Bahn - München:"SZ": Bahn verwies 2020 auf Stammstrecken-Probleme

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München (dpa/lby) - Nicht nur höhere Kosten beim Bau der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke, sondern auch eine Bauzeitverlängerung um Jahre hat sich einem Medienbericht zufolge im Detail bereits 2020 abgezeichnet. Die Deutsche Bahn habe dem bayerischen Verkehrsministerium bei einem Gespräch am 25. September 2020 auf 32 Seiten präsentiert, wie schlecht es um das Projekt stehe, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" (Samstag). Demnach drohte schon damals eine Verzögerung um sechs Jahre bis 2034. Die Bahn habe im Detail Gegenmaßnahmen vorgeschlagen. Allein bei den Kosten sei die Bahn damals konkrete Antworten schuldig geblieben.

Das Verkehrsministerium erklärte dazu laut "SZ", bei Gesprächen wie diesem sei es üblich, dass auch Präsentationen gezeigt werden. Die Ministeriumsspitze habe den damals zuständigen DB-Vorstand Ronald Pofalla gefragt, was von den Aussagen zu halten sei.

Pofalla habe daraufhin in einem Schreiben vom 13. Oktober 2020 die Aussagen zurückgenommen. Es sei nur eine erste Diskussionsbasis gewesen; es bedürfe zusätzlicher intensiver Anstrengungen, um einen Stand zu erreichen, der verlässliche Aussagen ermögliche. Das Ministerium zog daraus laut "SZ" den Schluss, es habe damals keine Grundlage gegeben, die Öffentlichkeit zu informieren. Die Staatskanzlei sei auf Arbeitsebene informiert worden, gab das Ministerium laut "SZ" weiter an.

Die Staatskanzlei wiederum berief sich ebenfalls darauf, dass die Bahn-Spitze damals die zuvor präsentierten Aussagen über eine Verzögerung bis 2034 "sofort wieder als obsolet und nicht relevant zurückgewiesen" habe. Man warte bis heute auf eine "abschließende Antwort" der Bahn.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Büchler nannte es am Freitagabend einen "absoluten politischen Skandal", dass der Staatsregierung schon 2020 auf 32 Seiten Details zu den Bauverzögerungen vorgelegt worden seien - und dies nicht veröffentlicht worden sei. "Schließlich macht es eine riesigen Unterschied, ob man ein Projekt 2020 stoppt oder ändert - oder zwei Jahre später. Wir werden genau untersuchten, was ist in der Zwischenzeit an Aufträgen vergeben wurde, wohl wissend, dass das Projekt vermurkst ist. Das muss Konsequenzen haben."

Die Grünen fordern angesichts der Kostenexplosion und Verzögerung eine Bau-Pause. Zuletzt war davon ausgegangen worden, dass das Bauprojekt sogar erst 2037 fertiggestellt werden könnte.

Büchler sprach laut Bayerischem Rundfunk (BR) angesichts der möglichen Verzögerung und Kosten von bis zu 7,8 Milliarden Euro von einem Kostenniveau, das "nicht mehr tragbar" sei. Bevor das Tunnelbauwerk zum "Milliardengrab für ganz Bayern" werde, forderten Büchler und seine Parteikollegen eine Pause beim Bau, auch über einen generellen Baustopp müsse man nachdenken.

"Dass wir das S-Bahnsystem massiv ausbauen müssen, ist unstrittig", sagte Büchler weiter auf dpa-Anfrage. Es müsse aber geprüft werden, ob der Tunnel der richtige Weg sei oder ob es Alternativen gebe, die schneller zu Verbesserungen führten. Immer wieder gebe es bei der S-Bahn Chaos. "Das kann jetzt nicht 15 oder 20 Jahre so weitergehen."

Um den Fahrgästen rasch Erleichterung zu verschaffen, soll nach Ansicht der Grünen der S-Bahn-Südring ertüchtigt und der Nordring und die S-Bahn-Außenäste ausgebaut werden. Ein Großteil der Störungen und Verzögerungen entstehe an den Außenästen, so Büchler laut BR.

Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) hält laut BR von den Forderungen der Grünen nichts. Für den Bau der zweiten Stammstrecke seien "ausschließlich die fundierten und final geprüften Aussagen und Informationen" der Bahn maßgeblich. Danach würde ein Baustopp neben der schon investierten Milliarde Euro weitere rund zwei Milliarden kosten, ohne dass ein Nutzen für den Großraum München gewonnen wäre, teilte Bernreiter auf BR24-Anfrage mit. "Die Bahn hat angekündigt, im Herbst offizielle Zahlen zur zweiten Stammstrecke vorzustellen, erst dann können wir weiter in die Zukunft schauen."

© dpa-infocom, dpa:220923-99-875930/4

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