Barrierefreiheit in Bayern:Den Mund zu voll genommen

Münchner Kinder engagieren sich für Barrierefreiheit, 2013

Barrierefreiheit ist auch in München nur an wenigen Stellen wirklich umgesetzt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Ministerpräsident Seehofer hat Barrierefreiheit bis 2023 versprochen, Sozialministerin Müller hat dafür 1,3 Milliarden Euro eingerechnet. Doch Finanzminister Söder hat die Langfristplanung kräftig gestutzt - und Seehofer ließ ihn gewähren.

Ein Kommentar von Dietrich Mittler

Von Horst Seehofer stammt der Slogan, Bayern sei die Vorstufe zum Paradies. In diesem Transfergebiet zum Garten Eden, so beschied der Ministerpräsident wenig später, sollten auch die Menschen mit Behinderung Anteil an der Glückseligkeit haben. Für diejenigen, denen das Leben ohnehin viel abverlangt, machte er ein großes Versprechen: "Bayern wird in zehn Jahren komplett barrierefrei" - im gesamten öffentlichen Raum. "Dazu werden wir ein Sonderinvestitionsprogramm Bayern Barrierefrei 2023 auflegen", sagte er.

Ein Jahr ist das nun her. Es ist armselig, was seitdem passiert ist. Sozialministerin Emilia Müller machte sich mit Elan an die Umsetzung, bezifferte die dafür nötige Investitionssumme zunächst auf schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro, korrigierte die Zahl kurz darauf auf 1,3 Milliarden Euro und erarbeitete mit anderen Ministerien eine Vorlage, in der sie Seehofers Versprechen fleißig zitierte. Man kann zu Recht sagen: Sie kämpfte für ein gut ausgestattetes Investitionsprogramm. Und um es kurz zu machen: Sie hat verloren!

Söder streicht so gut wie alles

Gewonnen hat Finanzminister Markus Söder. Entgegen dem Seehofer-Versprechen, Bayern in zehn Jahren barrierefrei zu machen, regte Söder an, unter anderem die Bereiche "Kommunen und kommunale Infrastruktur", "ÖPNV und Schienenverkehr", "barrierefreie Bahnhöfe", "Gesundheits- und Pflegebereich", "besondere Belange älterer Menschen und generationsübergreifende Einrichtungen" zu streichen - also so gut wie alles. Seehofer hat ihn bei der Demontage nicht gebremst.

Aber zurück zu Emilia Müller: Am Donnerstag mussten ihre Mitarbeiter im Landtag einräumen, dass die Staatsregierung im kommenden Doppelhaushalt nur 20 Millionen Euro als zusätzliche Mittel für den Abbau von Barrieren vorsieht. Emilia Müller will selbst das als Erfolg verkaufen - als weiblicher Bajazzo der CSU. Menschen mit Behinderung sollten wissen, wo die größten Barrieren auf sie lauern: in leeren Versprechen.

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