Bamberg:Einstürzende Sakralbauten

Bamberg: Beinahe erschrocken scheint der Evangelist Markus auf den dicken Riss in der Propsteikirche St. Getreu in Bamberg zu gucken.

Beinahe erschrocken scheint der Evangelist Markus auf den dicken Riss in der Propsteikirche St. Getreu in Bamberg zu gucken.

(Foto: oh)
  • Die Kirche St. Michael, eines der Wahrzeichen Bambergs, bröckelt und ist seit drei Jahren gesperrt.
  • Im Frühjahr soll die Sanierung beginnen, bis November 2021 abgeschlossen sein - ob das funktioniert, ist aber nicht absehbar.
  • An der benachbarten Propsteikirche St. Getreu ist der Zustand dramatisch: Sie muss vor dem Einsturz gesichert werden.
  • Ein Benefizkonzert des Pianisten Lang Lang soll Spenden einbringen.

Von Katja Auer, Bamberg

Drei Jahre hat sich schon kein Paar mehr in Bambergs beliebtester Hochzeitskirche getraut und die Touristen können den Sakralbau, ein Wahrzeichen der Weltkulturerbe-Stadt, nur noch von außen besichtigen. Drei Jahre ist die Kirche St. Michael schon gesperrt, seit der erste Brocken von der Decke in die Kirchenbänke gefallen ist und Experten feststellten, dass der Bau nicht nur ein bisschen bröckelig, sondern akut einsturzgefährdet ist. So musste das 1000. Gründungsjubiläum der Klosteranlage im vergangenen Jahr vor verschlossener Kirchentür gefeiert werden.

Im Frühjahr soll nun die Sanierung der ganzen Klosteranlage beginnen. Das wird Jahre dauern, aber einen Termin nennt der Bamberger Finanzreferent Bertram Felix schon, der für die Bürgerspitalstiftung zuständig ist, der das ehemalige Kloster heute gehört: den 2. November 2021. Dann jährt sich der Weihetag der Kirche zum 1000. Mal, dann soll sie wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

Bamberg: Wie die Abtei St. Michael (Foto) mit dem berühmten Himmelsgarten ist auch die barocke Nachbarkirche einsturzgefährdet.

Wie die Abtei St. Michael (Foto) mit dem berühmten Himmelsgarten ist auch die barocke Nachbarkirche einsturzgefährdet.

(Foto: Stadt Bamberg)

"Der Zustand ist nach wie vor dramatisch"

Ob das funktioniert, ist freilich noch nicht absehbar. "Der Zustand ist nach wie vor dramatisch", sagt Felix. Ein paar Maueranker halten die Kirche gerade zusammen, "die Wahrscheinlichkeit, dass sie einstürzt, wurde eingefroren". Zunächst sollen nun die Außenfassaden der ehemaligen Benediktinerabtei instand gesetzt werden. Der Sandstein ist über die Jahrhunderte brüchig geworden, mancher Vorsprung ist abgebrochen. Anschließend geht es an die Statik der Kirche, in weiteren Schritten soll auch die Innenausstattung saniert werden.

Das ehemalige Kloster, das seit der Säkularisierung 1805 ein Altenheim beherbergt, ist nicht nur wegen seiner exponierten Lage auf einem der sieben Hügel Bambergs ein Wahrzeichen der Stadt. Besucher kommen auch wegen des berühmten Deckengemäldes. Der sogenannte Himmelsgarten zeigt genau 578 exakt abgebildete Pflanzen, darunter so exotische wie Granatapfel und Ananas. Vier Künstler malten den Garten Anfang des 17. Jahrhunderts an die Decke.

In der Kirche ist Bischof Otto, einer der drei Bistumsheiligen, begraben. Sein Sarkophag hat einen Durchschlupf, durch den sich gerne die Besucher zwängten. Das nämlich, so sagt es die Legende, soll von Rückenleiden heilen. Auch andere Bischofsgrabmäler finden sich in St. Michael, sie wurden bei einem Umbau aus dem Dom auf den Nachbarhügel gebracht. All die Kunstschätze sollen während der Renovierung im Inneren der Kirche bleiben, sagt Bertram Felix, "komplett weggeschützt" allerdings.

