Bauernregeln:"Im Februar Schnee und Eis, macht den Sommer heiß"

Aprilwetter

Bauernregeln hat es schon immer gegeben.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand)
  • Das Bundesumweltministerium hat in einer Kampagne umformulierte Bauernregeln verwendet. Bauernverbände fühlten sich verunglimpft.
  • Viele Bauernregeln haben einen wahren Kern. Sie stammen aus Zeiten, in denen die Beobachtung des Klimas und des Erntewachstums überlebensnotwendig waren.
  • Die moderne Meteorologie stützt die Bauernregeln - wenngleich manche Ungenauigkeit dem Reimschema geschuldet ist.

Von Hans Kratzer

Vor wenigen Tagen hat das Fest Mariä Lichtmess den Kalender geziert. In der früheren Agrargesellschaft war dieser 2. Februar einer der wichtigsten Scharniertage im Jahreslauf, eine alte Bauernregel nennt den schlichten Grund dafür: "An Lichtmess fängt der Bauersmann - neu mit des Jahres Arbeit an."

Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks war möglicherweise dieser ehrwürdigen Tradition eingedenk, als sie justament um diesen Tag herum eine Kampagne startete, mit der sie sich aus jetziger Sicht aber nicht nur Freunde machte. In leicht abgewandelter Form würde eine passende Bauernregel besagen: "Hendricks ist auf Trab und stößt den Bauern die Hörner ab."

Bei allem Ärger, den sie verursacht hat: Hendricks und das Bundesumweltministerium haben die nicht mehr überaus ernst genommenen und oft zum Juxtext degradierten Bauernregeln wieder ernsthaft ins Gespräch gebracht. Ihre Absicht war, mit einer Kampagne, die spaßig umformulierte Bauernregeln verwendet, für eine umwelt- und tierfreundlichere Landwirtschaft zu werben. Durch Anzeigensprüche wie "Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein" fühlen sich Landwirte und der deutsche Bauernverband jedoch verunglimpft, während sich Ministerin Hendricks über eine bewusste Fehldeutung dieses Plans beklagt.

Mit ihrer Kampagne gegen bäuerliche Familien "verhöhnt sie einen gesamten Berufsstand", kritisierte der Vorsitzende der Familienbetriebe Land und Forst, Michael Prinz zu Salm-Salm, die Ministerin. "Sie macht sich mit diesen Bauernregeln über 260 000 landwirtschaftliche Familienbetriebe lustig und wertet deren harte Arbeit ab." Die agrarpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Gisela Sengl, sagte dagegen, "die künstliche und völlig übertriebene Aufregung der alten Bauernlobby über die pointierte Plakataktion soll von den tatsächlichen Problemen der konventionellen Landwirtschaft in Deutschland ablenken".

Neue Bauernregeln, wie sie die Plakate des Ministeriums propagieren, hat es freilich schon immer gegeben. Es ist ein seit vielen Jahrhunderten fortschreitender Prozess, wenngleich die Sprüche in neuerer Zeit ihres ernsthaften Inhalts beraubt und gerne in Spaßsprüche umformatiert werden. Groß hervorgetan hat sich dabei die Satirezeitschrift MAD. Sie hat die blödsinnige Zuspitzung von Bauernregeln auf die Spitze getrieben und die Sprüche zu einem Objekt der Volksbelustigung degradiert. Das klingt dann so: "Bringt der Winter Eis und Schnee, friert des Bauern kleiner Zeh. Steigt das Frühjahr dann herab, liegt der Zeh schon längst im Grab!" Oder: "Die Bäuerin jauchzt, der Bauer lacht, wenn die Kuh 'nen Handstand macht!"

Viele Landwirte mögen über solchen Unsinn überhaupt nicht mehr lachen, denn sie fühlen sich der Lächerlichkeit preisgegeben. Ob so oder so, die aktuelle Auseinandersetzung ist geeignet, das alte Volksgut Bauernregeln durchaus in ein schiefes Licht zu rücken. Nach wie vor setzen viele Menschen auf den Wahrheitsgehalt der alten Volks- und Wettersprüche, die in Zeiten ohne Medien und Klimamessung den komplett vom Wetter abhängigen Menschen Orientierung und Hoffnung gaben. Dass ihnen oft ein wahrer Kern zugrunde liegt, muss schon deshalb gelten, weil in sie Erfahrungen aus Zeiten eingeflossen sind, in denen die Beobachtung des Klimas und des Erntewachstums für die Menschen überlebensnotwendig waren.

So bilden die Bauernregeln gleichsam die Essenz von über Generationen hinweg gesammelten und exakten Beobachtungen über das Wetter. Oft wurden die Wetterphänomene in Form von Reimen dokumentiert und mündlich weitergegeben. Irgendwann wurden sie in den Klöstern schriftlich fixiert und auf die Namenstage von Heiligen bezogen. An diesem Montag war zum Beispiel der Gedenktag der heiligen Dorothea, für den folgende Bauernregel gilt: "Bringt Dorothee viel Schnee, bringt der Sommer guten Klee." Sie trifft für dieses Jahr erkennbar nicht zu.

