Bauernhofsterben:"Die Verkörperung der bäuerlichen Landwirtschaft"

Moderner Kuhstall bei Miesbach, 2013

In den vergangenen sechs Jahren haben in Bayern fast 10 000 Milchbauern aufgegeben. Und doch haben kleine Betriebe nach wie vor eine Chance.

(Foto: Claus Schunk)

Der CSU-Agrarminister Helmut Brunner bekommt höchstes Lob für seine Politik - ausgerechnet von einem Grünen

Von Christian Sebald

Na so was. Da hat in den vergangenen sechs Jahren ein knappes Viertel der Milchbauern im Freistaat die Rinderhaltung aufgegeben und dann stimmt ausgerechnet der prominente Grünen-Agrarpolitiker Friedrich von Ostendorff das Loblied auf den bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) an. Aber so ist es. "Natürlich ist das Bauernhofsterben auch in Bayern schlimm", sagt Ostendorff, 64, Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen und seit mehr als 30 Jahren Biobauer. "Aber in allen anderen Bundesländern war und ist es schlimmer. Dass die bayerischen Milchbauern besser dastehen als ihre Kollegen anderswo in Deutschland, hat sehr viel zu tun mit der klugen Agrarpolitik von Helmut Brunner." Da werden nicht nur in der CSU einigen die Ohren klingeln.

Doch erst einmal die Zahlen: 2010 gab es laut bayerischem Agrarbericht 42 000 Milchbauern im Freistaat. Ende 2016, so hat es Ostendorff jetzt im Bundeslandwirtschaftsministerium erfragt, waren es nur noch 32 069. Das macht einen Schwund um 9931 oder 23 Prozent - in nur sechs Jahren. Die Zahl der Milchkühe in den bayerischen Ställen hingegen ist nur leicht gesunken, von 1,24 Millionen im Jahr 2010 auf 1,21 Millionen Ende 2015. Und die Milchmenge, die die bayerischen Bauern im selben Zeitraum gemolken haben, ist sogar von 7,9 Milliarden Liter auf zuletzt 8,1 Milliarden Liter im Jahr angestiegen. Noch etwas fällt auf: Laut Agrarbericht geben jedes Jahr etwa vier Prozent der Milchbauern die Rinderhaltung auf. Und zwar egal, ob der Milchpreis auf Rekordniveau ist oder tief im Keller. Sogar die komplette Liberalisierung des Milchmarktes 2015 hat - rein statistisch gesehen - nicht dazu geführt, dass plötzlich mehr Milchbauern die Kühe vom Hof geschafft haben, weil sie keine Perspektive mehr für sich gesehen haben.

"Wir Milchbauern sind zäh, von uns trennt sich keiner so schnell von seinem Vieh", sagt Hans Foldenauer vom Milchbauernverband BDM. "Aber es soll sich keiner darüber hinwegtäuschen: Wenn der Trend so weitergeht, dann ist die Zeit nicht mehr fern, dass auch in Bayern die Milchbauern praktisch ausgestorben sind und hier nur noch wenige ganz große Höfe stehen." So wie in Thüringen. Dort gibt es derzeit 623 Milchviehbetriebe, statistisch gesehen hält ein jeder von ihnen 175 Milchkühe, wobei es dort etliche Betriebe mit 500 und mehr Kühen gibt. In Bayern hingegen liegt die Durchschnittszahl bei nur 36 Milchkühen pro Hof. Auch wenn hier inzwischen die Zahl der Betriebe mit hundert und mehr Kühen kontinuierlich ansteigt. Die nach wie vor sehr vielen kleinen und mittleren Bauernhöfe in Bayern sind auch der Grund, warum Ostendorff Brunner so lobt. "Seine Agrarpolitik ist klar darauf ausgerichtet, dass bäuerliche Familienbetriebe eine gute Chance am Markt haben", sagt der Grünen-Politiker. "Man muss nur in die Region Berchtesgaden sehen, wo es noch viele Bergbauern mit gerade mal zwölf Kühen im Stall gibt." Bunner, so sagt es Ostendorff, "ist für mich geradezu die Verkörperung der bäuerlichen Landwirtschaft".

Tatsächlich hat der Niederbayer, der mit seiner Frau im Bayerischen Wald einen Hof führt, in den bald neun Jahren, in denen er bayerischer Agrarminister ist, sehr viel getan für die kleinen und mittelgroßen Bauernhöfe im Freistaat: durch Erleichterungen bei Zuschüssen beispielsweise, aber auch durch allerlei Initiativen für die Regionalvermarktung, die Biolandwirtschaft und Nebenerwerbslandwirte und anderes mehr. "Wir können zwar nicht verhindern, dass auch bei uns die Zahl der größeren Betriebe ansteigt", lautet sein Credo. "Dennoch ist der Grundsatz "Wachsen oder Weichen" falsch. Er hat für die bayerische Landwirtschaft nie gegolten und ist auch heute als Strategie ungeeignet." Mehr will Brunner aber nicht zu Ostendorffs Lob sagen.

Dafür hat der Grünen-Politiker noch ein deftiges Wort parat. "So einen CSU-Agrarpolitiker wie Brunner könnten wir dringend auf Bundesebene gebrauchen", sagt er. "Was die Förderung der bäuerlichen Familienbetriebe anbelangt, ist sein Parteifreund und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt nämlich der totale Ausfall."

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