Bamberg:Eine Zweck-WG fürs Wassernetz

Stadtwerke Bamberg

Die frühere Kantine ist jetzt so etwas wie die WG-Küche.

(Foto: Stadtwerke Bamberg)

In Bamberg leben Mitarbeiter der Stadtwerke abgeschieden in der Leitwarte. So wird die Versorgung sichergestellt - und in der Kantine zusammen gekocht.

Von Julian Erbersdobler

Den 23. März, ein Montag, wird Norbert Eichfelder nicht so schnell vergessen. Da hat er sich mit einem Koffer auf den Weg gemacht, im Gepäck: T-Shirts, Trainingsanzug, Socken, Unterhosen. "Alles, was man halt so braucht." Eichfelder, 52, ist glücklich verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum er ausziehen sollte. Aber jetzt wird er gebraucht.

Norbert Eichfelder arbeitet bei den Stadtwerken in Bamberg, kritische Infrastruktur, wie man so schön sagt. So kritisch, dass sich sein Arbeitgeber dazu entschieden hat, in diesen Wochen jeweils vier Mitarbeiter für acht Tage auf das Gelände der Leitwarte zu schicken. Eine Zweck-WG auf Zeit. Eichfelder ist im ersten Team, gemeinsam mit drei anderen Kollegen stellt er den reibungslosen Betrieb der Energie- und Wassernetze in Bamberg, Hallstadt und Stegaurach sicher. Sie kontrollieren die Füllstände der Trinkwasserbehälter, den Gasverbrauch oder das Glasfasernetz. Auch um bei möglichen Stromausfällen schnell zu reagieren, ist die Leitwarte rund um die Uhr besetzt.

Aus Besprechungsräumen wurden provisorische Schlafzimmer mit Feldbetten, aus Kollegen Mitbewohner. Damit er nicht ganz so hart liegt, hat sich Norbert Eichfelder eine Luftmatratze mitgebracht. Bei ihm daheim steht ein Wasserbett, aber man könne ja nicht alles haben. Die frühere Kantine ist jetzt so etwas wie die WG-Küche. Dort wird zusammen gekocht. Wenn frische Zutaten wie Obst, Gemüse oder Joghurt fehlen, können Eichfelder und seine Kollegen Bestellungen abgeben. Pizzen und Lasagnen sind schon vorbereitet, müssen nur noch aufgewärmt werden. Normalerweise werden dort bis zu 200 Mahlzeiten frisch zubereitet, aber was ist gerade schon normal.

Am Sonntag haben sie zusammen "Tatort" geschaut, erzählt er am Telefon. Manchmal gibt es nach Feierabend auch ein Bierchen. Trotz Gesellschaft gebe es zwischendrin immer wieder Phasen, in denen auch Eichfelder sich langweile. "Vor ein paar Tagen habe ich vor lauter Freizeit zwei Stunden lang mein Auto gesaugt. Irgendwie muss man die freie Zeit ja rumkriegen." Im Hof können die Mitarbeiter auch Basketball oder Federball spielen.

Wie ist es, mit seinen Kollegen plötzlich unter einem Dach zu wohnen? "Das schweißt auf jeden Fall zusammen." Dadurch lerne man sich noch mal auf eine andere Weise kennen. Gearbeitet wird im Vier-Schicht-Betrieb: Einer ist immer für sechs Stunden in der Leitwarte, danach folgen 18 Stunden Pause für Freizeit und Schlaf. Das Ganze maximal acht Tage am Stück, anschließend gibt es vier Tage Urlaub. Um einen Lagerkoller zu vermeiden, werden die Teams dann durchgewechselt. Vor jedem Einzug: ein Corona-Test, damit niemand dabei ist, der die anderen infizieren könnte.

Auch in anderen Städten leben schon Mitarbeiter von Energieversorgern zusammen, zum Beispiel in Wien oder in Essen. Helden unter dem Radar. Bei den Wiener Stadtwerken ist es sogar so, dass gleich 53 Mitarbeiter auf die Kraftwerksgelände gezogen sind. In einem Videoclip sieht man zwei junge Männer vor Dutzenden Bildschirmen, einer sagt direkt in die Kamera: "Wir begeben uns für euch in Quarantäne." Danach gibt es eine kleine Führung, vorbei an unbezogenen Betten, die teilweise nur wenige Zentimeter voneinander trennen. Auch der Aufenthaltsraum ist zu sehen, Couch, Tischtennisplatte, Fitnessgeräte, Gewichte, ein paar Pflanzen.

Norbert Eichfelder, der Bamberger, durfte am Dienstag zurück zu seiner Frau, nächsten Mittwoch muss er wahrscheinlich wieder seinen Koffer packen. Dann geht alles von vorne los.

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