Sanierung eines Unikums in Bad KohlgrubDie neue alte Hörnlebahn

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Seit mehr 70 Jahren fährt die Hörnlebahn von Bad Kohlgrub aus ihre Passagiere auf den Berg. Nun wird sie überholt, damit der Betrieb noch viele Jahre weitergehen kann.
Seit mehr 70 Jahren fährt die Hörnlebahn von Bad Kohlgrub aus ihre Passagiere auf den Berg. Nun wird sie überholt, damit der Betrieb noch viele Jahre weitergehen kann. (Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)

Wenn in Bayern eine Bergbahn modernisiert wird, mündet das meist in eine touristische Aufrüstung. Anders in Bad Kohlgrub. Dort sanieren sie jetzt ihre 71 Jahre alte Sesselbahn auf das Hörnle.

Von Christian Sebald

Die Hörnle-Seilbahn, die von Bad Kohlgrub aus auf das Hörnle hinaufführt, ist ein technisches Unikum. Das hat weniger mit den gut 70 Jahren zu tun, die der Sessellift inzwischen alt ist.  Sondern in allererster Linie mit den hundert himmelblauen, ein wenig angegrauten hölzernen Doppelsitzen der Bahn. Das sind sogenannte Schwenksitze. Mit ihnen hat es eine ganz besondere Bewandtnis. Für gewöhnlich müssen Sessellift-Passagiere nach dem Aussteigen schnell seitlich wegtreten. Sonst schlägt ihnen nämlich der Sitz gegen das Hinterteil. Denn bei gewöhnlichen Sesselbahnen fahren die Sitze auch während des Aussteigens langsam weiter.

Bei der Hörnlebahn und ihren Schwenksitzen ist das anders. Da müssen die Passagiere nach dem Aussteigen erst einmal stehen bleiben. Denn dann klappen die Sitze auseinander. Ein jeder dreht sich 90 Grad zur Seite und fährt um den jeweiligen Passagier herum. Danach schließen sich die Sitze wieder. Erst jetzt können die Passagiere zum Ausgang gehen. Mit ihren Doppel-Schwenksitzen ist die Hörnlebahn eine der kuriosesten Bergbahnen weltweit. „Insgesamt sind nur vier Sessellifte mit dieser Technik gebaut worden“, sagt Martin Niklas. „Aber nur unserer hier fährt noch.“ Niklas ist Elektromeister und Gemeinderat in Bad Kohlgrub. Er kennt die Hörnlebahn wie nur wenige andere Einheimische.

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So wie es aussieht, wird die Hörnle-Schwebebahn noch viele Jahre auf den Berg hinauf und wieder hinunter fahren können.  Nach einem jahrelangen, zähen Ringen haben die Seilbahnaufsicht und andere Behörden endlich ihr Ok gegeben, dass der Sessellift mit dem Baujahr 1954 hergerichtet werden und dann wie gehabt weiterlaufen darf.  Einzig die Bergstation wird abgerissen und neu gebaut. Der Holzbau ist so in die Jahre gekommen, dass er nicht mehr saniert werden kann. „Aber auch die neue Bergstation wird ein schlichter Bau mit viel Holz und kaum größer wie die alte“, sagt Niklas.

Das Projekt ist einzigartig. Das sagt Thomas Frey. Er ist beim Bund Naturschutz Regionalreferent für das Allgäu und schlägt sich in dieser Funktion mit allen möglichen Aus- und Neubauten, aber auch Modernisierungen am Berg herum. „Wenn man sich die bayerischen Seilbahn-Projekte der letzten Jahre ansieht, dann haben sie immer ein, oft sogar zwei Merkmale, die aus unserer Sicht der Bergwelt und der Natur dort großen Schaden zufügen“, sagt Frey. „Das erste ist eine meist gewaltige Steigerung der Kapazität an Passagieren, die sie auf den Berg transportieren. Das andere ist, dass sie nach wie vor mit Hilfe von Kunstschnee den Wintersport möglich machen wollen, auch wenn das die Klimakrise schon lange nicht mehr hergibt.“ In den Chiemgauer Alpen, an der Kampenwand, kämpft der Bund Naturschutz gerade gegen die Modernisierung der alten Kabinenbahn dort.