Über die Jahrhunderte sind einige Bausünden geschehen, die der Kirche zusetzten. Etwa jene, die Glockenstühle aus Eiche durch solche aus Stahl zu ersetzen. Zwar habe ein Schwingungsgutachen keine konkreten Schäden durch die Glocken ergeben, sagt Felix, dennoch würden bei der Sanierung möglicherweise wieder Holzbalken eingebaut.

In St. Getreu ist der Zutritt verboten - dabei wurde erst vor wenigen Jahren saniert

Ein Grund, warum das Gebäude inzwischen so von Rissen durchzogen ist, dass es niemand mehr betreten darf, liegt im Untergrund. Das Kloster ist auf Letten gebaut. Das wenig stabile Tongestein ist in Bewegung, besonders extrem soll es im vergangenen Jahr gewesen sein, als der Sommer sehr trocken war und der Letten deswegen hart wurde wie Beton.

Bamberg: All das wird teuer, alleine die Sanierung der Abtei könnte um die 50 Millionen Euro kosten, für St. Getreu gibt es noch nicht einmal eine Schätzung.

All das wird teuer, alleine die Sanierung der Abtei könnte um die 50 Millionen Euro kosten, für St. Getreu gibt es noch nicht einmal eine Schätzung.

(Foto: oh)

Werde er dann wieder feucht, erlange er aber nicht exakt die vorherige Ausdehnung, erklärt Felix, das wirke sich wiederum auf die Bauten aus. Nicht nur auf St. Michael, sondern auch auf die benachbarte Propsteikirche St. Getreu. Dort sind die Schäden dramatisch. Armdicke Risse ziehen sich durch die Wände, seit dem Herbst ist in dieser Kirche der Zutritt verboten. Das ist schon deswegen dramatisch, weil St. Getreu erst vor wenigen Jahren nach einer grundlegenden Sanierung wieder geöffnet wurde. Nun muss sie vor dem Einsturz gesichert werden.

"Denkmalpflegerisch gleichbedeutend mit der Wieskirche"

Die ehemalige Benediktinerpropstei des Klosters wirkt von außen eher unscheinbar, zählt aber wegen ihrer spätbarocken Innenausstattung zu den bedeutendsten Sakralbauten Bayerns. Die Kirche entstand zwischen 1652 und 1732 nach den Plänen von Justus Heinrich Dientzenhofer.

"Denkmalpflegerisch gleichbedeutend mit der Wieskirche", nennt sie Felix. Auch dieser Bau gehört einer Stiftung und damit indirekt der Stadt. "Es gibt keine Stelle, an der sich nicht Risse durchziehen", sagt Felix. Auch in St. Getreu liege es am Untergrund und an den Baufehlern der Vorgänger. So wurde etwa 1940 ein Entwässerungskanal gegraben, der seine gute Absicht aber völlig verfehlt und noch mehr zum instabilen Untergrund beigetragen habe. Bei der Sanierung beider Kirchen soll auch die Entwässerung am Michaelsberg neu geregelt werden.

All das wird teuer, alleine die Sanierung der Abtei könnte um die 50 Millionen Euro kosten, für St. Getreu gibt es noch nicht einmal eine Schätzung. Ein erster Bauabschnitt in St. Michael über zwölf Millionen Euro wird zu 90 Prozent von Bund und verschiedenen Stiftungen gefördert, wie es dann weitergeht, steht noch nicht fest.

Eine Spendensammlung läuft bereits, 150 000 Euro sind bisher zusammengekommen. Ein Benefizkonzert mit dem Pianisten Lang Lang am 31. März soll das Doppelte bringen. Und wenn jeder Bamberger bis 2021 jedes Jahr zehn Euro spende, also auf drei Cappuccino verzichte, dann könnte es auch reichen, sagt Bertram Felix.

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