Geschichte:Vom Säurefraß bedroht - Bayerns Archive müssen digitalisiert werden

Geschichte: In Gefahr: Millionen von Dokumenten in bayerischen Archiven sind vom Säurefraß bedroht und müssen digitalisiert werden.

In Gefahr: Millionen von Dokumenten in bayerischen Archiven sind vom Säurefraß bedroht und müssen digitalisiert werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

In bayerischen Depots schlummern historische Schätze. Aber Millionen Akten, Urkunden und Briefe gehen verloren, wenn sie nicht bald in die digitale Welt gerettet werden. Laut Experten ist das eine "unterfinanzierte Mammutaufgabe".

Von Hans Kratzer, Passau

Die bayerischen Archive sind richtige Schatzkammern, in ihren Depots schlummert ein riesiger Berg von Preziosen, freilich nur solche, die weder glitzern noch funkeln. Ganz im Gegenteil: Die dort verwahrten Akten, Urkunden, Fotos, Karten, Pläne, Plakate, Briefe, Telegramme und Filme wirken auf den ersten Blick alles andere als glamourös. Allerdings sind die meisten dieser Objekte Unikate, die, wenn sie verloren gehen, nicht mehr ersetzt werden können. Kurz gesagt: Die vielen Millionen Archivalien in den staatlichen, kommunalen, kirchlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und privaten Archiven bilden ein gigantisches Gedächtnis des Freistaats Bayern.

Auf dem 12. Bayerischen Archivtag, der am Freitag und Samstag in Passau abgehalten wurde, wurde wieder einmal deutlich, welch eine Herausforderung der Erhalt all dieser Objekte bedeutet. Mindestens 25 Millionen bayerische Archivalien sind zum Beispiel vom Säurefraß bedroht. Will man wenigstens den Inhalt der Papiere auf Dauer sichern, müssen sie dringend digitalisiert werden. Was auch schon seit Jahren geschieht, aber insgesamt ist die Überführung des gesamten Aktenbestands in die digitale Welt eine Jahrhundertaufgabe, was Bernhard Grau, der Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, jederzeit bestätigt.

Archive sind von der digitalen Welt in doppelter Hinsicht betroffen. Zum einen müssen sie selbst ihre Geschäftsprozesse und Dienstleistungen umstellen. Zum anderen zählt nun auch zu ihren Aufgaben, die digitalen Unterlagen aller Behörden und Dienststellen zu übernehmen, für die sie zuständig sind. Eine Herausforderung besteht laut Grau darin, dass man es dabei mit einer Vielzahl an Verfahren und mit unterschiedlichen Datenformaten zu tun hat. Allein die ständige Änderung der Speichertechnik verlangt hochkomplexe Lösungen. Kein Wunder also, dass der Archivtag in Passau unter dem Leitmotiv "Total digital!" stand.

Geschichte: BMW-Manager Helmut Käs mit dem "Bayerischen Janus". Rechts der Regierungspräsident von Niederbayern, Rainer Haselbeck.

BMW-Manager Helmut Käs mit dem "Bayerischen Janus". Rechts der Regierungspräsident von Niederbayern, Rainer Haselbeck.

(Foto: hak)

Nicht nur die neun staatlichen Archive in Bayern müssen sich dieser Herausforderung stellen, sondern auch Städte, Gemeinden, Kirchen und Firmen, die ebenso vor der Frage stehen, wie die in den Archiven gespeicherten Daten im digitalen Zeitalter dauerhaft aufbewahrt und lesbar gehalten werden können. Die Schlagworte, die den Archivtag prägten, hörten sich sich an wie auf einer Informatik-Messe: Total Commander, eAkten, Schnittstellen, Datenmapping ... Aus den Redebeiträgen der Archivare und Archivarinnen ging allerdings hervor, dass sie sich mittlerweile viel digitaltechnisches Wissen angeeignet haben und und schlaue Ideen umsetzen. Denn es ist "eine unterfinanzierte Mammutaufgabe", wie Markus Schmalzl, Archivoberrat und Digitalisierungsexperte, sagte.

Die vielen verschiedenen Datenformate sind ein Problem

Ein ernsthaftes Hindernis in diesem Prozess ergibt sich aus dem erwähnten Umstand, dass die Archive mit vielen unterschiedlichen Datenformaten umgehen müssen. Die Entwicklung entsprechender IT-Schnittstellen ist auf einem guten Weg, das gibt laut Schmalzl Anlass zur Hoffnung.

Da diese Neuerungen viel Geld verschlingen, stellte sich beim Archivtag die Frage, wie kleine Gemeinden die Digitalisierung des Schriftguts und die Archivierung dieser digitalen Unterlagen finanziell und organisatorisch stemmen sollen. Überzeugende Antworten gab es diesmal noch nicht. Auch das Thema "Künstliche Intelligenz" ploppte in den Diskussionen auf. Es hieß, sie könnte auch im Archivwesen zu rasanten Veränderungen führen, in welche Richtung auch immer.

Bei dem alle zwei Jahre stattfindenden Archivtag wird jeweils auch der Bayerische Janus vergeben, ein Preis, der Verdienste um das Archivwesen würdigt. Rainer Haselbeck, Regierungspräsident von Niederbayern, überreichte den Preis an Helmut Käs, den Leiter der BMW Group Classic, der auch für das Firmenarchiv der Bayerischen Motorenwerke zuständig ist. Letzteres pflegt auch die Erinnerungsarbeit der BMW Group, deren Augenmerk nicht zuletzt den Schattenseiten der Unternehmensgeschichte gilt, insbesondere der Beschäftigung von Zwangsarbeitern in der NS-Zeit.

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