In der vergangenen Woche hat der Streit um die Zukunft des „Anker-Zentrums“ in Bamberg einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Auslöser war ein Brief von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD). Herrmann hatte sich darin deutlich wie nie für einen Weiterbetrieb der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete ausgesprochen, die laut einer Vereinbarung zwischen Stadt und Freistaat eigentlich Ende 2025 schließen soll. Der Brief las sich wie eine achtseitige Watschn in Schriftform, der Innenminister warf der Stadt Doppelmoral vor.
OB Starke replizierte dem Minister, dieser betreibe „glatten Wortbruch“, die Bamberger Bundestagsabgeordnete Lisa Badum (Grüne) sprach von einem „Schlag ins Gesicht“ der Bamberger und ihre Parteifreundin Ursula Sowa, die für den Wahlkreis Oberfranken im bayerischen Landtag sitzt, von einem „Skandal“.

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Umso überraschender ist nun der Vorstoß von Jonas Glüsenkamp. Der 37-Jährige gehört als Bamberger Bürgermeister ebenso wie OB Starke zur Stadtspitze, trat in dieser Funktion bis zuletzt für die Schließung der Unterkunft ein – und besitzt obendrein ein grünes Parteibuch. Damit einhergeht eine grundsätzliche Ablehnung des „Anker-Zentrums“ als Unterbringungsform. Und trotzdem spricht er sich nun angesichts der vorherrschenden Gemengelage und entgegen vorheriger Verlautbarungen für einen Weiterbetrieb aus.
Der Freistaat habe es versäumt, sich um Alternativen zum Bamberger „Anker-Zentrum“ zu kümmern, deshalb brauche es jetzt Pragmatismus, sagte er der SZ. Zuletzt hätten sich alle Beteiligten in der Debatte so sehr auf ihre Positionen versteift, dass es immer schwieriger werde, eine Lösung zu finden. Es gehe in der aktuellen Situation nicht um Parteipolitik, sondern um die Stadt, sagte er und meinte damit: Was kann Bamberg in Verhandlungen über einen Weiterbetrieb mit dem Freistaat herausschlagen? Der Sozialreferent der Stadt denkt da an einen „Entschädigungsfonds“ für die Menschen in der Nachbarschaft des „Anker-Zentrums“ und eine Verkleinerung der Einrichtung, damit die Stadt zumindest einige Flächen für Wohnraum und Bildungseinrichtungen nutzen kann.
Darüber, findet Glüsenkamp, sollte man sich nun unterhalten, statt einander die Schuld zuzuschieben. Man könnte dem Bürgermeister ob dieser inhaltlichen Kehrtwende nun freilich ebenfalls „glatten Wortbruch“ unterstellen. Oder man rechnet ihm an, die Aussichtslosigkeit der Lage anzuerkennen, und es konstruktiv und versöhnlich zu versuchen. Der bisherige Verlauf der Debatte lässt erahnen, dass in den kommenden Tagen beiderlei zu vernehmen sein wird.