Bayerischer Nostradamus:Der Mühlhiasl - ein falscher Prophet?

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Vor 200 Jahren soll der geheimnisvolle Mühlhiasl den Untergang der Welt prophezeit haben. Nun streiten die Gelehrten um die Legende aus dem Bayerwald.

Hans Kratzer

Vor ungefähr 200 Jahren hat ein geheimnisvoller Mensch aus dem Bayerischen Wald den Untergang der Menschheit prophezeit. Mächtige Zeichen werden dieses "Bänkeabräumen" ankündigen, sagte er, und er meinte damit wohl auch den Klimawandel, den er prägnant umschrieb: "Wenn man Sommer und Winter nicht mehr unterscheiden kann ..."

So soll der Wahrsager "Mühlhiasl" ausgesehen haben. (Foto: Foto: oh)

Leider gibt es von diesem Waldpropheten, der als Mühlhiasl Berühmtheit erlangte, weder ein authentisches Bildnis noch ein eigenhändig verfasstes Schriftstück. Doch trotz aller Unwägbarkeiten ist er eine der populärsten Gestalten, die der Bayerische Wald jemals hervorgebracht hat.

Seine Sprüche und Prophezeiungen haben die Menschen so sehr berührt, dass sie seit 200 Jahren von Generation zu Generation weitererzählt werden. Noch heute verweisen seine Apologeten angesichts von Kriegen, Naturkatastrophen und anderen Wechselfällen des Weltgeschehens auf seine Weissagungen, die allerdings voller Symbolik und damit voller Rätsel stecken.

Das Waldsterben soll er vorausgesagt haben ("Der Wald wird so licht werden wie des Bettelmanns Rock"), den Kriegsbeginn ("Wenn der eiserne Hund durch den Vorderwald bellt") und den Sittenverfall ("Die Bauernleut werden sich gewanden wie die Städtischen, und die Städtischen wie die Narren"). Kein Wunder also, dass sich an der Interpretation des Mühlhiasl schon so mancher Streit entzündet hat. Zurzeit tobt unter den Mühlhiasl-Forschern wieder eine besonders heftige Auseinandersetzung.

Den Stein ins Rollen brachte der ehemalige Straubinger Schulleiter Wolfgang Odzuck, der eine 230 Seiten lange "Tatsachenerhebung" zur Person des Mühlhiasl vorlegte, worin er die bisher gewagteste These aller Forscher vertritt.

Odzuck stellt den Mühlhiasl nämlich auf eine Ebene mit den biblischen Propheten und behauptet, dessen Aussagen beruhten auf göttlichen Eingebungen. Nun schlägt Odzuck ein rauer Wind entgegen, vor allem von Seiten des Heimatforschers Sigurd Gall, der ebenfalls Schulleiter war.

Dieser hat eine schriftliche Replik vorgelegt, die kein gutes Haar an Odzucks Buch lässt. "Es ist eine Katastrophe, was der Mann macht", sagt Gall. Odzuck verbreite eine theologische Irrlehre, wenn er den Mühlhiasl zum Sprachrohr Gottes mache. Andere Kritiker werfen Odzuck "Phantastereien" vor.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie angeblich der Mühlhiasl-Spruch "Ich komm euch als Toter noch aus!" Wirklichkeit wurde.

Das Grundproblem aller Mühlhiasl-Aussagen ist ihre Authentizität. Zum einen sind sie nur mündlich überliefert, zum anderen sind sie gefiltert durch die ohnehin mystisch und abergläubisch angehauchte Lebensweise der früheren Bayerwäldler.

Der Pfarrer Johann Evangelist Landstorfer verlieh dem Mühlhiasl in einem Beitrag vom 28.Februar 1923 im Straubinger Tagblatt in der Person des Matthias Lang erstmals eine Identität. Leider passt dessen Lebensbild nicht so recht mit den mündlichen Überlieferungen zusammen.

Gall vermutet, der Mühlhiasl habe nicht Matthias, sondern Johann Lang geheißen. Über dessen Tod existiert im Kirchenbuch der Pfarrei Hunderdorf immerhin ein Eintrag vom Juli 1825. Andere wiederum glauben, der Mühlhiasl sei gleichzusetzen mit der Figur des Waldhirten Stormberger aus Rabenstein, dessen Aussagen jenen des Mühlhiasl frappierend ähnlich sind.

Brennende Städte

Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dass manche Weissagungen, weil sie für die Leute unverständlich waren, in Vergessenheit gerieten, andere Sprüche aber dem Mühlhiasl untergeschoben wurden. Gall verweist auf die brennenden Städte nach den Bombenabwürfen der Alliierten.

Als Kinder habe er damals immer wieder den Spruch gehört: "Das hat der Mühlhiasl schon prophezeit: Wenn es Feuer vom Himmel regnet, dann ist es nimmer weit hin." Es ist leicht zu erkennen, dass der erste Satzteil eine Anleihe aus der Bibel ist.

Da der Name Mühlhiasl in keinem Dokument auftaucht, werden die Spekulationen wohl munter weitergehen. Für Gall steht fest: "Der Mühlhiasl war kein Prophet, sondern ein kritischer Kommentator des Zeitgeschehens."

Er selber soll gesagt haben: "Ich komm euch als Toter noch aus!" Wie es heißt, soll der Sarg des Mühlhiasl nach einem Deichselbruch vom Leichenwagen gefallen sein. Dabei habe sich der Deckel geöffnet und sein steifer Arm habe zum Himmel gezeigt.

© SZ vom 5. Juni 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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