Untreue ist mit der schwerste Vorwurf, den man einem Politiker machen kann. Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Hof werfen dies nun dem Oberbürgermeister von Bamberg, Andreas Starke, vor. Wegen Untreue hat die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen den Sozialdemokraten beantragt, das Amtsgericht hat diesen bereits erlassen. 24 000 Euro soll Starke zahlen, das entspricht 80 Tagessätzen.
Ob Starke, 65, den Strafbefehl akzeptiert, will er noch entscheiden. Er werde dies davon abhängig machen, "was dem Wohl der Stadt dient", heißt es in einer Erklärung. Dabei richte er seinen Blick auf die "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus", die durch das Verfahren "verunsichert waren". Der Hinweis auf das Stadtwohl darf als Hinweis gelten, dass Starke in Betracht zieht, keinen Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen.
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Vor exakt einem Jahr nämlich hatte Starke bereits einen anderen Strafbefehl akzeptiert. Die Staatsanwaltschaft Coburg hatte gegen ihn eine Geldstrafe wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen beantragt. Vor der Kommunalwahl hatte die SPD Briefe an Bürger mit Migrationshintergrund verschickt. Dazu waren Daten aus dem Melderegister samt Staatsangehörigkeit weitergegeben worden. Starke hatte sich zunächst dagegen gewehrt, dass dies strafbar sein soll. Am Ende hatte er den Strafbefehl doch akzeptiert. Seine Begründung: Ein öffentlicher Prozess, womöglich über mehrere Instanzen, würde der Stadt schaden. Was in diesem Verfahren galt, müsste nun wohl erst recht gelten, sagen viele in Bamberg.
Zumal die Untreue-Vorwürfe die Stadt seit mehr als anderthalb Jahren in Atem halten - und nun nicht nur gegen den OB Strafbefehle erlassen wurden. Auch gegen drei weitere Rathaus-Mitarbeiter verhängte die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Hofer Staatsanwaltschaft Geldstrafen. Nach SZ-Informationen handelt es sich um den Finanz- und den Ordnungsreferenten Bambergs sowie den ehemaligen Personalamtsleiter. Laut Staatsanwaltschaft sollen sie einem Beamten und sechs Angestellten pauschale Vergütungen gewährt haben, "ohne dass die Voraussetzungen dafür vorlagen". Hierdurch sei der Stadt Bamberg ein Schaden in Höhe von rund 275 000 Euro entstanden.
Die sogenannte Bamberger Boni-Affäre hat damit einen vorläufigen Höhepunkt erreicht, entsprechend sind die Reaktionen. Die Bamberger Grünen, dem OB über viele Jahre grundsätzlich gewogen, waren am Donnerstag mit die Ersten, die sich zu einer Erklärung durchringen konnten. Man sei "erschüttert" über die Strafbefehle. Dass davon gleich mehrere Personen betroffen sind, sei ein "Indiz für große organisatorische Mängel" im Rathaus in der Zeit vor 2020. Der Schaden für das Ansehen der Stadt sei "schon jetzt immens". Sobald Rechtskraft bestehe, wolle man in einem "Sonderplenum" über mögliche weitere Konsequenzen beraten.
Die "überobligatorischen Leistungen" sind wohl erbracht worden
Für die SPD dagegen besteht zumindest kein Anlass für Rücktrittsgedanken Starkes. Heinz Kuntke, SPD-Chef im Stadtrat, unterstreicht vielmehr entlastende Punkte. Natürlich sei ein Strafbefehl "unangenehm", dergleichen komme "nicht alle Tage vor", sagt er. Andererseits werde in der Erklärung der Staatsanwaltschaft betont, dass in anderen Fällen, in denen ebenfalls wegen pauschaler Abgeltung von Mehrarbeit oder Überstunden ermittelt wurde, ein strafrechtlich relevantes Verhalten nicht festgestellt worden sei. Tatsächlich erwähnt die Staatsanwaltschaft, dass die überwiegende Anzahl der kommunalen Bediensteten in besagten Fällen "überobligatorische Leistungen" erbracht hätten. Es seien also "über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus" Stunden geleistet worden, die die Stadt "jedenfalls in strafrechtlich nicht zu beanstandender Weise" mittels Pauschalen vergütet habe.
Seit Dezember 2020 hatte ein Bericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands die Runde gemacht in Bamberg. Vor allem Überstundenpauschalen ohne Dokumentation zusätzlicher Arbeitsleistung hatten die Prüfer darin angekreidet. Dagegen hatte sich die Stadt verwahrt. Es habe ausnahmslos ein Zusammenhang zwischen überdurchschnittlicher Mehrleistung und angemessener Vergütung bestanden. Die von den Prüfern genannte Summe "tarifwidriger" Zahlungen in Höhe von mehr als 450 000 Euro hält die Staatanwaltschaft nun nicht für strafbar. Aber immerhin rund 275 000 Euro.
Auch die Regierung von Oberfranken hatte Anstoß an der Boni-Praxis genommen. Im Juni 2021 hatte die Rechtsaufsicht erklärt, die Stadt habe gegen die Regelungen des Tarifvertrags respektive der bayerischen Arbeitszeitverordnung verstoßen. Die Stadt hatte daraufhin "Fehler" eingeräumt, die sich nicht wiederholen dürften. Man habe aber bereits Konsequenzen gezogen, Pauschalen eingestellt, eine Zeiterfassung eingeführt, Prämien ausgesetzt.
Vorbestraft oder nicht? Das ist nicht so einfach
Auch jetzt deutet alles darauf hin, dass der seit 2006 amtierende Oberbürgermeister an einschneidendere Konsequenzen nicht denkt. In der Erklärung der Stadt wird vor allem die Verunsicherung im Rathaus als Problem dargestellt. Jene "bedauere ich sehr und wir werden über die bereits gezogenen Konsequenzen hinaus weitere Entscheidungen treffen, um aus dem Vorgang zu lernen", wird der OB zitiert. Die Erklärung trägt die Überschrift: "Staatsanwaltschaft Hof erhebt keine Anklage". Eine Erfolgsmeldung aus Bamberg, wird in der Stadt gespottet.
Für juristische Feinschmecker ist die Frage, ob OB Starke - sollte er nach "anwaltlicher" Prüfung den Strafbefehl akzeptieren - einen Eintrag ins Führungszeugnis befürchten muss. Vulgo, ob er in diesem Fall als "vorbestraft" gelten würde, wie das landläufig heißt. Zwei damit von der SZ konfrontierte Spitzenbeamte in Diensten des Freistaats halten dies zum jetzigen Zeitpunkt für offen. Laut Bundeszentralregistergesetz gilt man bei einer Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen (Starke hat nun 80) als nicht vorbestraft - es sei denn, man hat bereits einen Strafbefehl bekommen. Und das hat Starke ja.
60 Tagessätze musste er im Juli 2021 zahlen, der Verletzung von Dienstgeheimnissen wegen. Vor Gericht hätte wohl aus diesem Vergehen und dem der Untreue eine Gesamtgeldstrafe gebildet werden können, Starke wäre womöglich ohne Vorstrafe geblieben. Aber Starke hat das Geld, die 60 Tagessätze, bereits vollständig bezahlt. Formal hat er also bereits einen Strafbefehl. Kommt nun ein weiterer hinzu, so sei das Risiko eines Eintrags ins Führungszeugnis "nicht von der Hand zu weisen", sagt ein Jurist. Ein Oberbürgermeister aber mit Vorstrafe? Wäre wohl umso schwerer vermittelbar.