Süddeutsche Zeitung

Schnee in Bayern:Herr Wimmer, was tun die Bauern mit dem Problemschnee?

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Für viele Bauern bedeuten die Schneemassen vor allem eins: Arbeit. Georg Wimmer, Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbands, über ächzende Bäume und den perfekten Winter.

Interview von Merlin Gröber

Der viele Schnee drückt nass und schwer auf Dächer, Bäume stürzen unter der Last um. Viele Straßen sind gesperrt, manche Gemeinden und Höfe sind nur noch schwer zu erreichen oder ganz eingeschlossen. Für die Menschen, die in Bayern auf dem Land leben, ist so ein Winter nicht unbedingt etwas besonderes. Den Landwirten bereiten tagelange Schneefälle und Minustemperaturen zum Teil aber schon Probleme. Was passiert mit der Milch, wenn sie von der Molkerei nicht mehr abgeholt werden kann? Wer kümmert sich um die Schäden im Wald? Georg Wimmer, Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbands, weiß, was Bauern am Winter fürchten - und was sie daran schätzen.

SZ: Herr Wimmer, was läuft diesen Winter aus landwirtschaftlicher Sicht alles schief?

Georg Wimmer: Erstmal ist der viele Schnee nicht etwas, das schiefläuft. Wir haben diesen Winter aber eine besondere Situation. Der Schnee wurde sehr schwer, weil es erst geschneit hat und dann wärmer wurde. Dadurch bleibt der Schnee in den Bäumen hängen und führt zu Waldbruchschäden.

Man könnte also sagen, es handelt sich um Problemschnee.

Genau. Problematisch ist nicht die Schneemenge, sondern die Konsistenz. Pulverschnee zum Beispiel ist anders als der Schnee, den wir momentan haben. Mit Pulverschnee hätten wir weniger Probleme. Der würde einfach von den Ästen runterfallen. Aber der schwere Schnee hängt sich fest und bringt sogar Laubbäume zum Umfallen. Bei diesem Wetter sollte daher niemand in den Wald, auch nicht für Aufräumarbeiten. Die Waldbauern müssen wirklich schauen, dass ihnen da nichts passiert.

Ist dieser Winter besonders gefährlich?

Wenn ich mich richtig erinnere, hatten wir im Süden 2008 das letzte Mal richtig viel Schnee. Wir haben auch diesen Winter besonders viel Schnee. Da aber einen Vergleich zu ziehen, ist jetzt noch nicht möglich. Vor allem weil die Waldbauern und Forstleute jetzt nicht in den Wald können, um Schäden zu begutachten. Das ist momentan lebensgefährlich. Aber dass es im Winter Phasen gibt, in denen witterungsbedingt alles stillsteht, ist nichts Außergewöhnliches. Das kommt öfter vor.

Im Wald ist der schwere Schnee problematisch. Wie siehts auf dem offenen Land aus?

Auf den Feldern und Wiesen sind im Moment keine besonderen Probleme mit dem Schnee verbunden. Für Probleme sorgt die Schneelast tatsächlich vor allem im Wald. Auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen ist jetzt Winterruhe, da wird nicht gearbeitet. Ob dort 30 Zentimeter Normalschnee liegen oder ein halber Meter, das macht für den Moment keinen großen Unterschied.

Hat die Landwirtschaft Notfallpläne für so extremes Wetter?

Nein, wir als Bauernverband haben keine standardisierten Notfallpläne. Aber die Bauern sind es gewohnt mit genau diesen Unwägbarkeiten umzugehen. Man stellt sich darauf ein und viele Landwirte helfen sich in solcher Situation gegenseitig. Und natürlich den Mitbürgern: Wenn zum Beispiel geräumt werden muss, springen vielerorts Landwirte oder der Maschinenring ein. Das ist eine Selbsthilfeeinrichtung für Landwirte, die Maschinen verleiht und auch Räumdienste anbietet. In den Dörfern läuft aber auch nicht alles über den Maschinenring, da hilft man sich einfach untereinander. Da passiert viel, ohne dass darüber geredet wird.

Wenn die Straßen zugeschneit sind, wird's dann schwierig die Milch abzuholen?

Bisher scheint es weitgehend zu gelingen, die Straßen soweit freizuhalten, dass die Milchautos die frische Milch abholen können. In den allermeisten Betrieben wird die Milch inzwischen ohnehin nicht mehr täglich abgeholt, sondern alle zwei Tage. Die Bauern haben dafür Kühlanlagen und Milchtanks mit den nötigen Reserven. Da kann die Milch auch mal länger gelagert werden. Wenn sie aber über einen größeren Zeitraum nicht abgeholt werden kann, hat der Bauer keine andere Möglichkeit, als sie in die Güllegrube zu leiten. Die Räumdienste, die Molkereien und Bauern tun aber alles, dass es nicht dazu kommt.

Dann wird die Güllegrube noch voller. Läuft die nicht irgendwann über?

Mit der Kapazität der Güllegruben gibt es keinerlei Probleme, weil sie bei Schnee ohnehin nicht ausgefahren werden darf. Die Bauern haben deshalb für die Gülle aus den Ställen Lagerraum bis zu sechs Monaten geschaffen. Erst nach dem Winter und dem Frost, darf wieder Gülle ausgebracht werden. Auf schneebedeckten Böden ist das verboten.

Kalt. Nass. Schwer. Gibt's eigentlich auch irgendetwas Positives an so viel Schnee für die Landwirte?

Auf jeden Fall: die Versorgung der Böden mit Wasser. Nach der großen Trockenheit im letzten Sommer, helfen der Schnee und die Niederschläge im Winter, jetzt das Wasserreservoir wieder aufzufüllen und den Grundwasserspiegel zu heben. Der langsam schmelzende Schnee ist dafür viel besser geeignet als schwere Regengüsse mit Gewitter. Auch in den Wäldern ist der Schnee ideal um wieder Feuchtigkeit in die Böden zu bringen. Eine hohe Schneedecke kann außerdem den Boden vor dem Ausfrieren schützen, sollte es mal sehr kalt werden.

Den perfekten Winter für Landwirte. Gibt es den?

Der perfekte Winter? Der sieht für jeden Landwirt anders aus (lacht). Waldbauern brauchen ein bisschen Schnee und gefrorene Böden, Viehhalter gar keinen Schnee. Aber das ist bei den Bauern nicht anders als im Rest der Gesellschaft. Wenn wir das Wetter selber machen könnten, würden wir auch nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

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