Haus der Bayerischen Geschichte:Das Weltentheater des Barocks

Haus der Bayerischen Geschichte: Ein Sinnbild des Barocks. Das liegende Skelett stammt vom Sebastiansfriedhof in Salzburg und stand viele Jahrzehnte in der dortigen Beinhauskapelle. Bis 1685 diente die Skulptur als Tumbadeckel einer Gruft. Das manieristische Skelett besticht dabei durch seine überrealistische Auffassung des Todes.

Ein Sinnbild des Barocks. Das liegende Skelett stammt vom Sebastiansfriedhof in Salzburg und stand viele Jahrzehnte in der dortigen Beinhauskapelle. Bis 1685 diente die Skulptur als Tumbadeckel einer Gruft. Das manieristische Skelett besticht dabei durch seine überrealistische Auffassung des Todes.

(Foto: Haus der Bayerischen Geschichte)

Die Bayerisch-Tschechische Landesausstellung "Barock! Bayern und Böhmen" widmet sich den Umbrüchen im 17. Jahrhundert und präsentiert in Regensburg Spitzenobjekte.

Von Hans Kratzer, Regensburg

Dem prallen Leben begegnet man in Regensburg fast überall, und so geschah es auch am Donnerstagfrüh auf dem Weg vom Bahnhof zum Haus der Bayerischen Geschichte, wo demnächst eine Landesausstellung zu sehen sein wird, die das irdische Dasein in wirklich all seinen Licht- und Schattenseiten beleuchtet. Auch die Kommunionkinder von Münchsmünster verließen am Morgen den Zug, durften sie doch einen Ausflug in die Stadt machen, der - wie auch die Landesausstellung - manche Erwartung weckte. Ein Bub fragte also eine erwachsene Begleiterin: "Geh ma jetz zum Kuchlbauer eini?" Womit er offensichtlich ein Wirtshaus im Sinn hatte, aber er wurde sogleich eingebremst: "Nein, nein", teilte ihm die Betreuerin mit, "wir gehma jetzt zum Dom."

So stillt also diese Stadt regelmäßig Hoffnungen und Erwartungen, und ganz besonders gilt das für die neue Landesausstellung, die am kommenden Dienstag im Haus der Bayerischen Geschichte eröffnet wird. Sie ist schon deshalb eine Besonderheit, weil sie den Fokus auf Bayern und Böhmen, also auf ein Kerngebiet Europas richten wird. Zwar haben sich schon frühere Landesausstellungen dem Verhältnis dieser beiden Länder gewidmet, aber diesmal wurde die Schau zum ersten Mal gemeinsam konzipiert. Das Ergebnis ist umso spannender, als die wechselvolle Geschichte von Bayern und Tschechen zum Teil sehr unterschiedlich bewertet wird. Dass Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, bei einem Rundgang am Donnerstag sagte, es sei trotz aller Preziosen keine Jubelschau, muss also nicht verwundern.

Trotzdem: "Es ist eine Wahnsinnsehre für uns, diese Ausstellung zeigen zu dürfen", fuhr Loibl fort. Das Haus der Bayerischen Geschichte ist im Vergleich zum Mitveranstalter Nationalmuseum Prag ein sehr junges Haus, das ungefähr 500 000 Sammlungsobjekte besitzt, während das Haus in Prag über mehr als 20 Millionen Objekte verfügt. Und es hat seine Schatztruhen weit geöffnet und feinste Stücke zur Verfügung gestellt. "Eine solche Anhäufung von absoluten Spitzenobjekten wird in Bayern so schnell nicht mehr zu sehen sein", sagte Loibl. Es sei aus dem weiten Feld der Kunst alles vertreten, was im Barock Rang und Namen hatte, von Dientzenhofer bis Tiepolo. Mehr als 150 Originale aus beiden Ländern stehen für die Vielfalt und den Reichtum einer Epoche voller Abgründe und Illusionen.

Haus der Bayerischen Geschichte: Das luxuriöse Zaumzeug Maximilians von Bayern.

Das luxuriöse Zaumzeug Maximilians von Bayern.

(Foto: Katharina Mendl/Bayerische Schlösserverwaltung)
Haus der Bayerischen Geschichte: Die Erhebung von Maximilian I. zum Kurfürsten in einer Lithographie von C. Waagen, um 1829.

