Eine Welt, die mehr und mehr aus den Fugen gerät, pfeift auf überkommene Deutungsmuster des irdischen Geschehens. Das betrifft auch die Phänomene des Kirchenjahres, die mittlerweile selbst in einem urkatholischen Land wie Bayern weit in den Hintergrund gerückt sind. Der Festtag Allerseelen (2. November) ist heute einem Großteil der Jugendlichen unbekannt. An den Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen gedenkt man der Armen Seelen, welche nach altem Kirchenglauben im Fegefeuer ihrer Erlösung harren.
Einst glaubte man, die Seelen der Verstorbenen kehrten am Allerseelentag oder in der darauffolgenden Seelwoche auch körperlich dorthin zurück, wo sie einst zu Hause waren. Damit sie sich stärken konnten, reichte man ihnen Seelenzöpfe und Seelenwecken. Dieses Gebäck wurde aus dunklem Roggenmehl hergestellt und hatte oft die Form eines Zopfes, da die Seele nach alter Vorstellung ihren Sitz in den Haaren hatte. In der Rosenheimer Gegend wurden bis in die Gegenwart herein in der Nacht zu Allerseelen sogenannte Seelennudeln vor die Haustür gelegt.
In manchen Gegenden stellte man am Grab einen Laib Brot ab oder man hängte eine Seelenbreze ans Grabkreuz. Die Armen und Bedürftigen durften sich diese Speisen später abholen. Heute erhalten Kinder von ihren Tauf- oder Firmpaten hie und da noch einen Seelenwecken. Nun ist das aber eine Süßspeise in Form einer speziell geformten Torte. Ein Brauch zum Wohle des Menschen, der noch lange fortdauern möge.