Dass viele Sprüche nicht mehr passen, liegt nicht zuletzt an der Kalenderreform von Papst Gregor XIII., in deren Folge anno 1582 der neue Gregorianische Kalender den bis dahin bestehenden Julianischen Kalender ablöste, wobei ganze zehn Tage gestrichen wurden. Seitdem trifft so manche Bauernregel ihren Kern nicht mehr taggenau, beispielsweise "St. Veit (15. Juni) hat den längsten Tag, Lucie (13. Dezember) die längste Nacht."

"Bauernregeln treffen zu 60 bis 70 Prozent zu"

Zu den vielen Wetterregeln, die aus der Zeit vor dem Gregorianischen Kalender stammen, zählen auch die der Eisheiligen. So ist es zu erklären, dass es in den Tagen vom 21. bis zum 23. Mai überdurchschnittlich oft abkühlt, während die Eisheiligen wie ehedem im Julianischen Kalender den 12. bis 15. Mai betreffen.

Die Bauernregeln bringen auch zum Ausdruck, dass die Menschen einst vor allem im Monat Juni mit riesigen Wetterängsten beladen waren. Die Schicksalsfragen lauteten: Bringen wir die Ernte durch, geht die Saat auf, erfriert das Obst an den Bäumen? In Zeiten ohne Supermärkte, Hagelversicherung und Hartz IV waren das drängende Überlebensfragen.

Um diese Zeit galt praktisch jeder Tag als ein Schicksalstag. "Hat Margarete (10. Juni) keinen Sonnenschein, kommt das Heu nie trocken rein", unkten die Bauern. Am 11. Juni galt der Spruch: "Barnabas macht Bäume und Dächer nass." Es gibt Bauernregeln, die ungeachtet der aktuellen Klimaerwärmung eine erstaunlich hohe Trefferquote erzielen.

Das Wetter am Siebenschläfertag (27. Juni) soll demnach die Wetterlage der folgenden Wochen prägen. Tatsächlich wird das Klima nach Aussagen von Meteorologen zwischen Juni und Juli vom sogenannten Jetstream beeinflusst. Davon ausgehend, trifft die folgende Regel in Bayern mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent zu: "Regnet es am Siebenschläfertag, der Regen sieben Wochen nicht weichen mag."

Auch wenn manche Bauernregeln sehr präzise Beobachtungen abbilden, ist ihre Bedeutung in der heutigen Zeit dennoch umstritten. Auch der Brauchtumsexperte Michael Ritter (Landesverein für Heimatpflege) hält die Bauernregeln für überbewertet. Er gesteht aber zu, dass sie das Ergebnis einer langen Wetterbeobachtung sind. "Die Tendenz ihrer Aussage ist oft zutreffend, ein Postulat kann man davon nicht ableiten. Dahinter stecken Erfahrungswerte, keine Gesetzmäßigkeiten."

Bauernfamile macht Brotzeit, 1936

Ein Leben mit der Natur: Bauern auf dem Feld.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

In diese Richtung argumentiert auch der Meteorologe Lothar Bock vom Deutschen Wetterdienst. "Bauernregeln treffen zu 60 bis 70 Prozent zu", sagt er. Tagesbezogene Bauernregeln hält er für eher nicht brauchbar, allgemeine Wetterregeln wie die Siebenschläferphase und das häufig auftretende Weihnachtstauwetter aber schon, da sich um diese Zeit die Luftzirkulation oft großflächig umstellt.

Bauernregeln sind nicht exakt, sie benennen Tendenzen

Bock spricht dabei lieber von einer Siebenschläferphase, schon wegen der Kalenderreform, die das einstige Zeitgefüge um zehn Tage verschoben hat. Aus meteorologischer Sicht wäre also nicht der 27. Juni, sondern der 7. Juli der Schicksalstag des Sommerklimas. Überhaupt stützen die Meteorologen ihre Prognosen ungern auf einen einzigen Tag. Allenfalls lassen sie gelten, dass sich das Wetter, das Ende Juni bis Anfang Juli herrscht, mit großer Wahrscheinlichkeit in den folgenden Wochen fortsetzen wird.

Lothar Bock relativiert auch die in der Bauernregel implizierte Dauer von sieben Wochen. Die oft schon im frühen Mittelalter formulierten Sprüche benennen demnach lediglich einen längeren Zeitraum und ziehen Zahlen bloß des Reimes wegen heran. Die Erfahrungswerte lassen aber erkennen, dass die Siebenschläferregel dann eine hohe Trefferquote aufweist, wenn der Luftdruck um diese Zeit unter dem langjährigen Mittel liegt. "Dann bleibt das schlechte Wetter konstant", sagt Bock.

Der Februar galt stets als der härteste Wintermonat. Seit Jahren aber verwandelt er sich zaghaft in eine Art Vorfrühlingszeit ohne harten Frost. Folgt man den Bauernregeln, täten Eis und Schnee mit Blick auf einen schönen Sommer aber ganz gut: "Wenn der Nordwind im Februar nicht will, so kommt er sicher im April." Dazu passt auch: "Im Februar Schnee und Eis, macht den Sommer heiß." Der Streit um die Bauernregeln des Umweltministeriums läuft indessen jetzt schon heiß.

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