Die Erhebung von Maximilian I. zum Kurfürsten in einer Lithographie von C. Waagen, um 1829.

(Foto: Sammlung Jean Louis/Haus der Bayerischen Geschichte)

Gleich am Eingang empfängt die Besucher ein strahlendes Lieblingsobjekt der Kuratoren, nämlich ein prunkvolles Pferdegeschirr, das kostbar verziert ist. Es ist ein Stück von Prager Provenienz, das 1627 in der privaten Kammergalerie des bayerischen Kurfürsten Maximilians I. erstmals gelistet ist. Jener Wittelsbacher Maximilian zählt zu den Hauptpersonen der Ausstellung, er gehörte zu den wichtigsten Akteuren der damaligen Zeit. Die Tatsache, dass ihm auf dem Regensburger Fürstentag im Januar 1623 von Kaiser Ferdinand II. die Kurwürde übertragen wurde, hat in Bayern naturgemäß eine hohe Bedeutung. Es war ein Ergebnis der Anfangswirren des Dreißigjährigen Kriegs, der 1620 in der Schlacht am Weißen Berg seinen ersten grausigen Höhepunkt fand. Maximilian I. besiegte dort das böhmische Heer und eroberte die Abtrünnigen für den Habsburger Kaiser zurück.

Der Preis für die Kurwürde war für die bayerischen Untertanen allerdings gesalzen. Nicht nur weil Maximilian als einer der Anführer der katholischen Liga mit eisernem Besen regierte. Mit seiner auf rigorose Effizienz getrimmten Politik brachte er den zerrütteten Staatshaushalt wieder ins Lot, machte aus Bayern den vielleicht modernsten Staat der damaligen christlichen Welt, schikanierte aber die Bevölkerung mit seinem katholischen Fanatismus und mit seiner Intoleranz bis aufs Blut. Loibl hält deshalb nicht viel von dem gängigen Urteil über diese religiöse und asketische Figur, er nennt Maximilian stattdessen einen Machiavellisten.

Allein schon das Porträt Wallensteins weckt Ängste

Die Folgen dieser Machtpolitik sind bis heute auch in Böhmen evident, dort hat die Niederlage ein Trauma hinterlassen. Die Schmach, dass das stolze Böhmen seine Selbständigkeit verlor, ist dort bis heute nicht vergessen. Beim Gang durch die Ausstellung wird einem überdies unentwegt bewusst, dass das damalige Weltentheater mit seinen Kriegen, Nöten und Epidemien, mit der grenzenlosen Gewalt und Absurdität die Idiotien der Moderne sogar noch übertrifft. Allein schon das Porträt Wallensteins weckt Ängste, erfand er doch als Kriegsunternehmer im Dreißigjährigen Krieg das System der Söldnerheere, die sich plündernd aus dem Land ernährten.

Freilich fängt die Schau beileibe nicht nur die düsteren Seiten jener Zeit ein. Der Oberbegriff Barock, der die Epoche benennt, umfasst ja auch eine populäre Stilrichtung in der Kunst. Es ist ein Phänomen, dass in Zeiten des Elends gerade die Kunst oft einen Aufschwung nimmt. Jedenfalls erfasste die beiden Länder ein noch nicht dagewesener Bauboom, aus dem ein europaweit einzigartiger gemeinsamer Kulturraum entstand. "Es war quasi eine Art Marshallplan des Barocks", wie es Loibl formulierte.

Das gemeinsame Projekt führt nicht zuletzt dazu, dass das Haus der Bayerischen Geschichte diesmal nicht, wie es guter Brauch ist, bis zur letzten Minute an den letzten Schrauben der Ausstellung drehen kann, da am kommenden Dienstag kurz vor der Eröffnung der Ausstellung im Museum eine bayerisch-tschechische Ministerratssitzung stattfinden wird. Dafür bietet das Haus der Bayerischen Geschichte seinen Gästen vom 10. bis zum 14. Mai freien Eintritt in die Landes- wie auch in die Dauerausstellung an.

Die Bayerisch-Tschechische Landesausstellung "Barock! Bayern und Böhmen" ist vom 10. Mai bis zum 3. Oktober im Donausaal des Hauses der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu sehen. Vom 8. Dezember bis zum 8. Mai 2024 wird sie dann im Nationalmuseum in Prag präsentiert.

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