An den Räumen würde es nicht scheitern, denn die Gemeinde Bad Wiessee am Westufer des Tegernsees hat sich für die Kinderbetreuung gerade ein nagelneues Gebäude neben ihre Schule stellen lassen. Nach der Sommerpause soll es in Betrieb gehen. Man werde dann 100 Plätze im Kindergarten bieten können, 120 Prozent des gegenwärtigen Bedarfs, heißt es auf der Gemeindehomepage.
Zwei andere Einträge sind aber viel prominenter platziert: „Stellenausschreibung Kindertageseinrichtungen“ und „Stellenangebote Hort Bad Wiessee“ steht gleich auf der Startseite. Denn seit die Gemeinde im Frühjahr überraschend angekündigt hat, sich von der evangelischen Kirche im Tegernseer Tal als Betreiberin zu trennen, zeichnet sich ein massiver Personalmangel ab. Für 75 von zuletzt 100 Hortkindern gibt es nach derzeitigem Stand bald gar keine Betreuung mehr. An diesem Donnerstag wollen die Eltern demonstrieren.
Sie fordern, dass im September alle Kinder ihren Hortplatz bekommen sollen – und wenn der neue Betreiber das nicht schaffen sollte, dann eine Rückkehr zum alten. Doch die Lage ist kompliziert und verfahren. Im Neubau sollen Krippen- und Kindergartenkinder künftig unter einem Dach betreut werden, und zwar alle zusammen unter der Regie der katholischen Kirche. Die evangelische Kirchengemeinde hatte bis dahin die Krippe und den Hort für die Grundschulkinder verantwortet, sah sich aber nun in beiden nicht mehr erwünscht. Das entsprechende Personal weiß sie anderswo einzusetzen, denn sie unterhält in ihrem talweiten Verbund noch etliche weitere Einrichtungen rund um den Tegernsee.
Die Gemeinde hat den Hort stattdessen der Diakonie Rosenheim überantwortet, einem ebenfalls evangelisch geprägten, aber auswärtigen Träger, der nun mangels Personals vorerst nur ein Viertel der Plätze anbieten kann. Alle Abwerbeversuche stießen bei den bisherigen Erzieherinnen auf mehr oder weniger empörte Ablehnung. Eine zweite Hortgruppe könnte im Herbst eröffnet werden, eine dritte im Frühjahr, hieß es bei einer Informationsveranstaltung der Gemeinde vor einigen Tagen. Bei der schlugen die Wellen hoch. Die überraschten Eltern stehen plötzlich unter Druck, denn auch am wohlstandssatten Tegernsee müssen die allermeisten Eltern arbeiten – und bei normalen Einkommen auch beide, um sich speziell das Wohnen dort leisten zu können. Auch für Erzieherinnen und Erzieher, ohnehin landesweit gesucht, ist das Leben am Tegernsee alles andere als günstig.
Die vage Aussicht auf wieder etwas mehr Hortplätze in ein paar Monaten ist den Eltern viel zu unsicher, weshalb sie inzwischen Unterstützung bei der Staatsregierung und bei Landrat Olaf von Löwis (CSU) in Miesbach suchen. Der ist zwar nicht zuständig, bietet sich aber als Vermittler an. Zugleich äußert er sich irritiert, dass Streitereien zwischen einzelnen Personen und Institutionen auf dem Rücken der Eltern ausgetragen würden. Ob sich aber Bürgermeister Robert Kühn (SPD) und der evangelische Pfarrer Martin Weber je wieder einig werden können, ist offen.