Bayerische Pilger in Rom:Weiß-blauer Abschied vom Papst

Sie schwenken weiß-blaue Fahnen und sprechen wehmütig von "ihrem" Papst: Hunderte Bayern sind nach Rom gepilgert, um Bendedikt XVI. zu verabschieden. Sie schwärmen von ganz persönlichen Begegnungen, es geht um seine Bescheidenheit, seine Weisheit - und seine Vorliebe für Dampfnudeln.

Von Katja Auer, Rom

So sicher war sich Elisabeth Rutzmoser, dass Joseph Ratzinger nicht der nächste Papst sein würde, dass sie 2005 ein Versprechen tat: "Wenn's der wird, dann steh ich im Dirndlgwand auf dem Petersplatz und schwenke eine Bayernfahne." Das hat sie dann auch gemacht.

Am Mittwoch ist sie wieder in Rom, die Bayernfahne hat ihr Mann Karl dabei. Ihre Tracht hat sie daheim gelassen, sie traute dem Wetter nicht, wenigstens trägt Karl Rutzmoser eine Lederhose. Aber es ist anders als damals, als sie in Hochstimmung spontan nach Italien aufbrachen und schon im Bus überlegten, was sie skandieren wollten für den Bayern auf dem Stuhl Petri. "Diesmal ist es ein bisschen Trauerbewältigung." Wehmütig ist Elisabeth Rutzmoser, "weil es doch unser Papst ist".

Noch ist er es, gerade noch. Papst Benedikt XVI. hält am Mittwoch seine letzte Generalaudienz ab. Die Gebirgsschützen sind am Petersplatz angetreten, um ihr Ehrenmitglied gebührend zu verabschieden, die Blaskapelle Traunstein spielt die Bayernhymne, der Ministerpräsident schaut für ein letztes Zusammentreffen vorbei. Sogar der Himmel strahlt wieder in ein bisschen weiß und sehr viel blau. Und aus ganz Bayern sind Pilger angereist.

Alleine das bayerische Pilgerbüro, das in den vergangenen beinahe acht Jahren mehr als 100.000 Menschen zum bayerischen Papst beförderte und damit einen neuen Schwung im Pilgergeschäft erlebte, hat wieder fast 400 Leute geschickt. Vier Busse sind am Dienstag in der Früh in Regensburg und München gestartet. Monsignore Wolfgang Bouché ist als Reiseleiter dabei, wie schon ungefähr 140-mal, so genau weiß er das nicht mehr. In so einem Reiseleiter sammeln sich viele Anekdoten an, mit und ohne Papst, und Bouché geizt nicht damit.

Abschied von Papst Benedikt XVI.

Abschied von Papst Benedikt XVI.: Hunderte Bayern sind dazu nach Rom gefahren.

(Foto: dpa)

Auch er war 2005 in Rom, als der weiße Rauch aufstieg, und als er tags darauf zufällig über die Piazza Leonina spazierte, wo Joseph Ratzinger so viele Jahre gewohnt hatte, als er noch Präfekt der Glaubenskongregation war, da sei ein Wagen mit dem Nummernschild SCV-1 vorgefahren. Status Civitatis Vaticanae-1, das Kennzeichen des Papstes. Benedikt XVI. kam, um ein paar Habseligkeiten einzupacken. Und erkannte Bouché. "Das ist der Pfarrer von Endlhausen", habe der Papst zu seinen Begleitern gesagt. Die Geschichte soll ein Beispiel sein dafür, wie bescheiden der Mann geblieben ist, und so versteht der Monsignore auch den Rücktritt als einen Akt der Bescheidenheit.

Der Rücktritt, er hat Bayern überrascht. An einen Faschingsscherz hätten sie erst einmal geglaubt, erzählen sie im Pilgerbus, aber schließlich scherzt man mit so etwas nicht. Jetzt vergönnen sie es ihm. Dass er den Druck los wird. Dass er ein bisschen Ruhe findet. Und schließlich sei er alt geworden in letzter Zeit.

Dampfnudeln und Apfelstrudel für den Papst

Viel Freundliches ist auf dem Petersplatz über den Papst zu hören. Schon in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle, wo sich die Besucher aus der ganzen Welt schon seit acht Uhr morgens drängen. Von Antonio Ardizzone zum Beispiel, der Koch ist im Studienseminar St. Michael in Traunstein, wo der Papst selbst mal Schüler war. Und wohin er später auch als Kardinal gerne wiederkam. Ardizzone machte ihm dann Dampfnudeln oder Apfelstrudel, der Papst hat eine Schwäche für Mehlspeisen.

