Kommunalpolitik:Ein Vize-Landrat von AfD-Gnaden?

Die rechte Partei brüstet sich im Bamberger Land damit, angeblich den stellvertretenden Landrat mit ins Amt gewählt zu haben. Für diesen ist das kein Grund zum Rücktritt.

Von Olaf Przybilla, Bamberg

In Bayreuth war Sabine Steininger von den Grünen bereits zur Dritten Bürgermeisterin gewählt, sie aber lehnte das Amt ab, weil nicht auszuschließen war, dass entscheidende Stimmen von der AfD stammten. In Höchstadt behauptete die AfD von sich, dem Zweiten Bürgermeister Günter Schulz von der SPD die entscheidende Stimme gegeben und nach einer Pattsituation im Stadtrat das Zünglein an der Waage gespielt zu haben. Die SPD forderte Schulz daraufhin zum Rücktritt oder SPD-Austritt auf und leitete ein Parteiordnungsverfahren ein. Schulz lehnte einen Rücktritt ab, trat stattdessen aus der SPD aus und ist weiterhin Stellvertreter des Bürgermeisters in Höchstadt.

Und nun also bereits der nächste Fall, es ist der kniffligste bislang: Im Bamberger Kreistag ist Bruno Kellner (FW) mit 32 von 61 Stimmen zum stellvertretenden Landrat gewählt worden. Eine knappe Mehrheit, aber auch dort hat inzwischen die AfD zu erkennen gegeben, dass der Vize-Landrat einer von ihren Gnaden sein soll. Die AfD also nicht mehr nur als Bürgermeister-, sondern sogar als Landratsmacherin? Die Grünen wollen, dass Kellner von seinem Amt zurücktritt und erneut gewählt wird im Kreistag.

Wie in Höchstadt will die AfD auch im Bamberger Land entscheidend zur Wahl des Stellvertreters beigetragen haben. "Mit unserer vollen Unterstützung" sei Kellner zum Vize-Landrat gewählt worden, behauptet ein AfD-Kreisrat auf Facebook. Überprüfbar ist das nicht, die Wahl war geheim. Weil die AfD über fünf Sitze verfügt, macht der Fraktionschef der Grünen, Bernd Fricke, folgende Rechnung auf: Sollten die AfD-Angaben stimmen, so habe Kellner nur 27 Stimmen der demokratischen Parteien bekommen - während 29 gegen ihn votierten.

Er nehme die Grünen nicht aus, aber es sei offenbar nicht gelungen, eine klare Mehrheit jenseits der AfD zu organisieren, obwohl es zuvor Verhandlungen gegeben habe. Auf ein gemeinsames Vorgehen habe man sich da nicht einigen können. Also kandidierten neben Kellner auch ein SPD-Kandidat und eine Grüne als Stellvertreter. Dass die AfDler jenen ihre Stimme gegeben haben könnten, hält Fricke für "sehr unwahrscheinlich". Umso mehr sei zu befürchten, dass die AfD tatsächlich entscheidend dazu beigetragen habe, dass Kellner ins Amt kam.

Jonas Merzbacher von der SPD befürchtet das auch. Zum Rücktritt, wie es die Grünen tun, fordert er Kellner aber nicht auf. Für ihn gibt es einen entscheidenden Unterschied zur Causa Höchstadt: Dort gab es im Stadtrat ein Stimmenpatt - im Bamberger Kreistag dagegen verfügen CSU und FW über eine knappe Mehrheit von 31 Stimmen. Nun hätten viele gehofft, dass Kellner die Wahl nur annimmt, falls er 36 Stimmen bekommt und die fünf potenziellen AfD-Stimmen irrelevant gewesen wären.

"Überraschenderweise" habe Kellner aber angenommen, obwohl sein Ergebnis klar darunter lag. Die SPD sei darüber "traurig und erschrocken". Trotzdem könne Kellner behaupten, dass er sämtliche Stimmen der CSU/FW-Koalition bekommen habe - was viele bezweifeln, weil es Hinweise auf einzelne Kreisräte gibt, die angeblich abweichend gewählt haben sollen. Nur beweisen, sagt Merzbacher, könne das keiner. Er befürchtet, dass durch die Debatte "der AfD nun eine Wichtigkeit" beigemessen werde, die "völlig deplatziert" sei.

Kellner ist irritiert über die Diskussion. Und nein, sagt er, er werde keinesfalls zurücktreten. Er gehe davon aus, dass er seine Stimmen von CSU und FW bekommen habe, egal was die AfD behaupte. Es habe sogar "Probeabstimmungen" gegeben. Dass ihn mehrere Kreisräte von CSU und FW nicht gewählt haben könnten, sei "undenkbar". Er könne auch nicht verstehen, dass der AfD nun so eine Aufmerksamkeit zuteil werde. Es werde jedenfalls keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben.

Das nehmen die Grünen Kellner ab. Trotzdem mache man das Angebot, nochmals neu zu verhandeln, sollte er doch zurücktreten - und die Wahl auf eine breitere Basis zu stellen, sagt Fricke. Denn wenn es so bleibe, "dann macht das etwas mit Kellner", sagt er. Den Verdacht, ein Vize-Landrat von AfD-Gnaden zu sein, werde Kellner nicht losbekommen.

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