Kratzers Wortschatz:Weißwein mit Cola und Erdnüssen

Nur in Unterfranken kommt man wohl auf die Idee "Scheeselack" zu trinken. Außerdem: Arme Seelen, Dobernickel und andere Leckerbissen der bayerischen Sprache.

Von Hans Kratzer

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Dobernickel

Steinpilze

Quelle: Patrick Pleul/dpa

Wegen des trockenen Sommers war von den Waldpilzen lange Zeit nichts zu sehen. In den vergangenen Wochen aber schossen die Schwammerl förmlich aus dem Boden. Jene Glücklichen, die gute Schwammerlplätze kennen, berichten von Rekordfunden, vor allem Steinpilze waren zuletzt in einem ähnlichen Überfluss vorhanden wie Äpfel und Zwetschgen. Man musste die Schwammerl nicht mehr suchen, sondern nur noch brocken. Aus dem Bayerischen Wald berichteten Schwammerlfreunde unisono: "Mei, hob i vui Dobernickel gfunden!"

Der Steinpilz hat ja mehrere Namen. Herrenpilz heißt er, weil er früher wohl unter Androhung von Strafen bei den grundbesitzenden Herren abgeliefert werden musste. An der Grenze im Osten ist der Steinpilz als Dobernickel (Dobernigl, Doberling) bekannt. Auch in Böhmen wird er so genannt, in dem Namen steckt das tschechische Wort dobry (gut).

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brocken

Birnen auf der Bank

Quelle: dpa

Wer gute Schwammerlplätze kennt, der braucht die Pilze, wie schon gesagt, nur noch zu brocken. Aber nicht nur Schwammerl werden gebrockt, sondern auch Blumen (Bleame brocka), Kirschen, Beeren, Äpfel und nicht zuletzt die Hopfendolden. In der Hallertau kommen sogar Hopfenbrockmaschinen zum Einsatz. Eine saftige Erweiterung ist das Verb einbrocken.

Früher brockte man zum Frühstück gerne alte Semmeln in das Milchhaferl, wo die hart gewordene Molle (das Innere der Semmel) bald aufweichte. Dann wurde das "teigige Geschlemm" (Oskar Maria Graf) unter lautem Schlürfen mit einem Löffel in den Mund geschoben. Hat sich einer ein Problem aufgehalst, sagt man: "Jetzt löffle die Suppe aus, die du dir eingebrockt hast!"

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Scheeselack

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Quelle: Catherina Hess

Gert Hofmann teilte als Ergänzung zu dem Wort Schäsnlack mit, in Karlstadt (Unterfranken) gebe es das ähnliche Wort Scheeselack. Das sei ein Gemisch aus je einem Schoppen Weiß- und Rotwein, Cola, Erdnüssen und etlichen Cognacs. Das Getränk sei wie der Schäsnlack schwarz gefärbt.

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Arme Seelen

Bäckerei

Quelle: HEDDERGOTT

Eine Welt, die mehr und mehr aus den Fugen gerät, pfeift auf überkommene Deutungsmuster des irdischen Geschehens. Das betrifft auch die Phänomene des Kirchenjahres, die mittlerweile selbst in einem urkatholischen Land wie Bayern weit in den Hintergrund gerückt sind. Der Festtag Allerseelen (2. November) ist heute einem Großteil der Jugendlichen unbekannt. An den Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen gedenkt man der Armen Seelen, welche nach altem Kirchenglauben im Fegefeuer ihrer Erlösung harren.

Einst glaubte man, die Seelen der Verstorbenen kehrten am Allerseelentag oder in der darauffolgenden Seelwoche auch körperlich dorthin zurück, wo sie einst zu Hause waren. Damit sie sich stärken konnten, reichte man ihnen Seelenzöpfe und Seelenwecken. Dieses Gebäck wurde aus dunklem Roggenmehl hergestellt und hatte oft die Form eines Zopfes, da die Seele nach alter Vorstellung ihren Sitz in den Haaren hatte. In der Rosenheimer Gegend wurden bis in die Gegenwart herein in der Nacht zu Allerseelen sogenannte Seelennudeln vor die Haustür gelegt.

In manchen Gegenden stellte man am Grab einen Laib Brot ab oder man hängte eine Seelenbreze ans Grabkreuz. Die Armen und Bedürftigen durften sich diese Speisen später abholen. Heute erhalten Kinder von ihren Tauf- oder Firmpaten hie und da noch einen Seelenwecken. Nun ist das aber eine Süßspeise in Form einer speziell geformten Torte. Ein Brauch zum Wohle des Menschen, der noch lange fortdauern möge.

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ruaschad

Verkaufsoffener Sonntag in München im Jahr 2015 zum Stadtgründungsfest

Quelle: Lukas Barth

Eine fürsorgliche Kollegin hat neulich einen etwas hektisch agierenden Redakteur ermahnt, er solle doch nicht so ruaschad sein. Sie bekräftigte also ihre Mahnung mit dem Begriff ruaschad (ruschig), dessen Herkunft einem auf Anhieb rätselhaft vorkommt. Das Verb ruaschen beschreibt zunächst einmal ein übereifriges Handeln. Ein Synonym ist hudeln. Ein ruaschada Bub macht eine Unordnung, etwa auf der Suche nach Süßigkeiten im Vorratsraum. "Wo ruaschst denn schon wieder?", lautet die passende Frage dazu.

In Ilmbergers Lexikon ist nachzulesen, dass das Wort Ruaschn auch eine Baumart bezeichnet (Rüster, Ulme). A ruaschads Holz ist demnach ein Rüsternholz. Eine Ruaschn kann laut Ilmberger aber auch eine schlampig und schludrig arbeitende Frau sein (Plural: Ruaschna). Ludwig Merkle schreibt in seiner Fibel, eine Ruaschn benehme sich übereilig, unbesonnen, schusselig. Das passt gut zusammen mit der mittelhochdeutschen Vorform ruschen. Diese bedeutete: ein Geräusch erzeugen (rauschen), aber auch: sich eilig bewegen, sausen, stürmen. Damit lässt sich bequem an das englische rush anknüpfen und an die rush hour, die Zeit des dichtesten Verkehrs.

© sz.de/ dpa
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