Bamberg:Welterbe bringt Ruhm, aber auch Probleme

Bamberg bei Nacht

Die Fassade des Alten Rathauses ist nur eine von zahllosen Sehenswürdigkeiten, die Bamberg für Besucher so attraktiv machen.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Bamberg ist seit 25 Jahren Welterbe-Stadt. Viele Bürger setzen sich für den Status ein, doch manch einer fühlt sich von Touristen überrannt.

Von Claudia Henzler, Bamberg

Die Inkastadt Machu Picchu, die Galapagos-Inseln und die Altstadt von Bamberg gehören einer exklusiven Gruppe an. Sie alle wurden zum wichtigsten Erbe der Menschheit ernannt. Das "fränkische Rom" mit seinem frühmittelalterlichen Grundriss und mehr als tausend denkmalgeschützten Gebäuden aus Mittelalter und Barock trägt den Titel Welterbe seit 25 Jahren. Welche Auswirkungen das auf die Stadt und ihre Bewohner hat - und warum die Auszeichnung nicht für alle ein Anlass zum Feiern ist: ein Überblick.

Wie stark profitiert der Tourismus?

Seit 1999 wirbt die Stadt mit "Faszination Weltkulturerbe" um Besucher. Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Etwa 330 Millionen Euro Bruttoumsatz pro Jahr bringt der Tourismus der Bamberger Wirtschaft laut einer Studie. Mehr als 80 Prozent der Übernachtungsgäste sind Deutsche. Die meisten wählen Bamberg zwischen Ostern und Ende Oktober als Ziel für eine Wochenendreise aus.

Wurden 1993 noch 250 000 Übernachtungen erfasst, rechnet Bambergs Tourismuschef Andreas Christel damit, dass dieses Jahr erstmals die 800 000er-Marke erreichen wird. Hinzu kommen etwa acht Millionen Tagesgäste. Nach Meinung von Franca Heinsch, die das Bamberger Büro des Stadtführungsanbieters "Geschichte für alle" leitet, hat der Ansturm mit der Landesgartenschau 2012 zusätzlichen Schub bekommen. "Seitdem ist ein ganz starker Anstieg da, sowohl was den Tourismus angeht, als auch das Interesse am Weltkulturerbe."

Sind Flusskreuzer ein Problem?

In Bamberg versammeln sich die Sehenswürdigkeiten auf überschaubarem Raum. Die Altstadt mit den drei historischen Stadtbezirken Berg-, Insel- und Gärtnerstadt ist 1,4 Quadratkilometer groß. Wenn mehrere Flusskreuzer mit jeweils 180 Passagieren im Hafen anlegen und diese mit Bussen in die Innenstadt gekarrt werden, kann bei Einheimischen das Gefühl aufkommen, dass ihre Stadt überrannt wird, zumal die Touristen gerne im Weg rumstehen, wenn sie an einer Führung teilnehmen. Manch eine Gästeführerin sei schon von Einheimischen angemotzt worden, erzählt Heinsch.

Vor drei Jahren haben die Stadt und die privaten Anbieter von Rundgängen deshalb vereinbart, dass sich ein Stadtführer um maximal 25 Leute kümmert. Und die sollen ihre Gruppe möglichst kompakt zusammenzuhalten, sagt Franca Heinsch. Zusätzlich werden die Reisegruppen, wenn sie aus dem Bus steigen, aufgeteilt und auf unterschiedlichen Routen in die Altstadt geführt, erklärt Tourismuschef Christel. Er betont auch, dass die Kreuzfahrttouristen "von der Quantität her nicht der Rede wert sind". 2015 sei ein vorläufiger Höhepunkt erreicht worden, als in Bamberg 874 Passagierschiffe mit einer Kapazität von 146 000 Gästen anlegten. 2017 waren es laut Christel nur noch 804 Flusskreuzer mit 130 000 Passagieren. Für 2018 liegt noch keine Zahl vor; allein wegen des Niedrigwassers sei aber mit einem weiteren Rückgang zu rechnen.

Werden es zu viele Besucher?

Nach Ansicht des Leiters der Tourismusverwaltung kann man in Bamberg nicht von Übertourismus sprechen. Er sieht es als seine Aufgabe, dass das auch so bleibt. "Tourismus ist nur nachhaltig möglich, wenn sich Bewohner und Besucher wohlfühlen", sagt Andreas Christel. Deshalb müsse die Stadt immer wieder mit den Bewohnern stark frequentierter Gegenden sprechen und um Verständnis werben. Auch die Einheimischen profitierten schließlich von den Gastronomie- und Freizeitangeboten, die es in anderen Städten vergleichbarer Größe nicht gibt.

Gleichzeitig versuche das Tourismusteam der Stadt, die Situation etwas zu entzerren, indem sie "den Aktionsradius der Gäste ausweitet" und auf Sehenswürdigkeiten im Umland aufmerksam macht. Zum anderen fördere man Initiativen, die Besucher außerhalb der Saison anlocken. Etwa zum Literaturfestival im Februar oder zu den ersten, privat organisierten "Bamberger Bierkulturwochen" im kommenden Jahr.

Wird Bamberg zum Freiluftmuseum?