In Bad Kohlgrub wollten sie so eine Aufrüstung ihres Hausbergs ausdrücklich nicht. Im Gegenteil: Dort haben sie sich vor sechs Jahren sehr bewusst gegen eine neue Bergbahn entschieden. Und zwar obwohl eine Machbarkeitsstudie bereits vorlag. Anstelle des alten Sessellifts sah sie eine Zehner-Kabinenbahn vor, an der neuen Talstation Parkdecks für 700 Autos, oben am Berg ein Panoramarestaurant mit Abenteuerspielplatz. Dazu zusätzliche Wanderwege und für den Winter eine zweite, beschneite Rodelbahn, auf der man im Sommer mit Mountaincarts - einer Art bergtaugliche Dreiräder - hätte hinabsausen können. Mehr als 20 Millionen Euro hätte das Ganze kosten sollen, gut ein Drittel davon hätte der Freistaat finanzieren sollen.

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Das war den Bad Kohlgrubern zu viel. Die ersten, die gegen die neue Hörnlebahn Front machten, waren die Almbauern. Sie erklärten mit großer Mehrheit, dass sie nicht noch mehr Rummel auf dem Bad Kohlgruber Hausberg haben wollen, und lehnten die neue Kabinenbahn kategorisch ab. Aber auch anderen Einheimischen war das Projekt suspekt. Ihr Sprecher war Martin Niklas, der bereits damals im Gemeinderat saß und sich um die Ortsentwicklung kümmerte. Niklas selbst tat es leid um den alten, gemütlichen Sessellift. „Er gehört zu Bad Kohlgrub wie unser Hörnle“, sagte er damals. „Ich tät's schad finden, wenn man ihn einfach wegreißt.“ Wie auch immer, 2019 stoppte der Gemeinderat die Neubaupläne und setzte seither alles daran, die Sanierung des alten Sessellifts möglich zu machen.

Das Hörnle ist seit jeher ein viel besuchter Berg. Der Grund sind seine drei knapp 1500 Meter hohen Grasgipfel - das Vordere, das Mittlere und das Hintere Hörnle. Von ihnen hat man eine weite Aussicht: nach Süden über die Ammergauer Berge in Richtung Wetterstein samt Zugspitze, nach Norden zum Ammersee und zum Starnberger See und an Föhntagen sogar bis München. Vorne am „Zeitberg“ steht die Hörnlehütte der Alpenvereinssektion Starnberg. Zu ihr geht man von Bad Kohlgrub aus in einer guten Stunde hinauf. Mit der Hörnlebahn ist man in 20 Minuten oben. Oben auf den drei Gipfeln sind selbst bei richtig schlechtem Wetter immer Wanderer anzutreffen. Und im Winter ist das kleine Skigebiet bei Anfängern und Familien sehr beliebt - vorausgesetzt es liegt ausreichend Naturschnee. Denn am Hörnle wird nicht beschneit.

Bis zum Entschluss für die alte Bahn war es allerdings ein weiter Weg. Zumal die Seilbahnaufsicht, die Gewerbeaufsicht, die Berufsgenossenschaft und alle möglichen anderen Stellen bei dem Projekt mitsprachen. „Außerdem kam die Corona-Pandemie dazwischen“, wie Franz Degele sagt, „da lag vieles komplett auf Eis.“ Degele ist Bürgermeister von Bad Kohlgrub, die Hörnlebahn ist fast zu hundert Prozent im Besitz der Gemeinde. Von daher war Degele immer eng mit dem Projekt befasst und ist es natürlich nach wie vor.

Nun ist es endlich so weit. Dieses Frühjahr beginnt die Sanierung der Hörnlebahn mit den Elektroarbeiten. Später im Jahr wird dann ein kleiner Neubau bei der Talstation errichtet - mit Räumen für die Werkstatt, einem Lager und anderem mehr. Auch die Talstation selbst wird umgebaut. Die meisten Gewerke - inklusive dem Neubau der Bergstation - sollen dann ab Februar 2026 laufen. Für sie muss die Bahn einige Zeit komplett stillgelegt werden. Natürlich werden auch die einmaligen Doppel-Schwenksitze hergerichtet, dass sie wieder blitzen wie neu. Ebenso wird die gesamte Technik erneuert. Überflüssig zu betonen, dass die Sanierung mit etwa 2,5 Millionen Euro gerade mal einen Bruchteil der vormals debattierten Kabinenbahn kostet. Die Wiedereröffnung der neuen alten Hörnlebahn ist dann im Juli 2026 geplant.

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