Der Bartlhof ist schon mehr als 350 Jahre alt, ein breiter Blockbau mit winzigen Fenstern und einer kunstvoll zu einem sternförmigen Muster gefügten Haustür. Das Holz ist über die Jahrhunderte ganz dunkel geworden. Hier in Amerang steht der Bartlhof aber noch keine 50 Jahre, und der Wirtschaftstrakt, der ihm in den Siebzigern angestückelt wurde, war keineswegs original, sondern eher ausgedacht, als idealtypisch für die Einfirsthöfe aus dem Südosten Bayerns. Jetzt hat der Bartlhof wieder einen neuen Wirtschaftstrakt bekommen, sein Holz ist noch ganz hell. Der erneuerte Tennendurchgang führt hinüber zu einem Gebäude, das erkennbar komplett aus dem 21. Jahrhundert stammt. Dabei ist es ganz ohne Beton und Zement gebaut, sondern aus Holz und mit einem Boden aus gestampftem Lehm. Für das Freilichtmuseum Amerang ist das neue Ausstellungsgebäude selbst ein Exponat.
„Freilichtmuseum“ heißt das ganze, gerade einmal vier Hektar umfassende Gelände auch erst seit Anfang des Jahres. Davor hatte der Bezirk Oberbayern es als „Bauernhausmuseum“ betrieben, zu welchem die allermeisten Schilder rundherum immer noch weisen. Auch der neue Name soll helfen, wieder mehr Besucher hierherzulocken in den zumindest für oberbayerische Verhältnisse etwas abgelegenen nördlichen Landkreis Rosenheim.

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Ungefähr 26 000 Besucher seien zuletzt pro Jahr hierhergekommen, sagt Museumsleiterin Claudia Richartz. Vor der Corona-Pandemie waren es demnach noch mehr als 30 000. Im zehnmal so großen, viel bekannteren und außerdem verkehrsgünstig an der A 95 gelegenen Freilichtmuseum an der Glentleiten waren in der gleichen Zeit rund 140 000 Besucher.
Das Ameranger Museum ist in den 1970er-Jahren auf Initiative des Wasserburger Heimatpflegers Theodor Heck entstanden. Ein rühriger Verein ließ mit großem, ehrenamtlichem Engagement und öffentlicher Unterstützung von verschiedenen Seiten eine Handvoll Bauernhäuser aus dem östlichen Oberbayern nach Amerang transferieren, während der Bezirk parallel dazu seine Glentleiten aufbaute. 1982 sprang er dann doch auch in Amerang als finanzkräftiger Träger ein. Jetzt hat er der Außenstelle das lange ersehnte Ausstellungsgebäude verschafft.
Entworfen hat es der vielfach preisgekrönte oberbayerische Architekt Florian Nagler, der für den Bezirk 2018 schon das neue Eingangsgebäude an der Glentleiten gestaltet und dafür hochrangige Auszeichnungen erhalten hatte. Nagler fühlt sich als Architekt und Hochschullehrer dem „einfachen Bauen“ verpflichtet, das unter anderem ohne überbordende, oft schnell veraltende und in aller Regel kostentreibende Haustechnik auskommt. Stattdessen besinnt sich Nagler oft auf eine Gestaltung und Bautradition, sie sich über lange Zeit an die lokalen Erfordernisse angepasst hat – und die auch in Freilichtmuseen wie dem in Amerang zu studieren ist. Bei dem Neubau hier liege der Anteil der Haustechnik an den Kosten nicht bei den üblichen 25 oder gar 50 Prozent, sondern nur bei zehn Prozent sagt Nagler – obwohl ein Ausstellungsgebäude besondere Anforderungen an das Raumklima stellt.

Eine Klimatisierung im technischen Sinn gibt es in dem Gebäude aber nicht. Das erledigen die Fußbodenheizung und ansonsten das Holz der Wände und der gestampfte und geglättete Lehmboden. Sollten einzelne Ausstellungsstücke mehr erfordern, wird es individuelle Lösungen geben. Nach Angaben von Christoph Schreyer, der beim Bezirk fürs Bauen verantwortlich ist, hat eine Jury Naglers Entwurf aus den Beiträgen von insgesamt fünf eingeladenen Büros ausgewählt – wegen der Gestaltung und der Platzierung auf dem Gelände. Aber auch, weil Naglers Planung nahezu perfekt zu den Richtlinien für ökologisches Bauen passe, die sich der Bezirk in Anlehnung an ein entsprechendes Papier der Erzdiözese München und Freising selbst gegeben hat.
Zur Erleichterung Schreyers und wohl auch zur Freude der Bezirksräte hat sich das Haus sogar im Kostenrahmen von knapp vier Millionen Euro gehalten. Es wurde in kurzer Zeit aus Holzelementen zusammengesetzt, die im Sägewerk vorgefertigt worden waren. In Amerang steht es praktisch in der Luft. 110 große Erdschrauben halten als Schraubfundament den Boden des Gebäudes einige Zentimeter über dem weichen und damit schwierigen Untergrund.

Das lang gestreckte Haus gibt sich inmitten der 17 historischen Gebäude auf dem Ameranger Gelände als heutig zu erkennen, auch durch die großflächige Photovoltaikanlage auf dem durchaus geschichtskompatiblen Firstdach aus Blech. Für Museumsleiterin Richartz ist es aber vor allem aus anderen Gründen „ein riesengroßer Schritt in die Zukunft“: Seit der alte Ausstellungsraum von zehn Jahren aus statischen Gründe geschlossen wurde, haben sie und ihr kleines Museumsteam immer improvisieren müssen und nur kleine Ausstellungen in verschiedenen, oft kaum dafür geeigneten Räumen in den alten Bauernhäusern zeigen können.
Nach der Eröffnung mit Ehrengästen an diesem Mittwoch wird das neue Gebäude zunächst für sich selbst stehen. Die erste Sonderausstellung wird von 18. Juli bis 14. September „Zeitlang – unterwegs im unbekannten Bayern“ sein, mit Fotos und Texten der beiden SZ-Journalisten Sebastian Beck und Hans Kratzer.