Mitten in Bamberg:Die schönste Ruine in Franken

Die SPD in Bamberg ist wie das Heidelberger Schloss - an der Oberfläche attraktiv, aber Einschüsse allüberall. Der neueste: Ihr Stadtratsboss hat sich im Fernsehen um den dämlichsten Satz des Jahres beworben. Und sieht das inzwischen ähnlich.

Von Olaf Przybilla, Bamberg

Fernsehauftritte sind eine tolle Sache, weil die Leute offenbar immer noch den Eindruck haben, da besuche sie einer abends in ihrem Wohnzimmer. Wer im TV erscheint, der hat hernach das Handy mit Nachrichten voll und darf sich wichtig fühlen, das ist gut fürs Ego - und für Lokalpolitiker gleich doppelt, weil die sich ja selten vor großem Publikum wichtig fühlen dürfen (obwohl sie's sind).

Damit zu Klaus Stieringer, Chef der Stadtrats-SPD in Bamberg. Bambergs Sozis darf man sich wie's Heidelberger Schloss vorstellen: eine immer noch attraktive Oberfläche (immerhin regiert Andreas Starke als Sozi seit 15 Jahren die katholische Domstadt), aber die Einschüsse sind selbst von Weitem gut sichtbar, weshalb viele nicht vom Schloss, sondern der Ruine sprechen. Eine indes, die hoch über einer wunderschönen Stadt liegt.

Um alle Einschüsse aufzuzählen, reicht eine Kolumne nicht aus. Es mag hier also die Erwähnung genügen, dass vor sieben Monaten eine halbe Ermittler-Hundertschaft nicht nur das Rathaus wegen Untreueverdachts durchkämmt, sondern auch im OB-Anwesen vorbeigeschaut hat. Die Berichterstattung in der gesamten Causa fanden die Sozis irgendwie ungut, in den asozialen Netzwerken wurde scharf geschossen dagegen. Getroffen sah sich davon auch der Kabarettist Florian Herrnleben, dem Scharfzüngigkeit nicht völlig fremd ist - und dem alsbald auffiel, dass besonders eifrige Schützen nur als Internetphänomen bekannt sind. Fake-Accounts? Gar von Sozis?

Die "Quer"-Kollegen vom BR haben sich mal umgehört - und der SPD-Boss Stieringer fand es offenbar attraktiv, auch mal wieder im Wohnzimmer zu erscheinen. Zu hören war er da mit dem Satz: "Fake-Accounts geben ja den Menschen erst mal die Möglichkeit, sich auch anonym unter dem Schutz der Persönlichkeitsrechte in den sozialen Netzwerken zu bewegen. Das finde ich okay."

Nun könnte man sagen, dass sich da einer um den, nun ja, dämlichsten Satz des Jahres beworben hat. Muss man aber gar nicht. So ähnlich sieht Stieringer das nämlich selbst inzwischen. "Dumm" und "nicht okay" sei seine TV-Stellungnahme gewesen, sagt er am Telefon, selbstredend müssten sich Mandatsträger für Transparenz und Offenheit im politischen Diskurs einsetzen. Rücktritt? Er werde jedenfalls die volle Verantwortung übernehmen. Immerhin. Aber irgendwie ist die Heidelberger Ruine doch attraktiver.

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