Bahn - Rosenheim:Proteste für mehr Tunnel bei Brenner-Nordzulauf geplant

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Anwohner der Region Rosenheim demonstrieren gegen den Bau einer neuen Trasse. Foto: Peter Kneffel/dpa (Foto: dpa)

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Rosenheim (dpa/lby) - Nach der Bekanntgabe des Streckenverlaufs für mögliche neue Gleise im Inntal Richtung Brenner fordern Vertreter in der Region Nachbesserungen, insbesondere weitere Untertunnelungen. Bürgerinitiativen kündigten am Mittwoch weiteren Widerstand an - sie sehen schon jetzt die Möglichkeit zu klagen. Die Bahn hatte am Dienstag mitgeteilt, dass die geplante Trasse östlich von Rosenheim und Inn verlaufen soll; es ist mit 60 Prozent Tunnel-Anteil auf 54 Kilometern die aufwendigste der zuletzt vier Varianten.

Die Bürgerinitiative "Pro Riedering-brenna tuats" reagierte entsetzt - die Gleise sollen direkt am Ort vorbeigehen. Die Trasse werde als die umweltschonendste dargestellt. "In Wirklichkeit ist es die längste, teuerste und technisch aufwendigste Trasse", erläuterte die Initiative am Mittwoch. "Und warum im Gemeindegebiet Riedering, das direkt am Landschaftsschutzgebiet Simssee liegt, kein Tunnel gebaut werden soll, sorgt nur noch für Kopfschütteln."

Mit der Veröffentlichung der Trasse ist nach Auffassung der Bürgerinitiativen die Voraussetzung für zivilrechtliche vorbeugende Unterlassungsklagen geschaffen. Eigentümer, über deren Grundstück die Trasse laufen würde, hätten demnach ein sofortiges Klagerecht. "Und davon werden die Riederinger nun regen Gebrauch machen."

Teils wurde der Vorschlag der Bahn positiv bewertet. "Die Trasse ist die bestmögliche Lösung für Menschen und Umwelt", teilte die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) am Dienstag mit. Die direkte Betroffenheit der Anwohner werde minimiert, der Vorschlag sei auch Ergebnis einer intensiven Bürgerbeteiligung. "Klar ist aber auch: Die Arbeit fängt jetzt erst an." Es gebe Abschnitte, die überarbeitet und verbessert werden müssten. Vor allem nördlich von Rosenheim forderte Ludwig die Prüfung weiterer Tunnellösungen.

Der Rosenheimer Landrat Otto Lederer (CSU) sagte, die Wahl sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, da die Flächen-Inanspruchnahme am geringsten ausfalle. Es sei aber nicht nachvollziehbar, dass eine Neubaustrecke so geplant werde, dass sie Infrastruktureinrichtungen wie Bundesstraßen oder Bahngleise oberirdisch kreuze. "Auch die Tatsache, dass derzeit nördlich und westlich von Rosenheim keine unterirdischen Streckenanteile geplant sind, ist nicht vermittelbar."

Rosenheims Bürgermeister Andreas März (CSU) verlangte eine Untertunnelung des Inns im Norden der Stadt. Im Raumordnungsverfahren sei eine unterirdische Lösung als Maßgabe festgesetzt worden.

Im Raumordnungsverfahren hatten die betroffenen Kommunen und der Rosenheimer Kreistag alle fünf damals vorliegenden Varianten der Bahn fast durchweg abgelehnt. Nur Flintsbach und Nussdorf sahen den nun gewählten Vorschlag bei weitgehender Untertunnelung als möglich an.

Kolbermoors Bürgermeister Peter Kloo, dessen Ortsgebiet nun nicht direkt betroffen sein, zeigte sich laut Bayerischem Rundfunk erleichtert. Er gehe davon aus, dass es in Kolbermoor großes Aufatmen gebe. Das Gesamtprojekt bleibe aber eine Herausforderung die Region. Kloo äußert auch Zweifel an der Notwendigkeit einer Neubaustrecke.

Bürgerinitiativen und der Bund Naturschutz lehnen das Projekt ab und sprechen von einem Milliardengrab. Die bestehenden Gleise seien derzeit nicht einmal zur Hälfte ausgelastet. Die coronabedingten Veränderungen auch für den Verkehr würden nicht berücksichtigt.

Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel zeigte sich im Bayerischen Rundfunk offen für Kritikpunkte der Anwohner. "Klar ist, dass wir in der Vorplanung, die wir jetzt starten, auf die Kritikpunkte eingehen und uns das nochmal im Detail anschauen werden." Der Neubau der Strecke sei notwendig. "Momentan haben wir Kapazitäten auf der Strecke, aber wir müssen nach vorne schauen. Diese Strecke wird ja für die Jahre 2040 und fortfolgende gebaut, und da zeigen die Prognosen, dass der Bedarf gegeben ist." Die Entwicklung auf der Schiene sei nach wie vor steigend - trotz Corona.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte erläutert, dass das Projekt 2016 als vordringlich in den Bedarfsplan Schiene aufgenommen worden und der Ausbaubedarf gesetzlich verankert sei.

Der Bedarf für den Neubau ist aus Sicht der Gegner hingegen nicht erwiesen. Sie favorisieren eine Ertüchtigung der bestehenden Strecke. Gerhard Maier, Mitglied des Bürgerforums Inntal und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, sprach von einem willkürlichen Vorschreiben eines Bedarfs. Der Planungsauftrag stehe "auf tönernen Füßen".

Für den 24. April haben die Bürgerinitiativen eine "Protestwelle" durchs Inntal angekündigt. Von Ostermünchen bis Oberaudorf wollen sie mit Töpfen, Trillerpfeifen und Kuhglocken ein lautes Signal setzen.

© dpa-infocom, dpa:210414-99-203805/3

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