Wenn in den anbrechenden Herbstferien irgendwann alle Brettspiele gespielt, Spielplätze besucht und die Radtouren gemacht sind, wenn sich alle in der Familie erst mal richtig auf die Nerven gehen, dann werden manche Eltern ihre Kinder vielleicht ins Auto packen und eine Greifvogelshow besuchen. Sie sehen dort den imposanten Segelflug des Gänsegeiers, Weißkopfseeadler, die auf der behandschuhten Faust landen, Wanderfalken, die sich kreisend in die Höhe schrauben und dann wie ein Stein vom Himmel stürzen, um ein Stück Fleisch zu ergattern, das auf einem Federspiel befestigt ist. Die Kinder werden begeistert sein, und die Erwachsenen werden im Glauben zurück nach Hause fahren, dass sie soeben die hohe Kunst der Falknerei besichtigt haben.
Was die Falknerei aber im ursprünglichen Sinne ist, nämlich die Jagd mit Greifvögeln, das kann man dieser Tage in Bamberg erleben. Seit Sonntag sind dort, im Rahmen der Internationalen Falknertagung, Falkner aus der ganzen Welt versammelt. Sie kommen aus Kasachstan und Katar, aus Japan und Brasilien, mit den Teilnehmern aus Deutschland sind im Tagungshotel etwa 400 Gäste beisammen. Einmal im Jahr trifft man sich, immer in einem anderen Land der Erde, um Erfahrungen auszutauschen, neue Artenschutzprojekte vorzustellen und für das eigene Tun zu werben. Und natürlich, um zu jagen, denn die sogenannte Beizjagd ist das brennende Herz der Falknerei.
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Viele Teilnehmer sind mit Vogel angereist, und wer in den vergangenen Tagen am Kongresshotel vorbeikam, konnte auf der Greifvogelwiese sibirische Habichte stehen sehen, amerikanische Harris Hawks, arabische Sakerfalken, europäische Steinadler und Gerfalken. Der Deutsche Falkenorden (DFO), größter der vier deutschen Falknereiverbände und Veranstalter der Tagung, hat rund um Bamberg etwa hundert Jagdreviere bereitgestellt.
Die Falknerei, in Deutschland seit 2014 als Immaterielles Kulturerbe anerkannt, ist eine seit Jahrtausenden nahezu unveränderte Kunst - das prächtig bebilderte Lehrbuch des Stauferkaisers Friedrich II., "De arte venandi cum avibus" ("Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen", um 1240), gilt heute immer noch als Standardwerk. Im Kern geht es nicht darum, den Vogel zu zähmen, sondern in Gemeinschaft mit ihm zu jagen: Der Falkner ist der Partner, der mit Hilfe von Hund oder Frettchen das Wild aufspürt und aus der Deckung stößt, das der Vogel dann schlägt. Um diese Partnerschaft herzustellen, braucht es unendlich viel Zeit, Erfahrung und Können. Darüber hinaus ist auch immer noch Überzeugungsarbeit nötig, denn die Vorbehalte in der Bevölkerung sind nach wie vor groß.
"Manche Leute halten uns für potenzielle Tierquäler, die ihre Vögel hungern lassen, damit sie besser jagen - was Unsinn ist, sie hätten dann gar nicht die nötige Kondition dafür", sagt Elisabeth Leix, Stellvertretende Vorsitzende des DFO. Auch seien viele Menschen erschrocken, wenn ein Habicht am Ende der Jagd auf einem blutenden Kaninchen sitzt, "dabei tut er nichts, was ein Wildvogel nicht auch tun würde. Der Tod gehört nun mal zur Natur".
Leix, 55, ist von Greifvögeln fasziniert, seit sie als zwölfjähriges Mädchen einmal einen Turmfalken hochgepäppelt hat. 1982 hat sie den Falknerschein gemacht. Was sie damals noch nicht wissen konnte: Um mit ihrem Wanderfalken Rebhühner zu beizen, muss sie heute nach Ostpolen reisen; mit dem Habicht jagt sie Krähen. Das ist das eigentliche Problem der Falknerei: Die klassische Beute, das Niederwild - Hase, Kaninchen, Rebhuhn, Fasan - ist in Deutschland durch fortschreitende Umweltzerstörung und die Auswüchse der industriellen Landwirtschaft rar geworden.
Die Falknertagung endet am Sonntag, 28. Oktober, um 13 Uhr mit einer Präsentation der Beizvögel vor dem Kongresshotel.