Bamberg:Frauen betäubt und missbraucht: Arzt soll 15 Jahre in Haft

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  • Die Staatsanwaltschaft fordert für einen ehemaligen Chefarzt am Klinikum Bamberg 15 Jahre Haft wegen schwerer Vergewaltigung. Sie hat damit die Anklagevorwürfe noch verschärft.
  • Der Mann soll Frauen unter dem Vorwand eines wissenschaftlichen Interesses sexuell missbraucht haben.
  • Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Die Verteidigung plädiert nächste Woche.
  • Das Urteil wird am 17. Oktober erwartet.

Von Annette Ramelsberger, Bamberg

Der Mann ist angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen Missbrauchs und zum Teil wegen Vergewaltigung von zwölf Frauen, zudem wegen Störung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Videoaufnahmen. Seit eineinhalb Jahren wird vor dem Landgericht Bamberg gegen den früheren Chefarzt und Venenexperten Heinz W. verhandelt.

Er soll Patientinnen und Mitarbeiterinnen des Klinikums Bamberg unter dem Vorwand, er mache eine Studie über komplizierte Venenleiden, narkotisiert und dann an ihrem Körper manipuliert haben. Erst durch die Anzeige einer medizinischen Praktikantin, die nach einer Untersuchung durch Heinz W. einen unerklärlichen Gedächtnisverlust erlitten hatte, kamen die Ermittlungen gegen den Chefarzt in Gang.

Prozess
:Medizinstudentin belastet Bamberger Chefarzt

Er soll Patientinnen betäubt und missbraucht haben. Nun sagt erstmals die Frau aus, die den Prozess gegen ihn ins Rollen brachte.

Von Annette Ramelsberger

Am Mittwoch forderte die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft für ihn, das ist die Höchststrafe - obwohl es in keinem einzigen Fall zum Geschlechtsverkehr gekommen war und die betroffenen Frauen erst durch die Polizei von ihrem Missbrauch erfahren hatten. Außerdem forderte Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb ein lebenslanges Berufsverbot.

In diesem Prozess sitzt kein reuiger Angeklagter. Hier sitzt ein Angeklagter, der seit 68 Verhandlungstagen kämpft - gegen die Anklagevorwürfe, gegen den tiefen Fall vom Chefarzt, angesehenen Bürger und Familienvater in Bamberg zum Untersuchungshäftling, der seit zwei Jahren im Gefängnis sitzt. Er und seine Verteidigung haben immer wieder Befangenheitsanträge gestellt, gegen das Gericht, gegen die medizinischen Sachverständigen.

Der mittlerweile 51 Jahre alte Heinz W. hat vor Gericht Vorträge über sein Fachgebiet, die Venenheilkunde, gehalten, oftmals glichen die Prozesstage medizinischen Vorlesungen. Und immer wieder wurden Bilder in Augenschein genommen: Bilder von weiblichen Geschlechtsorganen, die der Angeklagte mit seinem wissenschaftlichem Interesse erklärt, während die Anklage darin sexuelle Motive erblickt. Oft in diesem Prozess wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Missbrauchsvorwürfe gegen Chefarzt
:"Ich bin weder Sex-Arzt noch Dr. Pervers"

Er soll zwölf Patientinnen betäubt und missbraucht haben: Der ehemalige Bamberger Chefarzt wehrt sich vor Gericht gegen die Vorwürfe - mit einem 48-seitigen Power-Point-Vortrag.

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Auch beim Plädoyer durfte niemand in den Saal - um die Intimsphäre des Angeklagten und der Nebenklägerinnen nicht zu verletzen. Dabei hatten viele Nebenklägerinnen darauf gedrungen, dass öffentlich plädiert wird. Gerichtssprecher Leander Brößler musste dann über die wichtigsten Argumente der Staatsanwaltschaft informieren.

Ganz offenbar ließ sich Oberstaatsanwalt Lieb durch die Erklärungen der Verteidigung nicht beeindrucken. Er verschärfte in seinem Plädoyer die Anklagevorwürfe sogar noch, von einfacher zu schwerer Vergewaltigung. Der Arzt soll den bewusstlosen Patientinnen sogenannte Butt-Plugs eingeführt haben, die den After weiten. Diese Geräte werden auch als Sexspielzeuge benutzt. Das Eindringen damit in den Körper wertete der Staatsanwalt als Vergewaltigung, die Betäubung als strafverschärfend.

Der Staatsanwalt nannte Heinz W. "zielstrebig, überdurchschnittlich intelligent, fleißig", aber der Arzt überschätze sich auch selbst und sei stark von sich überzeugt. Er habe am Anfang gedacht, man könne ihm die Taten nicht nachweisen und sich für unangreifbar gehalten. Er habe geglaubt, unter dem Deckmantel medizinischer Erklärungen seine Taten verstecken zu können.

Die medizinische Studie, mit der Heinz W. seine Untersuchungen der Patientinnen erklärte, habe es nie gegeben - auch keine Vorstudie, auch keine Vorstufe dazu. Für den Staatsanwalt haben die Untersuchungen klar einen sexuellen Bezug: Warum sonst verwendete der Arzt dafür Sexspielzeug und nicht in der Klinik vorhandene medizinische Glaszylinder, fragte Staatsanwalt Lieb.

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Die Einführung einer Sonde in die Scheide, um angeblich Venenfehlbildungen zu belegen, sei ebenfalls ohne medizinische Notwendigkeit erfolgt. Das belegten auch die Bilder, die auf dem Computer des Angeklagten gefunden worden seien. "Bilder sagen mehr als 1000 Worte", zitiert Gerichtssprecher Brößler den Staatsanwalt.

Dagegen hatte der Angeklagte immer erklärt, dass es sich dabei um völlig normale Dokumentationen von Untersuchungen handele, weil sich im Bereich der weiblichen Schamlippen Venenverdickungen zeigten. Als schlimmsten Fall wertete die Anklage den Missbrauch einer 18 Jahre alten Krankenhausangestellten. Sie hatte schemenhaft mitbekommen, was mit ihr geschehen war und einen Anwalt aufgesucht. Der aber hatte von einer Anzeige abgeraten, weil man sowas ja nicht beweisen könne. Der ehemalige Chefarzt habe, so der Staatsanwalt, das "uneingeschränkte Vertrauen der Frauen zum Chefarzt missbraucht".

Die Verteidigung plädiert nächste Woche, das Urteil wird am 17. Oktober erwartet.

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