Bayerische Geschichte:CSU: "Bayern ist anders, hier herrscht Ordnung"

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Die CSU hat in ihrem neuen Grundsatzprogramm wieder einen altbekannten Begriff entdeckt. Damit versuchte die Partei schon vor 50 Jahren, Wahlkampf gegen die CDU zu machen - vergeblich.

Von Karl Stankiewitz, München

Der Mann, mit dessen Hilfe die CSU die letzten zwei Wahlen in Bayern gewonnen hatte, war auf keinem Plakat zu sehen. In keinem Kreisverband stand der Name von Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) auf der Rednerliste; nur die Junge Union hatte sich noch einmal seiner erinnert. "Die Kerze brennt ab", schrieb der Bayernkurier und schürte so die Untergangsstimmung. "Wenn es nicht dunkel werden soll in Deutschland, ist neues Licht in die Dinge zu bringen."

Im Jahr 1966 war es tatsächlich dunkel um den "Vater des deutschen Wirtschaftswunders geworden", dem sein Vorgänger Konrad Adenauer 1963 nur widerwillig das Szepter übergeben hatte. Erhards Leitbild von der "formierten Gesellschaft" und einem starken Staat funktionierte nicht.

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Auch eine Rezession samt steigenden Arbeitslosenzahlen hatte er nicht verhindern können. Und deshalb auch nicht die schweren Wahlniederlagen der CDU in mehreren Bundesländern. Anfang November 1966 war die Union in Hessen dermaßen eingebrochen, dass die SPD eine Alleinregierung bilden konnte.

Dies war das Signal für die CSU, ihren Landtagswahlkampf in Bayern zuzuspitzen. Die Taktik erinnert stark an die CSU-Attacken auf Kanzlerin Angela Merkel fast fünf Jahrzehnte später. Die CSU zielte 1966 ungeniert auf den Kanzler und somit gegen die Bundesregierung, an der sie gleichwohl noch mit fünf Ministern beteiligt war. "Bayern ist anders, hier herrscht Ordnung", verkündeten die Christlich-Sozialen nach der Pleite der Union bei der Hessenwahl.

Für "Ordnung in Bonn" werde Franz Josef Strauß sorgen, hieß es. Der hatte die Spiegel-Affäre und andere Skandale überstanden. So konnte sich der neu erstarkte Parteiführer mächtig ins Zeug legen. "Die ganze Welt" warte auf den Ausgang dieser Wahl, rief er in einen Münchner Saal. "Es ist fast wieder so, wie in jenen Zeiten, als das Königreich Bayern als dritte deutsche Kraft eine europäische Macht mittlerer Ordnung war."

Bis aus Schweden und Rumänien waren Pressevertreter angereist. Galt dieser Strauß doch als "Kanzlermacher" und der kommende Mann in Deutschland. Historisch bewanderte Beobachter erinnerten sich an eine Zeit, als sich das Land Bayern als "Ordnungszelle" in der Weimarer Republik aufspielte.

Fußtritte, Spott und Hohn von den Parteifreunden

Scheinbar ritterlich und wohl auch in der Absicht, ihre staatserhaltende Rolle hervorzukehren, stellten sich ausgerechnet die Sozialdemokraten vor den von eigenen Parteifreunden verfemten Bundeskanzler Erhard - noch so eine Parallele zur heutigen Zeit, wo die größten Merkel-Fans anscheinend bei den Grünen und der SPD beheimatet sind. Nur Fußtritte, Spott und Hohn ernte Erhard von seinen Parteifreunden in Bayern für seine Politik, stellte der bayerische SPD-Landesvorsitzende und Gegenkandidat Volkmar Gabert fest.

Das Ergebnis einer solchen Parteitaktik, die viele als Schaukelpolitik oder bayerische Scheinopposition bewerteten, überraschte alle. Quasi über Nacht hatte sich die politische Landschaft zwischen Spessart und Karwendel radikal verändert: Bei der Landtagswahl am 20. November 1966 konnte die CSU die absolute Mehrheit der Mandate zwar halten. Die SPD erzielte ihr bis heute bestes Ergebnis (35,8 Prozent).

Die FDP und die Bayernpartei wurden aus dem Parlament vertrieben, wo sie mit hervorragenden Persönlichkeiten vertreten waren. Jedoch - und das löste Alarm aus: An Stelle der beiden demokratischen Parteien konnte zum ersten Mal die NPD ins Maximilianeum einziehen. Immerhin 7,4 Prozent - in Mittelfranken sogar deutlich mehr - erhielt die braune Partei. Die bayerische Strategie, sich auf Kosten der CDU zu profilieren, war nach hinten losgegangen. Immerhin vier Jahre lang saßen die Rechtsextremen im Landtag.

An der Herrschaft der CSU änderte das freilich nichts: Schnell bildete der bisherige Ministerpräsident Alfons Goppel eine Alleinregierung der CSU. Deren Ordnungs-Parole hatte sich, wie Analytiker damals befanden, offenbar nach rechts verschoben. Der von allen kritisierte und enttäuschte Kanzler Erhard indes erklärte zehn Tage nach der Bayernwahl seinen Rücktritt - und die Bundesrepublik Deutschland bekam ihre erste Große Koalition.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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