Bayerischer Bildungsbericht:Land der ungleichen Chancen

Schule an der Wiesentfelserstrasse in München, 2012

Der meist gefürchtete Termin im Elternjahr: Der Einkauf vor dem ersten Schultag.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Sie werden später eingeschult, bleiben häufiger sitzen und machen niedrigere Abschlüsse. Jungen gehören laut Bildungsbericht zu den Verlierern des bayerischen Schulsystems. Auch Migrantenkinder haben es schwer. Und es gibt große regionale Unterschiede.

Von Tina Baier

Die Bildungschancen in Bayern sind nach wie vor extrem ungerecht verteilt. Das geht aus dem noch unveröffentlichten Bildungsbericht 2012 hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Am Donnerstag sollen die Ergebnisse, die das Münchner Institut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) im Auftrag des Kultusministeriums erarbeitet hat, im Bildungsausschuss des bayerischen Landtags diskutiert werden.

Für Kritik dürfte dabei die Tatsache sorgen, dass es immer noch stark vom sozialen Status der Eltern abhängt, ob ein Kind den Übertritt auf das Gymnasium schafft oder nicht: "Bei gleichen kognitiven Fähigkeiten und gleicher Lesekompetenz ist die Chance, dass Lehrkräfte eine Gymnasialpräferenz aussprechen, für ein Kind aus einer bildungsnahen Familie in Bayern dreimal so hoch wie für ein Kind aus einer bildungsfernen Familie", heißt es in dem Bericht.

Eindeutig benachteiligt sind demnach auch Kinder, die aus Familien mit Migrationshintergrund kommen: "Im Vergleich zu ihren Mitschülern aus einheimischen Familien erzielen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund oft schlechtere Leistungen und niedrigere Bildungsabschlüsse", heißt es auf Seite 221.

In der achten Klasse besuchen 58,4 Prozent der ausländischen Kinder die Mittelschule, aber nur 26,4 Prozent der deutschen Schüler. Der gegensätzliche Effekt ist am Gymnasium zu beobachten, das nur 16,7 Prozent der Migrantenkinder besuchen, im Vergleich zu 34,4 Prozent der Schüler aus einheimischen Familien.

SPD kritisiert mangelnde Sprachförderung

Martin Güll, bildungspolitischer Sprecher der SPD und Vorsitzender des Bildungsausschusses, hält mangelnde Sprachförderung ausländischer Schüler für einen der Hauptgründe für diese eklatanten Unterschiede. Und Thomas Gehring, Bildungssprecher der Grünen, sagt: "Fakt ist, über die gesamte Schullaufbahn gelingt es dem bayerischen Schulsystem nicht, die schlechteren Startchancen der Migrantenkinder auszugleichen. Dass Bayern ein Einwanderungsland ist, das ist in der schwarz-gelben Bildungspolitik offenbar immer noch nicht angekommen."

Allerdings zeigt der Bildungsbericht auch, dass es je nach Herkunftsland der ausländischen Kinder große Unterschiede gibt: Demnach liegt die Übertrittsquote auf das Gymnasium bei vietnamesischen Kindern bei 57 Prozent, bei türkischen und albanischen Kindern dagegen nur bei 17 Prozent. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hat dagegen einen "Wandel" im Bildungsverhalten der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ausgemacht: Diese nutzten immer öfter die Möglichkeit, nach einem ersten Abschluss weiterzumachen und auf die Fach- oder die Berufsoberschule zu wechseln.

Auch Jungen haben an den bayerischen Schulen im Vergleich zu den Mädchen Nachteile: Sie werden später eingeschult, bleiben häufiger sitzen und machen niedrigere Abschlüsse als die Mädchen. 3,9 Prozent der Jungen eines Jahrgangs schaffen dem Bericht zufolge überhaupt keinen Schulabschluss; bei den Mädchen sind es mit 2,3 Prozent deutlich weniger. "Mädchen fällt die Schule oft leichter als Jungen", schreiben die Verfasser lapidar. Das sei schon seit Jahren so. "Die Schulen müssen endlich reagieren, und sich auf die Bedürfnisse der Jungen, etwa ihren größeren Bewegungsdrang, einstellen", kritisiert Güll.

"Ganze Regionen werden bildungspolitisch abgehängt"

Auch wer außerhalb der Ballungsräume lebt, muss mit schlechteren Bildungschancen für seine Kinder rechnen. So wechseln in den "Umlandbereichen der Verdichtungsräume" etwa rund um München fast die Hälfte der Grundschulkinder (49,3 Prozent) auf ein Gymnasium, in "ländlichen Teilräumen mit besonderem Entwicklungsbedarf", etwa in weiten Teilen der Oberpfalz, ist es mit 31,2 Prozent nicht einmal jedes dritte Kind.

"In Bayern werden ganze Regionen bildungspolitisch abgehängt", sagt Güll. Zwar wurden von September 2000 bis September 2011 in Bayern 33 Realschulen, elf Wirtschaftsschulen und 13 Gymnasien neu gegründet. Doch bestimmte Regionen, wie etwa die Gegend um Hof in Oberfranken und fast ganz Niederbayern waren von dieser Entwicklung ausgeschlossen.

Als Erfolg wertete Kultusminister Ludwig Spaenle, dass die Zahl der Schüler, die keinen Abschluss schaffen, bayernweit zurückgeht. 2007 waren es 4,1 Prozent eines Jahrgangs, 2010 nur noch 3,1 Prozent.

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