Gesucht: weiblich, oberbayerisch, konservativ, jung und durchsetzungsfähig. Horst Seehofer muss den Posten von Christine Haderthauer als Chefin der Bayerischen Staatskanzlei nachbesetzen - keine leichte Aufgabe. Am Montagabend ist die 51-jährige CSU-Politikerin wegen der sogenannten Modellbau-Affäre zurückgetreten, "mit sofortiger Wirkung". Der Schritt war mit Seehofer abgesprochen und kam auch nicht völlig überraschend, wochenlang war der Druck auf die Ministerin gewachsen. Das Ende der Sommerpause hat sich der CSU-Chef wohl trotzdem entspannter vorgestellt.
Bei der Personalplanung muss er nämlich auf diverse Feinheiten achten, Stichwort: Proporz. Die CSU besteht aus zehn Bezirksverbänden, jeder davon muss am Kabinettstisch vertreten sein. Also muss Seehofer mit den 17 Minister- und Staatssekretärsposten genau haushalten. Zugleich möchte sich die Partei gern modern geben, dazu fehlen aber vor allem jüngere Frauen, die auch in höheren Positionen vertreten sind.
Wer also kommt für die Nachfolge der Oberbayerin Haderthauer infrage?
- Als derzeit aussichtsreichster Kandidat gilt der Münchner Georg Eisenreich - mit ihm könnte Seehofer das Personalproblem intern lösen. Der 43-jährige Jurist ist bereits Staatssekretär im Kultusminsterium von Ludwig Spaenle und hat den Kommunalwahlkampf für die CSU in München gemanagt, mit dem Ergebnis, dass die Partei nun mit Josef Schmid den Zweiten Bürgermeister der Landeshauptstadt stellt. Eisenreich gilt als meinungsstark und wird in der Partei geschätzt - eine wichtige Voraussetzung für jemanden, der eng mit Seehofer zusammenarbeiten, nach innen koordinieren und nach außen repräsentieren muss.
- Gleiches Alter und gleicher Beruf wie der Kandidat Eisenreich, aber derzeit noch nicht im Kabinett vertreten: Florian Herrmann, 43, ist in der CSU für Innenpolitik zuständig. Als Landtagsabgeordneter sitzt er in mehreren Ausschüssen und seit 2013 auch im Parteivorstand der CSU. Der Rechtsanwalt Herrmann hat Chancen auf einen Aufstieg, ist aber kein Favorit
- Ähnlich sieht es bei Albert Füracker aus. Der 46-jährige Oberpfälzer ist bereits jetzt in Seehofers Kabinett vertreten - als Staatssekretär im Heimatministerium von Markus Söder. Füracker hat im Ministerium einen guten Ruf, gilt aber auch als Söder-Vertrauter. Dem zerbrechlichen Gleichgewicht der Mächte, das Seehofer zwischen seinen potentiellen Nachfolgern Söder und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner herzustellen versucht hat, könnte das empfindlich schaden.
- Denkbar wäre auch, dass Umweltminister Marcel Huber auf den wichtigen Posten in der Staatskanzlei aufrückt. Der Vorteil: Der 56-Jährige war schon mal Chef in der Schaltzentrale, hat also Erfahrung mit dem Amt. Der Nachteil: Ein anderer Ministerposten in Seehofers Kabinett wäre vakant, eine Rochade wäre also auch hier die Folge. Die selbe Argumentation gilt auch für Sozialministerin Emilia Müller, mit dem zusätzlichen Haken, dass ihr Ministerium durch die immer größere Zahl an Füchtlingen in Bayern ge- bis überfordert ist.
- Als Nachwuchshoffnung gilt Markus Blume, aktuell wird er aber eher als potentieller Nachrücker auf den Posten eines Staatssekretärs gehandelt. Der 39-jährige Münchner sitzt seit 2008 im Bayerischen Landtag, seine Schwerpunkte: Wirtschaft und Internet. Seit vergangenem Jahr ist er auch im Fraktionsvorstand der CSU-Landtagsfraktion vertreten, im Juni hat ihn Seehofer außerdem zum Chef der CSU-Grundsatzkommission gemacht, ist damit also für das Programm der Partei in den kommenden Jahren zuständig. Für Seehofer eine gute Möglichkeit, den jungen Politiker zu testen.
- Auch Kerstin Schreyer-Stäblein gilt eher als potentielle Staatssekretärin, denn als Ministerin. Die 43-jährige Münchnerin ist seit 25 Jahren Parteimitglied, sie gilt als verlässlich, durchsetzungsstark und "bierzelttauglich", ihre Verbindungen zu den Parteioberen sind hervorragend. Eigentlich keine schlechten Voraussetzungen bei der CSU. Und: Nachdem die Europapolitikerin Angelika Niebler kein Interesse an dem Job in München hat, ist Schreyer-Stäblein die Frau mit den besten Chancen. Allerdings hatten in den vergangenen Jahren trotz mehrerer Wechsel an der Spitze der Staatskanzlei immer nur solche Politiker den Posten inne, die zuvor mindestens Staatssekretär waren.
- Neben Schreyer-Stäblein gibt es noch zwei weitere CSU-Frauen, die für einen Posten infrage kommen: eine davon ist die 46-jährige Ulrike Scharf. Die schweigsame Frau aus Erding bei München war von 2006 bis 2008 als Nachrückerin im Landtag, bei der vergangenen Landtagswahl errang sie das Direktmandat. 2011 ist sie Seehofer schon ins CSU-Präsidium geholt und zur Schatzmeisterin gemacht. Dort kommt sie offenbar gut an.
- Die dritte Kandidatin ist Ingrid Heckner, 64, stammt ebenfalls aus dem Bezirksverband Oberbayern und ist Vorsitzende des Ausschusses für den Öffentlichen Dienst. Das Kriterium "jung" erfüllt sie zwar nicht mehr, für Seehofer hätte das aber den Vorteil, dass er sich mit dieser Personalie nichts verbaut, bei der nächsten Postenverteilung muss er sie wohl nicht mehr unterbringen. Wenn er sich nicht schon jetzt bei der Besetzung an seine selbst gezogene Altersgrenze von 60 Jahren für Kabinettsmitglieder hält.
Wenn es nach der SPD geht, könnte sich Seehofer die Entscheidung einfach sparen. "Der Ministerpräsident sollte Frau Haderthauers Geschäftsbereich im Sinne schlanker Strukturen einem anderen Kabinettsmitglied zuschlagen", sagte SPD-Landtagfraktionschef Markus Rinderspacher am Dienstag in München. Heißt: Er soll auf eine Nachbesetzung verzichten.
So radikal wird Seehofer nicht sein. Spätestens bis zur ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause am kommenden Dienstag soll ein Name feststehen. Und egal wie seine Entscheidung ausfällt: Die Karriere von Christine Haderthauer liegt erstmal auf Eis. Die schwelende "Modellbau-Affäre" hat sie zum Rücktritt gezwungen. Ihr Landtagsmandat will die Ex-Ministerin aber behalten. Schließlich ist sie weiterhin überzeugt, dass sie die juristischen Vorwürfe vollständig ausräumen kann. Ob dann noch ein Platz für sie an der Spitze der CSU frei sein wird?