Süddeutsche Zeitung

Bad Wörishofen:Verdacht der Untreue gegen Ex-Bürgermeister

  • Während der Amtszeit von Klaus Holetschek (CSU) hat er als Bürgermeister gleich vier Unternehmen eine Reduzierung des Fremdenverkehrsbeitrages eingeräumt.
  • Eine dieser Firmen ist der Allgäu Skyline Park, der der Familie seiner CSU-Parteifreundin Petra Löwenthal gehört.
  • Die Staatsanwaltschaft Memmingen ermittelt seit Januar wegen des Verdachts auf Untreue gegen Holetschek.

Von Stefan Mayr, Bad Wörishofen

Es könnte eng werden für den schwäbischen Landtagsabgeordneten Klaus Holetschek (CSU) in der Affäre um zu wenig erhobene Fremdenverkehrsbeiträge in der Stadt Bad Wörishofen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat die Stadt während Holetscheks Amtszeit als Bürgermeister gleich vier Unternehmen eine Reduzierung des Fremdenverkehrsbeitrages eingeräumt. Eine dieser Firmen ist der Allgäu Skyline Park, dieser Rabatt birgt erheblichen Sprengstoff. Denn der Freizeitpark gehört der Familie der CSU-Politikerin Petra Löwenthal. Mit ihr saß Holetschek jahrelang gemeinsam im Unterallgäuer Kreistag. Hat Holetschek seiner Parteikollegin einen geldwerten Vorteil verschafft? Zulasten der Stadt Bad Wörishofen, die seit Jahren unter akuter Geldnot leidet?

Die Staatsanwaltschaft Memmingen ermittelt seit Januar wegen des Verdachts auf Untreue gegen Holetschek. Damals wurde auf Antrag der Anklagebehörde Holetscheks Immunität aufgehoben. Seitdem ist bekannt, dass das Großbad "Therme Bad Wörishofen" jahrelang nur reduzierte Fremdenverkehrsbeiträge gezahlt hatte, solange Holetschek Bürgermeister war. Dabei könnte nach einer Hochrechnung der Stadt ein Schaden in Höhe von 696 012 Euro (plus Zinsen) entstanden sein. Und jetzt kommen also noch drei Unternehmen dazu. Wie hoch der zusätzliche Schaden ist, weiß noch niemand. Bad Wörishofens Bürgermeister Paul Gruschka (Freie Wähler) äußerte sich mit Berufung auf das Steuergeheimnis nicht. Die Staatsanwaltschaft bestätigt lediglich, dass sie die Rechtslage prüft und dabei auf verwaltungsrechtliche Gutachten wartet.

Die Unternehmen legten Widerspruch gegen die Nachforderungsbescheide ein

Die Stadt hat bereits Nachforderungsbescheide an die vier Unternehmen verschickt. Bezahlt wurden sie von Therme und Skyline Park bislang nicht. Stattdessen legten beide Widerspruch ein. Diese Widersprüche wurden vom Stadtrat in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt. Am Ende muss wohl das Landratsamt Unterallgäu entscheiden, ob die Nachforderungen der Stadt berechtigt sind oder nicht.

Klaus Holetschek bestätigt, dass der Fremdenverkehrsbeitrag für den Skyline Park während seiner Amtszeit reduziert wurde. Er betont jedoch, dass dieser Vorgang in keiner Weise verwerflich sei: "Die Parteizugehörigkeit spielt bei der Festlegung des Fremdenverkehrsbeitrags keine Rolle." Zudem sei er "überzeugt", dass die Anpassung "im Rahmen der Satzung und des geltendes Rechts erfolgt ist". Als im Januar die Kritik am niedrigen Fremdenverkehrsbeitrag der Therme aufkam, erklärte Holetschek, er habe "stets nur zum Wohle der Stadt gehandelt".

Die Rechtsaufsichtsbehörde empfiehlt noch nicht verjährte Beträge nachzufordern

Sein Nachfolger als Bürgermeister, Paul Gruschka, sieht das offenbar etwas anders. Der Freie Wähler-Mann betont, die Rechtsaufsichtsbehörde habe ihm "dringend" empfohlen, alle "noch nicht verjährten Beträge nachzufordern". Dies habe er getan, weil er "dem Wohle der Stadt verpflichtet" sei. Dazu gehöre auch, "Vermögensschaden abzuwenden".

