Margarete Bause ist schon längst nicht mehr in China, da trägt sie am Revers ihres Blazers immer noch zwei Anstecker: einen kleinen, aus den bayerischen und chinesischen Flaggen zusammengesetzt, er stammt aus der offiziellen Reisedelegation. Und weiter oben einen mit einem Symbol des Künstlers Ai Weiwei. Das ist ihr höchst inoffizieller Reiseanstecker. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende ist auch die einzige aus der großen Delegation von CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer, deren gedrucktes Reiseprogramm nun etwas anders aussieht als das der anderen Polittouristen. Auf der Rückseite hat Ai Weiwei für sie unterschrieben. Samt Datum: "2014.11.23".
Der CSU-Regierungschef, die Grüne Nebenaußenpolitikerin, der chinesische Künstler und Dissident - das ist das Dreieck, das auch nach der Rückkehr von Seehofers Reisegruppe für erhebliche Spannung sorgt. Heimlich, fast konspirativ hatte die Grünen-Politikerin die Symbolfigur der chinesischen Bürgerrechtler eine Stunde lang getroffen. Seehofer ist sauer, Bause dagegen beschert der geschickt eingefädelte Coup im eigenen Lager geradezu euphorischen Zuspruch. Man muss sich nur die Grünen-Fanpost auf Facebook oder Twitter für sie anschauen, um zu sehen: Die 55-Jährige, die nach der verlorenen Landtagswahl als Spitzenkandidatin intern kräftig unter Druck geraten war, sitzt jetzt wieder fester im Sattel.
Nadelstiche gegen Seehofer
Als sie am Dienstag Vormittag, gut zwölf Stunden nach der Landung in München, im Landtag aufschlägt, ist es, als ob ein verborgener chinesischer Energiestrom in ihr jeden Jetlag und jede Reisestrapaze auflösen würde. Neben ihr sitzt ihr Co-Fraktionschef Ludwig Hartmann, im üblichen Kräfteverhältnis Grüner Doppelspitzen ihr natürlicher Konkurrent. Doch auch aus Hartmann strömt es einfach heraus. Er wolle sich "ganz herzlich bedanken bei Margarete Bause", sagt er, bei der "inoffiziellen Außenministerin des Freistaats Bayern".
Bause selbst sagt ein paar einleitende Sätze über das beeindruckende große Land China und kommt dann schnell zur Sache: Die Begegnung mit Ai Weiwei habe ihr "die andere Seite" des chinesischen Regimes aufgezeigt: "Wie sehr die Repressionsschraube im Moment angezogen wird." Jeder ihrer Sätze ist ein Nadelstich gegen Seehofer, der bei seiner Reise vor allem die wirtschaftliche Kooperation mit China anschieben und alles andere im diskreten Hintergrund regeln wollte. "Im Gegensatz zu unserem Ministerpräsidenten bin ich nicht der Meinung, dass eine Verbesserung der Menschenrechte zwangsläufig folgt aus den wirtschaftlichen Kontakten."
Üblicherweise keine Sonderpfade von Politikern
Ai Weiwei habe ihr gesagt, wie wichtig der Einsatz westlicher Politiker für konkrete Fälle sei. "Er hat gesagt, es ist unbedingt nötig. Er hofft darauf, dass westliche Politiker zu den westlichen Werten nicht nur dann stehen, wenn sie zu Hause sind." Bause weiß, was Seehofer weh tut: Die Kanzlerin achte offenbar schon auf solche Signale, habe Ai Weiwei übermittelt. Im Gegensatz zu Horst Seehofer, wie Bause findet. "Er hat sich anerkennend über Angela Merkel geäußert." Bause bemüht sich, ihre Bilanz ohne billigen Triumph zu ziehen. Aber es ist auch nicht so, dass sie das Lächeln aus dem Gesicht kriegen würde.
Dabei stellt sich die Frage, wie weit man als Mitglied einer staatlichen Delegation im Ausland ausscheren kann, durchaus. Seehofer und seine Reiseorganisatoren reagierten noch in China mit einer Mischung aus Empörung und Herunterspielen. Bause stehe eben für Ärger, agiere aber gleichzeitig "unterhalb der Wahrnehmungsschwelle", befand Seehofer. Üblicherweise halten sich Innenpolitiker aller Seiten daran, in der Außenpolitik keine Sonderpfade einzuschlagen, sondern gemeinsame Interessen zu vertreten - ein Thema, das Seehofer selbst gerade auf die Füße fällt mit seiner Attacke auf den Russland-Kurs von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Die hatte wiederum SPD-Chef Sigmar Gabriel als Zeichen von Seehofers "besonderer Art von Humor" kritisiert.
Deutsche Botschaft regagierte entspannt
Bause sagt, sie sei sich zwar sicher, dass die chinesischen Stellen vorab Wind von ihrem geplanten Besuch beim Dissidenten bekommen hätten, schon durch Überwachung des Mailverkehrs. Seehofer mochte sie dennoch nicht vorab Bescheid geben: "Ich glaube, es war ganz gut für ihn, dass er nicht informiert war." Ansonsten hätten ihm nämlich die Chinesen im Nachhinein doppeltes Spiel vorwerfen können. Und überdies sehe nur die Delegationsspitze die Sache so aufgeregt, meint Bause. Die deutsche Botschaft habe entspannt reagiert und erklärt, sie hätte Bause den Termin bei Ai Weiwei auch selbst besorgen können.
Seitdem herrscht Funkstille zwischen Schwarz und Grün. Bause habe Seehofer noch um ein Gespräch gebeten, dem sei er nicht nachgekommen. Beim Flug nach Hause habe es keinen Kontakt gegeben. Ob es weitere Flüge gibt, ist ohnehin fraglich. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer hat die künftige Mitnahme von Oppositionspolitikern schon infrage gestellt. Das erinnerte Bause an etwas: "Ich könnte ihm den ein oder anderen Tipp geben, was man noch so machen könnte, um die Opposition zu kujonieren" (also: bösartig zu bedrängen), sagte sie. Kreuzer könne ja "mal bei den Chinesen nachfragen".