Süddeutsche Zeitung

Kommunalpolitik:Bambergs schrullige Allianzen

Lesezeit: 3 min

Linksliberale schließen sich mit einer Politgruppe zusammen, die kein Problem damit hat, mit der AfD auf Reisen zu gehen. Das gibt's in der oberfränkischen Domstadt. Stellt sich die Frage: Geht's da um Sachpolitik - oder nur ums Geld?

Von Olaf Przybilla, Bamberg

So recht weiß der Bamberger Stadtrat Jürgen Weichlein nicht, was jetzt alle von ihm wollen. Die Stadtratsgruppe "Bambergs Mitte" (BM) habe sich eben auch mal den Landtag anschauen wollen. Andere täten sich da leicht, die CSU etwa - die ließe sich halt vom lokalen Mandatsträger einladen. Seine Leute aber? Die BM ("Kompetenz statt Partei") gibt's im Maximilianeum logischerweise nicht. Und da habe man sich eben einladen lassen vom örtlichen AfD-Stadtrat, der auch im Landtag sitzt. 100 Mitglieder hat die BM, fast ein Viertel ist mitgefahren nach München. Irgend etwas "Rechtes" sei auf diesem Trip aber nicht erwähnt worden, "da ging's nur um den Landtag".

Wird man ja wohl noch machen dürfen, sagen jetzt die einen. Andere finden, dass es schon nicht ganz unwesentlich ist, mit wem man sich so einlässt, gerade wenn man sich selbst in der politischen "Mitte" wähnt. Noch mehr aber wundert sich nun mancher über die Partei "Volt", deren dezidiert gesamteuropäisch-linksliberale Ausrichtung einen regelrecht anspringt, wenn man sich deren Publikationen anschaut. In Bamberg aber hat Volt bis vor Kurzem (zusammen mit der im klassischen Links-Rechts-Schema tatsächlich eher indifferenten ÖDP) eine gemeinsame Fraktion gebildet - was Volt-Stadtrat Hans-Günter Brünker gänzlich unproblematisch findet. Auf "kommunaler Ebene", sagt er, seien solche eher am Zweck ausgerichteten Bündnisse das Normalste von der Welt. Und im Bund gebe es doch auch "Koalitionen" von Parteien, die sonst wenig am Hut miteinander hätten. Mag sein. Eine gemeinsame Fraktion aber?

Der Stadtrat hat offiziell die Waffen gestreckt

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat sich die Bamberger Situation auf eine Klage hin kürzlich angeschaut und, vornehm gesprochen, erhebliche Bedenken geäußert, ob derlei fraktionelles Come-together über Parteigräben hinweg - für die sich in Bamberg der Begriff "Fake-Fraktionen" eingebürgert hat - angemessen ist. Immerhin steht die Frage im Raum, ob sich da politische Antipoden nur deshalb zusammentun, um ordentlich Fraktionsgeld abzusahnen. Anlass für die Überprüfung war eine Klage der AfD, die sich bei der Vergabe der Senatssitze ausgeschlossen sah. Erst wollten sich die Räte gegen diesen Richterspruch wehren, zogen eine Berufung dann aber kleinlaut zurück - wegen offensichtlicher Chancenlosigkeit.

Jetzt hat der Stadtrat in der Hauptsache offiziell die Waffen gestreckt. Bambergs Senate werden von zwölf auf 16 Mitglieder vergrößert und dabei werden alle so bedient, wie es sich dem Wahlergebnis gemäß von vornherein gehört hätte. Zu einer Entscheidung darüber aber, ob grellbunt schillernde "Fraktionen" weiter Bestand haben dürfen im politisch zersplitterten Bamberg, konnten sich die Räte vorerst nicht durchringen. Immerhin: Die besonders schrullige Allianz aus Volt, ÖDP und BM hat sich zwischenzeitlich selbst zur "Ausschussgemeinschaft" herabgestuft.

Was finanziell einen erheblichen Unterschied macht. Fraktionssitzungen bei Abstimmungsbedarf müssen entschädigt werden - wo aber keine Fraktion, da auch kein Bedarf, also auch keine zusätzliche Entschädigung. Ein Stadtsprecher betont, die Verwaltung habe schon kurz nach der Kommunalwahl 2020 auf problematische Fraktionsbildungen hingewiesen. Dass gehörige Rückzahlungen anstehen könnten - eine sechsstellige Summe macht die Runde in Bamberg -, kann niemand ausschließen.

Die Reaktion von Volt und Bambergs Mitte auf diese Gefahr fällt in etwa so unterschiedlich aus wie deren politisches Gepräge - auch wenn Jürgen Weichlein betont wissen will, die BM-Leute gehörten "unterschiedlichsten politischen Richtungen" an. Rückzahlungen? Komme es so weit, "dann zahlen wir eben zurück", sagt der Unternehmer, man brauche dieses Geld nicht. Und er fügt noch hinzu: "Es gibt andere, die brauchen das."

Hans-Günter Brünker, ausgebildeter Schauspieler und ehemaliger Volt-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl, glaubt nicht, dass Rückzahlungen notwendig werden. Er plädiert für eine "Änderung der Gesetzgebung", diese hinke den Verhältnissen in den Kommunalparlamenten weit hinterher. Bei den Fraktionen gehe es "nicht ums Geld", sondern "sachpolitische Zusammenarbeit", diese habe mit Bambergs Mitte gut geklappt. Ob er vom BM/AfD-Trip in den Landtag - für den der Bamberger Kabarettist Florian Herrnleben den Begriff "Kaffeefahrt" eingeführt hat - vorab gewusst habe? Nein, sagt Brünker. Hätte er aber davon gewusst, so hätte er geraten: "Lasst es!"

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5661141
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.