Süddeutsche Zeitung

Bayerische Pläne:CSU will Energiewende auf Pump

Ilse Aigner will die Energiepolitik umkrempeln. Mit einem 72-Milliarden-Fonds will die bayerische Wirtschaftsministerin den Ökostrom-Ausbau zwischenfinanzieren und Verbraucher entlasten. Ihr Vorschlag stößt nicht bei allen auf Begeisterung.

Von Michael Bauchmüller und Mike Szymanski

Die bayerische Landesregierung will große Teile der Energiewende in Zukunft per Kredit finanzieren. Das geht aus einem energiepolitischen Grundsatzpapier der neuen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Danach sollen die Stromkunden künftig nur noch einen Fixbeitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien beitragen, der sich an ihrem Stromverbrauch orientiert. Was an Kosten darüber hinausgeht, könnte demnach über einen Fonds am Kapitalmarkt aufgebracht werden. Er würde später über Jahre hinweg von den Stromkunden abgetragen. "Eine echte sofortige Entlastung" lasse sich so realisieren, wirbt das CSU-Papier.

Damit käme auch die zuletzt heftig umstrittene Ökostrom-Umlage aus dem Schussfeld. Mit ihr werden die Stromkunden an den Kosten für Wind- und Sonnenstrom, Geothermie- und Biomassekraftwerke beteiligt. Durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien war diese Umlage in den vergangenen Jahren stetig gestiegen - von gut zwei Cent im Jahr 2010 auf mittlerweile 6,2 Cent je Kilowattstunde. Einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt kostet die Förderung des Ökostroms damit in diesem Jahr fast 220 Euro, verglichen mit 70 Euro vor vier Jahren. Etwa 20 Milliarden Euro kamen allein 2013 so zusammen, Tendenz steigend.

Der Vorschlag Aigners würde diese Dynamik durchbrechen. In dem Papier, das in der Landesregierung derzeit abgestimmt wird, rechnet ihr Haus dies für eine fixe Umlage von 4,9 Cent durch, ergo 170 Euro je Haushalt und Jahr. Weil so nicht genug Geld zusammenkäme, um alle Zusagen zu finanzieren, soll der Rest aus einem "Streckungsfonds" bestritten werden. Auf bis zu 72 Milliarden Euro könnte dieser Mitte der Zwanzigerjahre anwachsen.

Finanzierung aus einem Altlastenfonds

Einen ähnlichen Vorschlag hatte zuletzt unter anderem der einstige Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) gemacht. Danach sollten alle bisher angefallenen Förderzusagen künftig aus einem Altlastenfonds finanziert werden, der sich dann in späteren Jahren tilgen ließe - etwa aus den Gewinnen abgeschriebener Ökostrom-Anlagen.

Im CSU-Vorschlag würden dagegen die Stromkunden den Fonds abtragen, und zwar von dem Zeitpunkt an, an dem die Ökostrom-Umlage eigentlich unter 4,9 Cent sinken müsste. Zuletzt trieb vor allem die einst hohe Solarförderung, garantiert auf 20 Jahre, die Kosten. Sind die 20 Jahre um, sänke die Umlage - es sei denn, sie fließt fortan in Zins und Tilgung des Fonds.

Verbraucherschützer begrüßten den Vorstoß am Freitag. "Damit ließen sich die Strompreise auf Jahre hinaus stabilisieren", sagte Holger Krawinkel, Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Der Fonds ersetze aber keine Reform des Fördersystems. "Das Ganze macht nur Sinn, wenn der Ausbau günstiger und effizienter wird als bisher."

Die Branche selbst warnte vor dem Fonds. Er belaste künftige Generationen zusätzlich, hieß es beim Ökoenergie-Verband BEE. Auch sei fraglich, ob die EU mitspiele.

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SZ vom 04.01.2014/infu
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