"Er ist entweder zu mir in die Küche gekommen oder ich bin zu ihm raus", sagt Ardizzone, und bei einem Treffen mit alten Seminarkollegen habe sich der Papst auch nach ihm erkundigt. Jetzt ist Ardizzone mit einem ganzen Bus aus Traunstein angereist, um sich zu verabschieden. Am Seminar und im Chiemgau-Gymnasium haben sie an diesem Tag schulfrei, damit jeder mitfahren konnte, der wollte.

Viele Pfarreien haben Abordnungen geschickt, die katholische Uni Eichstätt, die bayerisch-katholische Studentenverbindung Rhaetia, die dem Papst die Ehrenmitgliedschaft verliehen hat, ein Fanklub der Münchner Löwen.

Recht weit vorne am Petersplatz weht eine besonders große Bayernfahne mit der Münchner Mariensäule drauf. Korbinian Kleber schwenkt sie, er ist mit seiner Schwester Cäcilia nach Rom gekommen, weil er Papst Benedikt "für seinen großen Dienst" danken wollte. 28 und 26 Jahre alt sind die beiden, in deutschen Kirchen senken sie den Altersdurchschnitt. Das stört die beiden nicht, "global betrachtet" seien doch eine Menge junger Menschen vom Papst und der Kirche begeistert. Die Verbundenheit mit einem Landsmann sei natürlich da, sagen sie, aber nicht nur das. Korbinian Kleber hat die Bücher von Papst Benedikt gelesen, auch jene, die er noch als Joseph Ratzinger verfasste. Er hält ihn für einen großen Kirchenlehrer, "vergleichbar vielleicht mit Gregor dem Großen".

Abschied von Papst Benedikt XVI.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) spricht vor der Generalaudienz auf dem Petersplatz mit Gebirgsschützen.

(Foto: dpa)

Parmaschinken, Gebete und Schnaps

Es wird gejubelt auf dem Petersplatz, auf Transparenten versichern die Gläubigen Benedikt ihre Zuneigung, Südeuropäer singen, bis sich die Tür Stunden später längst wieder hinter dem Papst geschlossen hat. In den zwei langen Stunden, bis die Generalaudienz beginnt, packen zwei Italiener ein bisschen Parmaschinken aus, ein anderer verspricht am Telefon, dass er für seinen Gesprächspartner mitbeten werde. Die englischen Pfarrer dahinter haben sich dicke Bücher mitgebracht und die Gebirgsschützen schnapseln.

Hedwig Fuchs und Margit Heuberger haben einen guten Platz erwischt, recht nah wird der Papst nachher an ihnen vorbeifahren. "Ich wollte schon immer mal nach Rom", sagt Hedwig Fuchs und jetzt hier zu sein, sei einfach "ein saugutes Gefühl". Sie findet, dass es Benedikt XVI. verdient habe, dass zu seinem Abschied viele Leute da sind. Die beiden Frauen aus Wörth an der Donau gehen sonntags in die Kirche, sie sind katholisch, "aber wir übertreiben es nicht", sagt Margit Heuberger.

Repräsentanten der bayerischen Volksfrömmigkeit

Auch das Ehepaar Rutzmoser stammt nach eigener Aussage aus einem katholischen Milieu - sie repräsentieren also das, was so gerne als bayerische Volksfrömmigkeit beschrieben wird, die auch Papst Benedikt geprägt habe. Und die so schöne Bilder fabriziert von Trachtlern beim Wallfahrten, von Zwiebeltürmen und Votivtaferln und Fronleichnamsprozessionen. Dass dies freilich nicht mehr selbstverständlich und längst nicht mehr ausreichend ist, um die Kirchen zu füllen, daran hat auch ein bayerische Papst nichts geändert. Manch einer glaubt sogar, dass die Deutschen das Pontifikat ungenutzt verstreichen ließen.

Gerade in seiner Heimat wurde Benedikt XVI. oft kritisiert, bei allem Stolz, mit dem die Bayern ihre Fahnen schwenken. "Ich glaube schon, dass den Leuten noch nicht bewusst ist, was wir für eine historische Zeit erlebt haben", sagt Elisabeth Rutzmoser. Sie und ihr Mann haben sich irgendwann bewusst fürs Katholisch-Sein entschieden, es ist für sie mehr als Tradition. "Man muss sich überlegen, ob sich das Katholisch-Sein rentiert", sagt Karl Rutzmoser. Das tut es seiner Meinung nach.

An diesem Tag würde ihm auf den Petersplatz wahrscheinlich kaum einer widersprechen. Benedikt XVI. brandet die Zuneigung nur so entgegen, ein paar Tränen fließen. Als er weg ist, bitten ein paar Inder die Gebirgsschützen um ein Erinnerungsfoto. Sie kriegen eins. Wer weiß schon, wann es wieder einmal so bayerisch zugeht auf dem Petersplatz.

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