Beim 20. Jubiläum vor fünf Jahren hat sich Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) angesichts schrumpfender Einwohnerzahlen in Oberfranken noch Sorgen um die Entwicklung seiner Stadt gemacht. Gut 71 000 Einwohner zählte Bamberg damals, heute sind es 77 800, obwohl die geplanten Neubaugebiete im Osten noch nicht geschaffen wurden. Das hat die bekannten Folgen: Wohnungen werden knapp und teurer.

Inwiefern der Welterbetitel zur Anziehungskraft der Universitätsstadt beiträgt, ist schwer zu sagen. Offensichtlich schreckt er zumindest nicht ab. Die Altstadt selbst gilt nach wie vor als lebendig. Dort gibt es heute mehr schicke Cafés als vor 25 Jahren, aber bisher entwickelt sie sich nicht zur Kulissenstadt. Dazu trägt auch die Gärtnerstadt bei: In diesem Altstadtviertel werden noch wie im Mittelalter Hausgärten bewirtschaftet. Bundesweit sind solche Anbauflächen mitten in der Stadt einmalig.

Wegen des Unesco-Titels gibt es keinen Ausbau der ICE-Schnellstrecke

Sind moderne Bauwerke möglich?

Patricia Alberth leitet das städtische Zentrum Welterbe Bamberg seit 2013, das sich um so ziemlich alle Themen kümmert, die mit dem Unesco-Titel zusammenhängen. Sie ist stolz darauf, dass Bamberg in 25 Jahren noch nie wegen kritischer Bauprojekte auf der Agenda des Welterbekomitees stand - anders als etwa Regensburg, wo man recht ernsthaft über zusätzliche Donaubrücken nachdachte, oder gar Dresden.

Diskussionen gab es in Bamberg zwar schon häufiger, sagt Patricia Alberth, "aber die konnten Gott sei Dank immer vor Ort gelöst werden". Besonders lange gerungen wurde um das "Quartier an den Stadtmauern", ein 5000 Quadratmeter großes Areal in der Altstadt, auf dem Investoren gerne ein Einkaufszentrum eröffnet hätten. Erst nach mehreren Anläufen wurde eine kleinteilige Lösung gefunden, die zwar Hotels, Läden, Büros und Wohnungen schafft und auf historisierende Architektur verzichtet, aber auch Reste der Stadtmauern integriert und Einzeldenkmäler erhält. Darunter ein jüdisches Tauchbecken aus dem 15. Jahrhundert, das sich unter den Fundamenten eines Gebäudes befindet.

Intensiv wurde auch über einen Neubau diskutiert, der mitten in der Regnitz und in direkter Nachbarschaft zum Alten Rathaus entsteht, an der Stelle der ehemaligen Sterzersmühle. Neben Gastronomie und einem Wasserkraftwerk wird dort im April das Besucherzentrum Welterbe einziehen. Wegen des Unesco-Titels wurde Bamberg außerdem bisher beim Ausbau der ICE-Schnellstrecke ausgespart. Man will unschöne Lärmschutzwände verhindern, was teuer werden dürfte, und ringt mit der Bahn um eine Lösung.

Was halten die Bürger davon?

Das Besondere am Bamberger Welterbestatus ist aus Sicht von Patricia Alberth, dass er von den Bambergern mit großem Einsatz mitgetragen wird. Das sieht auch Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke so. "Es sind vor allem die Bürgerinnen und Bürger, die sich für den Erhalt von Denkmälern und des Stadtbildes einsetzen", lobte er diese Woche bei einem großen Festakt zum Abschuss des Jubiläumsjahres. Tatsächlich war der Wunsch, historische Mauern zu erhalten, bei manchem Bamberger sogar noch ausgeprägter als beim Stadtrat, der immerhin 1981 beschlossen hatte, die Altstadt als Denkmal auszuweisen.

Starke erinnerte beim Festakt an vier Dutzend junge Frauen und Männer, die im Februar 1982 ein ehemaliges Elektrizitätswerk besetzten, um dessen Abriss zu verhindern und damit die neubarocke Fassade von Hans Jakob Erlwein zu erhalten. "Leider wurden diese Akteure und Denkmalschützer damals kriminalisiert und nicht gelobt", bedauerte Starke. Er wolle ihnen nun nachträglich Dank und öffentliche Anerkennung aussprechen. Sehr engagiert sind außerdem Bürgervereine und die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg.

Was lässt sich die Stadt das kosten?

Seit 1954 unterstützt die Stadt Besitzer erhaltenswerter Häuser finanziell, wenn sie in ihre Immobilie investieren. Inzwischen wird diese als "Bamberger Modell" bekannte Förderung von der Stiftung Weltkulturerbe gezahlt, die 2003 gegründet und von der Stadt mit einem Grundstockvermögen von acht Millionen Euro ausgestattet wurde. Seitdem hat sie etwa zwei Millionen Euro Investitionszuschüsse ausgezahlt, für etwa 600 Sanierungen an Einzeldenkmälern und Ensemble-Gebäuden. Und weil das Welterbe trotz allem kein Selbstläufer ist und es Bauwilligen und Einheimischen immer wieder vermittelt werden muss, hat die Stadt in der Verwaltung die Kompetenzstelle Zentrum Welterbe geschaffen, was sich im städtischen Haushalt mit etwa 300 000 Euro pro Jahr niederschlägt. Im April kommen weitere 163 000 Euro jährlich für das neue Besucherzentrum hinzu.

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