Die Neuplanung der Bahnstrecke zwischen Ulm und Augsburg war seit Start 2018 immer auch ein Farbenspiel. Einige Varianten hat das Projektteam der Deutschen Bahn untersucht, ausgearbeitet, abgesprochen und begutachtet, jede Trasse bekam eine Farbe: Blau-Grün, Orange, Türkis, Violett. Markus Baumann, dem Gesamtprojektleiter des Bahnvorhabens zwischen Ulm und Augsburg, war die Freude im Gesicht abzulesen, als er am Freitag der Öffentlichkeit die Vorzugsvariante vorstellte, mit der sich im Jahr 2025 der Bundestag befassen soll. Nicht nur, weil er glaubt, die beste Trasse gefunden zu haben, die auch die Anliegen der Städte, Kommunen und Landkreise sowie der Anrainer bestmöglich berücksichtigt. Sondern weil es künftig nur noch eine Farbe gibt: Rot.
Dabei hat sich die Bahn für einen nun endgültigen, künftig in Rot markierten Trassenverlauf entschieden, der eine Mischung dreier bisheriger Farbvarianten darstellt: Die Strecke soll nach dem Vorschlag der Bahn von Neu-Ulm durch die Orte Burlafingen und Nersingen und dann südlich von Günzburg in Richtung Zusmarshausen verlaufen, das einen eigenen Regionalbahnhalt bekommt. Östlich von Adelsried erreicht die Strecke schließlich von Norden her Augsburg und wird ans bestehende Netz angeschlossen. An Günzburg führen die neuen Gleise vorbei – allerdings werden weiterhin Fernzüge nach Günzburg abbiegen und die alte Trasse nutzen.
Der Ausbau der Strecke ist unabdingbar, um die sogenannte Magistrale für Europa, also die Schienenverbindung zwischen Paris und Budapest zukunftstauglich zu machen. Die Ost-West-Verbindung ist eine wichtige europäische Bahnstrecke und laut Gerd Matschke, Leiter Infrastrukturprojekte Süd, eine der meistbelasteten in Bayern. Dabei sind die Gleise zwischen Ulm und Augsburg die letzte verbliebene Verbindung zwischen Paris und München, die noch nicht ausgebaut ist. Das verdeutlicht die Dringlichkeit des Projekts auf einer zweigleisigen Strecke, die 170 Jahre alt ist und bereits 1931 elektrifiziert wurde.
Die Zweigleisigkeit ist eines der Probleme der Bestandsstrecke: Fernzüge und Güterverkehr teilen sich die Schienen mit dem Nahverkehr, was am Ende alle ausbremst, weil die Kapazität einfach nicht reicht. Deutlich mehr als 30 Minuten benötigen Fernzüge momentan, um von Ulm nach Augsburg oder umgekehrt zu fahren. 26 Minuten sollen es künftig sein – weiterhin 40 Minuten mit Halt in Günzburg -, das ist eine der Planungsvorgaben, um den sogenannten Deutschlandtakt einzuhalten, der im gesamten Netz der Deutschen Bahn sicherstellen soll, dass Fahrgäste an Knotenpunkten komfortabel umsteigen können. Züge gen Frankreich oder Ungarn sollen hier also künftig mit bis zu 265 Kilometer pro Stunde vorbeirasen. Ursprünglich vorgesehen war ein maximales Tempo 300, das die Planer jedoch aufgegeben haben. „Eine konstante Geschwindigkeit von 265 ist nachhaltiger und wirtschaftlicher als kurzes Beschleunigen auf 300, wenn kurz darauf wieder abgebremst werden muss“, sagt Projektleiter Baumann.
Wenn keine Güter- und Fernzüge mehr die Bestandsstrecke nutzen, soll auch der Nahverkehr profitieren: Die Bayerische Eisenbahngesellschaft hat in den vergangenen Jahren bereits angekündigt, dass ohne Konflikte mit dem Fernverkehr eine höhere Taktung und eine verbesserte Pünktlichkeit in Aussicht stehen. Zahlreiche Verbände und auch weite Teile der Politik begrüßen die ausgewählte Variante, die laut Bahn eng an der Autobahn A 8 und sonst an der Bestandsstrecke entlangführt, was vergleichsweise wenige Eingriffe in Natur und Landschaft zur Folge habe.
Etwa 50 Prozent der Strecke sollen unterirdisch gebaut werden
Trotzdem gibt es zwischen Ulm und Augsburg schon lange Kritik, egal an welcher der untersuchten Trassenvarianten, etliche Bürgerinitiativen haben sich gegründet: Die einen kämpfen um ihre Felder und Häuser und um Lärmschutz, die anderen um ihren Anschluss. Im nun abgeschlossenen Raumordnungsverfahren hat die Regierung von Schwaben etwa 150 Stellungnahmen öffentlicher und sonstiger Stellen sowie Bürgergruppen ausgewertet und eingearbeitet. „Die auch für die Bürgerinnen und Bürger in der Region überaus große Bedeutung dieses Verfahrens kommt in den Stellungnahmen mit rund 1300 Unterschriften zum Ausdruck“, heißt es in einer Mitteilung. Zwei Trassen hat die Regierung von Schwaben als nicht realisierbar ausgeschlossen. Die Trasse „Blau-Grün“ würde im Landkreis Günzburg zwei für die künftige ortsnahe Trinkwasserversorgung wichtige Grundwasservorkommen queren. Mit der Variante „Orange Tunnel Mindeltal“ wäre ein Hochwasserschutzprojekt bei Burgau nicht mehr zu realisieren.
Die nun bevorzugte Variante wird zu etwa 50 Prozent untertunnelt sein oder in einem sogenannten Trog verlaufen, also einem Tunnel ohne Decke. „Die Züge sind dort also weder zu sehen noch zu hören“, sagt Baumann. Die Bahn werde wenig bis gar nicht in private oder gewerbliche Gebäude eingreifen müssen und gerade in Ortschaften die Menschen mit Lärmschutz versorgen. Solche Details der Planung sollen etwa bei der Ortsdurchfahrt in Burlafingen im nächsten Schritt optimiert werden.
Markus Baumann geht davon aus, dass die Strecke im nächsten Jahrzehnt in Betrieb genommen wird, realistisch ist wohl eher Ende der Dreißigerjahre. Die Kosten sind schwer abzuschätzen: Im Moment rechnet die Bahn mit 5,5 Milliarden Euro, allerdings sind in dieser Summe noch keine Risiken berücksichtigt, keine Baupreissteigerungen, keine mögliche Inflation. Die Vorschlagsvariante für den Trassenverlauf steht also, Ungewissheiten gibt es aber noch genug.