. Erstmals nach 36 Jahren übernimmt mit dem Nürnberger OB Ulrich Maly wieder ein Sozialdemokrat den Vorsitz.

Christian Sebald

Natürlich ist es eine Zäsur. Auch wenn sie im Städtetag sagen, im Grunde bleibe alles beim Alten - weil ja die Fronten dieselben sind, an denen ihr designierter Vorsitzender, der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), kämpfen wird: die Finanzen der Städte, die mal etwas besser sind, zumeist aber schlecht. Der Freistaat, der den Kommunen - zumindest aus deren Sicht - immer mehr Aufgaben aufbürdet, statt sie zu entlasten. Und nicht zuletzt die Wirtschaft, die lieber heute als morgen die Gewerbesteuer abschaffen würde - die einzige originäre Einnahmequelle der Kommunen.

Aber natürlich ist der Stabwechsel vom CSU-Oberbürgermeister Hans Schaidinger zu Maly dennoch etwas Besonderes: Denn es ist 36 Jahre her, dass ein Sozialdemokrat höchster Vertreter der bayerischen Städte war - sinnigerweise mit Andreas Urschlechter ebenfalls ein Nürnberger OB. Seither war das Amt ein Erbhof der CSU. Deshalb ist es eine Zäsur, wenn der Städtetag diesen Donnerstag den SPD-Mann Maly zu seinem Vorsitzenden kürt.

In der SPD ist die Vorfreude groß. "Es gibt für dieses anspruchsvolle Amt keinen besseren Kandidaten", sagte Natascha Kohnen, die Generalsekretärin der Bayern-SPD, sogleich, als Maly seine Kandidatur bekannt gab. Der Münchner OB Christian Ude lobt den Kandidaten in hohen Tönen. "Maly ist ein Glücksfall für uns bayerische Sozialdemokraten", sagt Ude, dem viele nachsagen, für gewöhnlich halte er sich für den größten Glücksfall der bayerischen SPD.

"Wenn Maly nun an die Spitze des Städtetags rückt, wird auch nach außen klar, dass die kommunale Kompetenz in Bayern bei der SPD ist - werden doch die beiden größten Städte des Freistaats erfolgreich von Sozialdemokraten regiert." Vergessen ist offenbar, dass Maly erst wenig Lust auf den Vorsitz des bayerischen Städtetags hatte, sondern lieber Chef des deutschen Städtetags werden wollte - so lange, bis der Platzhirsch Ude Anspruch auf dieses Amt erhob.

Vergessen ist offenbar auch, dass es eine verbandsinterne Abmachung aus dem Jahr 2005 ist, die Maly das Spitzenamt beschert. Damals gab der ebenso wortgewaltige wie kantige Landshuter OB Josef Deimer (CSU) den Städtetagsvorsitz ab. 35 Jahre hatte der Deimer Dick, wie er gerufen wird, Landshut regiert, 30 Jahre war er Städtetagschef - völlig unangefochten. Der Grund: Deimer war OB durch und durch, er nahm nicht einmal Rücksicht auf Parteifreunde, wenn er die Interessen der Städte in Gefahr sah - das hat selbst Franz Josef Strauß erfahren. Etwa in Sachen Atomkraft. Deimer war über Jahre der einzige Atomkraft-Gegner der CSU, der daraus keinen Hehl machte. So ein Mann hinterlässt bei seinem Rückzug ein Vakuum - und in dem setzten die SPD, aber auch Grüne, FDP und Freie Wähler durch, dass sie ein Vorschlagsrecht für den Städtetagspräsidenten bekommen.

Es war ein Kompromiss, wie ihn Kommunalpolitiker schätzen: Noch sechs Jahre durfte die CSU das Amt besetzen, 2011 präsentiert die SPD den Kandidaten, 2014 sind Grüne, FDP und Freie Wähler dran. Dass die CSU 2005 mit dem Regensburger OB Hans Schaidinger erneut einen Städtetagschef von Deimerschem Kaliber aufbieten würde, damit hatte keiner gerechnet. Finanzminister Georg Fahrenschon dürfte sich gut daran erinnern, wie Schaidinger ihm via Pressemitteilung öffentlich in die Parade fuhr, nur weil er gesagt hatte, dass einige Vorschläge der Wirtschaft zur Reform der Gewerbesteuer bedenkenswert seien.

Nun also der SPD-Mann Maly. Zu Schaidinger ist er das Kontrastprogramm. Der Regensburger OB ist einer, der sich konfliktfreudig in jedes Getümmel stürzt. Einer, der unnachgiebig seine Positionen verficht. Zum Beispiel im Skandal um die BayernLB, deren Verwaltungsrat er angehört. Nach wie vor lehnt Schaidinger jede Verantwortung für das Milliardendebakel ab, in das die BayernLB durch den Kauf der Hypo Group Alpe Adria stürzte. Alle anderen damaligen Verwaltungsräte sind aus dem Gremium ausgeschieden. Schaidinger ließ sich nicht einmal durch den Untersuchungsausschuss des Landtags von seiner Linie und Position abbringen.

Maly ist da sehr viel geschmeidiger. Seit neun Jahren steht der 50-jährige Volkswirt an der Spitze von Nürnberg. Die OB-Wahl 2008 gewann er souverän mit 64,3 Prozent. Maly, der wie Ude ein ausgeprägtes kabarettistisches Talent hat, ist ein geschickter Verhandler - hart in der Sache, im Ton verbindlich, freundlich und bisweilen selbstironisch. Die Metropolregion Nürnberg, die 2005 unter seiner Führung etabliert wurde, gilt als sein Meisterstück. Mit 3,5 Millionen Einwohnern in 21 Landkreisen und zwölf Städten in Franken und der Oberpfalz ist sie eines der wichtigsten Wirtschaftszentren Deutschlands. "Dass die Metropolregion so eine Erfolgsgeschichte ist", sagt Münchens OB Ude, "verdankt Maly dem Credo, das er mit jedem Städtetagschef bisher teilt: Kommunalpolitik ist in erster Linie Sachpolitik."

© SZ vom 19.7.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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