Und mit den Finanzen der Stadt sieht es alles andere als gut aus. Unter ihrem Logo steht zwar der Slogan "Kneipp und Thermal im Allgäu". Doch die Zeiten, als der Kurort von Gästen schier überlaufen war, sind seit langem vorbei. Die Stadt hat 14 Millionen Euro Schulden, dazu kommen weitere zehn Millionen Miese bei den Stadtwerken. In den vergangenen Jahren hat das Landratsamt Unterallgäu die Stadtoberen immer wieder aufgefordert, den Haushalt in Ordnung zu bringen. Erst im Mai 2014 hatte die Aufsichtsbehörde in einem Brief gemahnt: "Der Stadt muss wiederholt nahegelegt werden, die Einnahmemöglichkeiten konsequent auszuschöpfen." In dem Schreiben wird betont, dass "die Kreditverpflichtungen gerade noch mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Stadt im Einklang gesehen werden können". Obendrein stellt das Landratsamt fest, dass die Steuerkraft "weit unter" und der Schuldenstand "ganz erheblich" über dem Landesdurchschnitt liegen.

Die Hinweise klingen eindeutig

Trotz allem war der Ehrgeiz der Stadt, die Gebühren oder Fremdenverkehrsbeiträge zu erhöhen, eher gering. Daraus zog die Rechtsaufsichtsbehörde folgenden Schluss: "Es wird daher wiederholt auf die Notwendigkeit und Verpflichtung zur Erhebung kostendeckender Gebühren (. . .) hingewiesen." Diese Hinweise klingen eindeutig. Dennoch hat sich Holetschek - zumindest beim Fremdenverkehrsbeitrag - jahrelang offenbar überaus großzügig gegeben. Dass davon auch Parteifreunde profitierten, macht die Sache noch brisanter.

Petra Löwenthal hat den Skyline Park mit ihrem Ehemann Joachim im Jahr 1999 gegründet und zu einem der bekanntesten Freizeitparks Süddeutschlands ausgebaut. Auf dem Papier läuft das "Einzelunternehmen" auf Joachim Löwenthal. Doch in der Öffentlichkeit tritt meist sie als Repräsentantin auf. So etwa im November, als sie vom Allgäuer Wirtschafts-Staatssekretär Franz Pschierer (CSU) die "Staatsmedaille für besondere Verdienste um die bayerische Wirtschaft" erhielt. 2012 überreichte Holetschek seiner Parteikollegin und Duz-Freundin den "Wirtschaftspreis der Stadt". Die Löwenthals gaben am Freitag keine Stellungnahme ab, sie verwiesen auf ihren Steuerberater Manfred Baldauf. Dieser berichtet, der Skyline Park habe Widerspruch gegen die Nachforderung der Stadt eingelegt. "Wir sehen hier keine Rechtsgrundlage", sagt Baldauf.

Liegt hier ein Fall dreister Klüngelei vor? Oder ist die Senkung des Fremdenverkehrsbeitrags ein ganz normaler Verwaltungsvorgang? Tatsächlich ist die Erhebung der Fremdenverkehrsbeiträge eine komplexe Materie. Für jede Firma wird mit einem sogenannten "Vorteilssatz" festgelegt, wie sehr sie von den touristischen Aktivitäten einer Kommune profitiert. Exakt um diese Frage dreht sich die Affäre in Bad Wörishofen: Was haben der Skyline Park und die Therme davon, dass die Stadt Kneipp-Kurort ist und als solcher Werbung betreibt? Profitiert am Ende sogar die Stadt mehr von der Präsenz der Unternehmen, weil diese zusätzliche Besucher in die City locken? Ist ein gewisses Entgegenkommen des Rathauses für wichtige Arbeitgeber sogar nötig, um den Wirtschaftsstandort nicht zu gefährden? Fakt ist, dass die Festsetzung der Vorteilssätze nicht-öffentlich in den Amtsstuben passiert - ohne dass der Stadtrat oder gar die Bürger mitreden dürfen. Ob dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist, muss die Staatsanwaltschaft klären.

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SZ vom 25.04.2015/lime
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