Bayerische Landesstiftung:Stiftung macht 60 Millionen Euro Verlust

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Die Bayerische Landesstiftung steckt in finanziellen Turbulenzen, um 60 Millionen Euro ist das Vermögen geschrumpft. Der Rechnungshof rügt die fehlende Finanzkompetenz in Horst Seehofers Aufsichtsgremium. Kann die Hunderte Millionen Euro schwere Stiftung künftig noch ihre Aufgaben erfüllen?

Frank Müller

Die Hunderte Millionen Euro schwere Bayerische Landesstiftung steckt in finanziellen Turbulenzen: Das Vermögen der Freistaats-Stiftung, die unter den Fittichen von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) steht, hat sich in den vergangenen Jahren um mehr als 60 Millionen Euro verringert. Informationen der Süddeutschen Zeitung zufolge wird in der Stiftung schon debattiert, ob sie ihre Aufgabe künftig noch im bisherigen Umfang erfüllen kann. Auch der Oberste Rechnungshof ist alarmiert. Die Probleme der Stiftung betreffen ausgerechnet den Kern ihres Vermögens.

Prominentes Förderprojekt: Die Landesstiftung unterstützte die Einrichtung des Dokumentationszentrums auf dem früheren Reichsparteitagsgelände in Nürnberg mit einer halben Million Euro. Insgesamt hat die Stiftung in 40 Jahren 500 Millionen Euro ausgeschüttet. Künftig muss sie ihre Aktivität womöglich beschränken - aus finanziellen Gründen. (Foto: Landesstiftung)

Sie ging aus der Fusion von Bayerischer Staatsbank und der Vereinsbank im Jahr 1970 hervor und hat seitdem ein Aktienpaket - erst der Vereinsbank, nach einer weiteren Fusion dann der Hypo-Vereinsbank, seit deren Übernahme im Jahr 2005 schließlich von der italienischen Unicredit. Über die Jahrzehnte ist die Stiftung damit trotz mancher Turbulenzen im Grundsatz gut gefahren. In den vergangenen fünf Jahren ging der Wert der Papiere aber vorwiegend in eine Richtung: nach unten.

Seit etwa drei Jahren wird der Wertverlust dramatisch: Laut internen Papieren der Stiftung, die der SZ vorliegen, waren die mehr als 32 Millionen Aktien Ende 2009 noch knapp 75 Millionen Euro wert, ein Jahr später 51 Millionen, Ende 2011 dann nur noch 21 Millionen und im Februar dieses Jahres nur mehr 13 - ein Verlust von mehr als 60 Millionen. Auch die Dividendenzahlungen fielen zum Teil aus.

Hinter dem Debakel steht der Absturz der Unicredit-Aktien durch Verluste im Osteuropageschäft und die italienische Finanzkrise. Der Rückgang sei "aus heutiger Sicht natürlich eine etwas bittere Pille", räumt Stiftungsvorstand Engelbert Kupka ein. Doch der frühere CSU-Landtagsabgeordnete aus Unterhaching verweist darauf, Experten hätten die Aktien bis zuletzt empfohlen und der Stiftung von einem Verkauf abgeraten.

Dauerthema ist die Anlage auch im Stiftungsrat, der die Aufsicht führt. Das Gremium besteht aus Landtagspolitikern, an der Spitze stehen Seehofer und sein Finanzminister Markus Söder (CSU) als Vize. Beide lassen derzeit keine Möglichkeit aus, die Tilgung von Staatsschulden im Milliarden-Stil zu versprechen. Auf die Millionen-Probleme der Landesstiftung dagegen haben beide bislang keine richtige Antwort. In Kreisen der Staatskanzlei hieß es, Seehofer sei "klar, dass das Thema mit Bedacht und Vernunft gelöst werden muss".

Das mahnt offenbar auch der Rechnungshof (ORH) an, der sich erst im letzten Jahr mit Seehofer und Söder beim Thema Staatsverschuldung angelegt hatte. Die Staats-Controller haben die Stiftung nun schon zum dritten Mal seit 1996 geprüft und wollen sie Ende März auch in ihren Jahresbericht aufnehmen. Das verheißt Zündstoff für alle Beteiligten: Im Entwurf ihres Prüfberichts, der der SZ ebenfalls vorliegt, mahnt der ORH nicht nur an, "dass die Landesstiftung ihre eigene Kompetenz im Bereich der Kapitalanlagen stärkt". Sie geht auch das Finanzministerium an und bemängelt eine "Interessenkollision". Söder sei sowohl Stiftungsvize als auch Chef der Aufsichtsbehörde, nämlich des Finanzministeriums - wer da eine echte Kontrolle erwarte, sei "realitätsfern", moniert der ORH unverblümt.

Offenbar ist auch Seehofer die finanzielle Brisanz klar. Bei einer Sitzung im November warnte er laut Protokoll vor einer "schleichenden Entwertung des Stiftungsvermögens" und regte an, notfalls weniger Projekte zu fördern. Die Landesstiftung gibt jährlich bislang etwa 25 Millionen Euro für kulturelle und soziale Projekte im Freistaat aus und hat vor allem bei der Denkmalpflege und im Einsatz für Alte und Behinderte einen guten Ruf (siehe untenstehenden Kasten). Das Geld fließt aus den Kapitalerträgen - wenn das Vermögen schrumpft, sind also auch die Fördersummen bedroht.

Diese Gefahr beschrieb den Politikern kürzlich auch die Unternehmensberatung Mercer drastisch. In einer Analyse für den Stiftungsrat kommt Mercer zu der "Erkenntnis, dass nach der derzeitigen Anlagestrategie die Werterhaltung des Stiftungsvermögens auf Dauer nicht als gesichert angesehen werden kann". Das betrifft nicht nur die Unicredit-Papiere.

Die Landesstiftung hat ihr inzwischen auf unter 800 Millionen Euro geschrumpftes Gesamtvermögen auch in mehreren Mischfonds aus Aktien, Immobilien und Renten angelegt. Laut Mercer müsste daraus eine Rendite von fünf Prozent erwirtschaftet werden, um das Stiftungsgeschäft zu erhalten. Doch das unterschreitet die Stiftung. Das alarmiert die Experten: Langfristig werde "mit hoher Wahrscheinlichkeit der aktuelle Substanzwert nach Ausschüttung der Zielförderung aufgezehrt", so die Berater von Mercer.

Ende Februar beschloss der Stiftungsrat, die gesamte Vermögensverwaltung neu aufzustellen. Ziel, so Kupka, sei ein professionelleres und schnelleres Management. Doch das Gremium debattierte auch ganz andere Lösungen, darunter die, den Vermögensstock einfach auszuwechseln. Der SPD-Vertreter im Stiftungsrat, Ludwig Wörner, brachte die Idee ins Gespräch, die Finanzwerte gegen die umstrittenen 33.000 GBW-Wohnungen einzutauschen. Die befinden sich zu 92 Prozent im Besitz der Bayerischen Landesbank, die sich aber nach EU-Auflagen davon trennen muss.

Um die Zukunft der Wohnungen streiten CSU und SPD seit Monaten erbittert. Mit der Idee liebäugelte kurzzeitig auch Seehofer, doch Söder hält nichts davon: Es gebe "massive rechtliche Zweifel", schrieb Söder an Seehofer, außerdem sei der jährliche Ertrag zu gering. Das bestritt Wörner laut Protokoll, der selbst im Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft sitzt: Er wisse, dass Renditen von bis zu fünf Prozent machbar seien.

© SZ vom 15.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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