Süddeutsche Zeitung

Grüne und CSU:Studien in Scheinheiligkeit

Schwindeln soll man nicht, das lernt man früh im katholischen Bayern. Aber wenn es hilft, muss man halt gelegentlich eine Spende an die CSU entrichten oder sich im Schützenverein engagieren. Wieso sollte es da einer potentiellen Kanzlerin anders ergehen?

Glosse von Franz Kotteder

Selbstauskünfte sind immer so eine Sache. Man will sich ja nicht schlechter darstellen, als man es glaubt zu sein. Und wenn man zum Beispiel im Verlauf eines noch kurzen Lebens feststellen muss, dass man es doch mehr mit Buchstaben hat als mit Zahlen und das Volkswirtschaftsstudium ganz schnell wieder abbricht, dann schreibt man halt: "Studien in VWL", und hat doch nicht ganz gelogen. Klingt sogar ganz passabel und schmückt das curriculum vitae, so viel Latein hat man auch noch drauf.

Diese Vorgehensweise - beim Moped nennt man's Frisieren - bewegt derzeit die gesamte Republik, und es hat ja auch etwas Befremdlich-Peinliches, wenn jemand sich größere Bedeutung verleihen will, indem er sich Büroleitungen in Brüssel andichtet oder aus jährlichen Spenden gleich eine Mitgliedschaft im Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen wird.

Da könnte sich die bekennende Spezitrinkerin Katharina Schulze von den Landtagsgrünen mit gleichem Recht zur Paulaner-Aktionärin ernennen und mancher alkoholkranke Altabgeordnete zum De-facto-Inhaber mehrerer Schnapsbrennereien.

"Typisch!", rufen jetzt die Baerbock-Fans, "so viel Hohn und Spott gibt es nur für eine Frau und Mutter!" Dabei dürfe das Geschlecht in der Politik überhaupt keine Rolle spielen. Im gleichen Atemzug betonen sie, wie toll es sei, dass man endlich eine Frau und Mutter zur Kanzlerin machen könne. In Fachkreisen heißt das "positive Diskriminierung".

Was Mitgliedschaften angeht, nimmt man es übrigens in Bayern sonst nicht so genau. Draußen auf dem Land heißt es schon mal: Wenn du willst, dass dir der Gemeinderat Baurecht für deine saure Wiese erteilt, dann spende schön an die CSU und die Freien Wähler und mach' mit beim Schützenverein und der Freiwilligen Feuerwehr. Hört man gelegentlich - keine Ahnung, ob's stimmt.

Und Markus Söder hat gerade gesagt, ohne dass sich jemand gewundert hat, er sei "enttäuscht" von der SPD und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Dabei würden die Sozis doch alles von Grund auf falsch machen, wenn der oberste CSUler, also das Mitglied einer ganz anderen Partei, von ihnen "begeistert" wäre, oder nicht? Aber immerhin kann man, so scheint's, an den Lebensläufen von Söder und Heil nicht allzu viel aussetzen.

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SZ vom 12.06.2021/infu
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