Bayerischer Landtag:Facebook-Hetze gegen Roth - CSU zeigt sich unnachgiebig

AfD Bundesparteitag Hannover - Gegendemonstration

Claudia Roth auf der Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Hannover.

(Foto: dpa)
  • Auf der Facebook-Seite der Landtags-CSU fanden sich Hasskommentare, in denen Grünen-Politikerin Claudia Roth zum Teil mit dem Tod gedroht wurde.
  • Einige Kommentare sind mittlerweile gelöscht - aber nicht alle.
  • Die Grünen haben CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer deswegen angezeigt und fordern eine Entschuldigung.
  • Die bekommen sie nicht. Stattdessen fordert die CSU nun ihrerseits eine Entschuldigung.

Von Wolfgang Wittl

Es muss einem immer noch nicht alles gefallen, was am Dienstag auf der Facebook-Seite der CSU-Landtagsfraktion an Kommentaren zu finden ist. In einem Beitrag wird Claudia Roth, die Bundestagsvizepräsidentin von den Grünen, als "strunzdumme Person" verunglimpft. Ein anderer Schreiber ist der Auffassung, "diese Person gehört aus dem Land gejagt".

Und doch lässt sich feststellen: In den vorangegangenen Stunden muss jemand sehr fleißig gewesen sein in der Pressestelle der CSU-Fraktion. Etliche Kommentare, die Roth auf noch viel üblere Weise diffamierten, in denen ihr vereinzelt sogar mit dem Tod gedroht wurde, sind quasi über Nacht verschwunden - nachdem sie vorher tagelang auf der Internetseite standen. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, bleibt schwer zu beantworten.

Die Aufgebrachtheit, mit der CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer am Dienstag durch den Landtag pflügt, verheißt nichts Gutes. Kreuzer kann kein Fehlverhalten erkennen - weder bei sich noch bei seiner Mannschaft. Er habe selbst erst tags zuvor von dieser Geschichte erfahren. Überhaupt: Das Problem hätten die Grünen, nicht die CSU. Es fallen Worte wie "hochgespielt" und "Bagatelle", dann wischt Kreuzer unwirsch das Mikrofon eines Journalisten zur Seite. Um die Geschichte, von der Kreuzer spricht, auch wirklich zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück.

Roth wird später sagen, sie habe von dem strittigen Satz nichts mitbekommen

Vergangene Woche in Hannover, Parteitag der AfD, ein Bündnis namens "Bunt statt braun" macht dagegen mit einer Demonstration mobil. Auch Claudia Roth marschiert mit. Im Gegensatz zu früher nehmen an den Protesten auch Linksautonome teil, es werden Parolen skandiert wie "Deutschland, du mieses Stück Scheiße". Roth wird später sagen, sie habe von diesem Satz gar nichts mitbekommen. Sie habe zwar Sprüche gehört, die sie "nicht so toll" fand. Doch dann begann schon die Abschlusskundgebung mit dem Oberbürgermeister von Hannover, einem SPD-Mann. Auch Gewerkschaften und andere Parteien hatten sich an den Protesten beteiligt.

In München meldet sich nun der innenpolitische Sprecher der Landtags-CSU, Florian Herrmann, zu Wort. Er wirft Roth vor, sie trage "zur Radikalisierung der Gesellschaft bei" und mache "sich mitschuldig, wenn sich das Klima in Deutschland hochschaukelt". Was vom DGB, SPD und Grünen als Zusammenstehen der Demokraten gegen die AfD angekündigt worden sei, "sei in Wirklichkeit eine widerliche Veranstaltung gegen das eigene Land und das eigene Volk geworden". Und Roth mittendrin. Ein verkürzter Teil von Herrmanns Mitteilung wird auf die Facebook-Seite der Fraktion gestellt, danach geht es rund. In Hunderten Kommentaren wird Roth mal mehr, mal weniger böse beschimpft.

"Was glauben Sie, wie viele Mails ich bekomme, guter Mann?", raunzt Kreuzer nur

Roths Parteikollegen in Bayern werden am Donnerstag darauf aufmerksam, am Freitag schicken sie Kreuzer eine E-Mail mit der Aufforderung, seine Fraktion möge die Beleidigungen und Gewaltandrohungen von der Seite entfernen. Sie erinnern daran, dass Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) unlängst erst alle Parteien ermahnt habe, gerade in den sozialen Netzwerken zur Mäßigung beizutragen.

Von der CSU sei eine Entschuldigung an Roth fällig, fordern die Grünen. Es geschieht: nichts. "Was glauben Sie, wie viele Mails ich bekomme, guter Mann?", raunzt Kreuzer am Dienstag dazu nur. Die Grünen stellen der CSU am Montag ein Ultimatum: Bis 15 Uhr solle sie die schlimmsten Beiträge tilgen, ansonsten werde man Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Facebook-Seite erstatten, also Thomas Kreuzer. Wenig später geht die Anzeige an die Staatsanwaltschaft München I raus.

Wieso stehen weiterhin Dutzende Kommentare auf der Seite?

Die CSU-Fraktion veröffentlicht nun ihrerseits eine Mitteilung. Ihr Titel: "Die Grünen hätten jeden Grund, sich zu entschuldigen - CSU-Fraktion hat schnell und konsequent reagiert", wird Kreuzer zitiert. Und dass die CSU bereits am Freitag einen Kommentarschreiber angezeigt sowie beleidigende Beiträge entfernt habe. Wie aber können dann weiterhin Dutzende Kommentare auf der Seite gepostet werden, die Roth verunglimpfen? In denen die Bundeskanzlerin als Ferkel bezeichnet wird? In denen den beiden Politikerinnen mit dem Tod gedroht wird?

Ein Sprecher der Fraktion begründet das einerseits mit Personalknappheit. Eine andere Erklärung lautet: Man habe die Beiträge stehen lassen, damit die Polizei die Beweise sichern könne. Die CSU mache sich die Meinung nicht zu eigen, doch etliche Kommentare stehen nun immerhin bereits vier Tage auf der Seite.

Seehofer spricht vom "Hauch einer Überheblichkeit"

CSU-Chef Horst Seehofer weiß von alldem nichts, er erfährt erst am Montagabend von dem Vorfall. In seiner Rede bei der Weihnachtsfeier warnt er: "Wir müssen aufpassen, dass bei uns nicht der Hauch einer Überheblichkeit eintritt." Wer will, kann daran eine Kritik an Kreuzers Pressemitteilung erkennen. Aber am Dienstag stärkt er seinem Fraktionschef den Rücken. Niemand habe das geringste Verständnis für solche schäbigen Kommentare, "wir distanzieren uns total davon". Er kenne in seiner Partei "keine einzige verirrte Seele auf diesem Feld".

Claudia Roth war am Dienstag in Franken unterwegs, sie besuchte Flüchtlingsunterkünfte. Sie ist an Anfeindungen gewöhnt, auch ihre eigene Internetseite ist ein Ziel für Wirrköpfe. Dass eine Regierungspartei die Infrastruktur für solche Kommentare zur Verfügung gestellt habe, verwundere sie schon, sagte Roth. Sie unterstütze weder Parolen wie auf der Demo, noch habe sie Verständnis für die Sache auf der CSU-Seite. Sie werde weiter ihr Gesicht für die Demokratie zeigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: