Erst ist ein Schacht zu sehen, aus dem ein Rohr herausführt. Die Leitung führt zu einer Pumpe. Der Motor arbeitet laut, dann folgt die Kamera einem weiteren Schlauch, rot diesmal. Es folgt eine Luftaufnahme von einer Wiese, auf die vom Hof her ein dicker weißer Schlauch führt: Eine Flüssigkeit wird auf das grüne Gras geleitet, die Wiese ist teils geflutet.
Der Hof der Familie E. in Bad Grönenbach steht seit gut einer Woche erneut im Fokus der Ermittlungsbehörden, wie zuletzt im Jahr 2019: Aufnahmen eines verdeckten Ermittlers der Soko Tierschutz, der sich als Arbeiter eingeschleust hat, zeigen mutmaßliche Misshandlungen von Tieren. Polizei, Staatsanwaltschaft und Behörden haben den Hof durchsucht, der Anwalt des Betriebs weist die Vorwürfe zurück.

Schockierende Aufnahmen aus Milchviehbetrieb:„Rohe Gewalt gegenüber hilflosen Tieren“
Ein Tierschutzaktivist filmt mit versteckter Kamera, wie Arbeiter Kälbern und Kühen gegen den Kopf treten und sie schlagen, bis der Stock bricht – ausgerechnet auf dem Hof, der bereits 2019 im Fokus des Allgäuer Tierschutzskandals stand. Experten sprechen von „krassen Bildern“.
Der eingeschleuste Tierschutzaktivist will aber auch Umweltvergehen dokumentiert haben: In der Strafanzeige der Soko Tierschutz ist von hoch konzentriertem Silagesaft die Rede, die der Hof in eine Wiese auf der Rückseite der Hofstelle pumpe. Der Anwalt des Betriebs reagiert auf eine Anfrage dazu nicht. Auch hierzu aber ermittelt die Polizei: Silagesickersäfte sind ein landwirtschaftliches Abfallprodukt und können unter anderem das Grundwasser erheblich beeinträchtigen. Sie dürfen deshalb nur unter strengen Auflagen ausgebracht werden.
Gras- oder Maissilage ist über Milchsäuregärung haltbar gemachtes Tierfutter. Sie wird auch, so heißt es in einer Information der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), in landwirtschaftlichen Biogasanlagen als Substrat zur Energieerzeugung verwendet. In der Silage sind unter anderem Milch-, Essig- und Buttersäure enthalten. Tritt Flüssigkeit aus der Silage als sogenannter Sickersaft aus, können sich diese im Prinzip ungefährlichen Säuren anreichern. Wenn Silagesäfte unsachgemäß oder in zu hohen Mengen in den Boden gelangen, können sie laut LfL sowohl im Boden selbst als auch im Grundwasser Schäden anrichten.

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Das Wasserwirtschaftsamt Kempten ergänzt, dass Silagesickersäfte zu einer Überdüngung der Böden führen können, indem sie die Nährstoffgehalte erhöhen. Nährstoffe und Schadstoffe könnten dann nicht mehr oder nur stark verringert im Boden abgebaut werden. Dies könne die Nitratwerte im Grundwasser verschlechtern und die Verkeimung fördern. Am Ende könnten die Verunreinigungen auch die Trinkwasserqualität gefährden.
„Große Mengen der giftigen Substanz“
Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz wirft dem Betrieb der Familie E. in Bad Grönenbach vor, „nach wie vor im großen Stil“ Silagesaft auf eine nahe gelegene Wiese zu pumpen. Der Aktivist hatte die Vorwürfe bereits im Jahr 2019 erhoben. Dazu würden nach Erkenntnissen des eingeschleusten Arbeiters „extra Rohrleitungen verlegt“, der Pumpvorgang habe mithilfe schwerer Technik über mehrere Tage angedauert. „Am Ende war die Wiese auf der Rückseite großflächig geflutet.“ Der Betrieb, kritisiert Mülln, nutze „nicht versickerungssichere, einfache, ausgebaggerte Rückhaltebecken“, womit bereits ohne Rohre und Pumpen „große Mengen der giftigen Substanz in die Umwelt“ gelangten.
Das Landratsamt Unterallgäu als zuständige Kontrollbehörde teilt mit, bislang nicht über eine Strafanzeige informiert zu sein. Das zuständige Wasserwirtschaftsamt Kempten hingegen antwortet auf Fragen der SZ, dass es die Ermittlungen unterstütze und von der Polizei zur Ortseinsicht hinzugezogen worden sei. Die öffentliche Trinkwasserversorgung in Bad Grönenbach, das betont das Wasserwirtschaftsamt, sei aktuell nicht beeinträchtigt.
Landwirtschaftliche Betriebe werden in der Regel stichprobenartig oder nach Anzeigen kontrolliert, ob Silagesäfte unsachgemäß austreten. Generell, schreiben das LfL und das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, seien Sickersäfte von Betrieben aufzufangen und zu lagern, etwa in geeigneten, dichten Gruben. Die Lagerung ist in der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen festgeschrieben. Wenn Landwirte die Substanz auf Felder und Wiesen ausbringen, müssen sie Obergrenzen einhalten. Verstöße gelten als Ordnungswidrigkeit und können mit Bußgeldern sowie förderrechtlichen Sanktionen geahndet werden.
Unter Experten heißt es, in den vergangenen 20 Jahren sei die Sensibilität der Bauern für den sorgsamen Umgang mit Silagesäften deutlich angewachsen. Im Vergleich zu früher komme es sehr viel seltener zu Versäumnissen. Zugleich wird in dem Zusammenhang aber immer auf einen besonders prominenten Fall verwiesen. Der Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner, akzeptierte 2018 einen Strafbefehl wegen Boden- und Gewässerverunreinigung. Der Grund für den Strafbefehl: Von der Hofstelle Felßners, der in der Region Nürnberg Rinder hält, waren über einen längeren Zeitraum durch ein Rohr Silagesäfte auf ein Nachbargrundstück geflossen und dort versickert.