Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Oberschönenfeld:Stille Macht, heilige Macht

Weihnachten in der politischen Propaganda: Eine Ausstellung im Volkskundemuseum Oberschönenfeld bei Augsburg zeigt, wie das Fest von 1870 an politisch instrumentalisiert wurde.

Weihnachten in der politischen Propaganda: Eine Ausstellung im Volkskundemuseum Oberschönenfeld bei Augsburg zeigt, wie das Fest in verschiedenen Epochen politisch instrumentalisiert wurde. Das Eiserne Kreuz und andere Kriegssymbole als Christbaumschmuck im Ersten Weltkrieg: Als sich Judith und Rita Breuer auf die Suche nach weihnachtlichen Schmuck aus vergangener Zeit machten, stießen sie auf Erstaunliches. Aus der privaten Sammlung entwickelte sich schließlich eine Ausstellung, die aufklären soll, wie das Weihnachtsfest in verschiedenen Epochen für politische Propaganda missbraucht wurde. Sie ist zurzeit im Volkskundemuseum in Oberschönenfeld bei Augsburg zu sehen.

Doch es ging nicht nur um politische Propaganda: Postkarten wie diese, auf der ein Bursche in feldgrauer Uniform eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge schwenkt, sollten die Bevölkerung zu Hause animieren, für die Soldaten in den Gräben zu spenden. Der Titel dieser Karte: "Herzinniger Weihnachtsgruß".

Mit solchen Plakaten sammelte das Kriegsfürsorgeamt des Roten Kreuzes für die Soldaten an der Front: "Denkt an unsere braven Feldgrauen" steht über dem Bild eines pausbäckigen Soldaten mit Pickelhaube.

Frohes Fest mit Lenin: Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde das christliche Weihnachten in Russland abgeschafft. Zentraler Festtag wurde Neujahr, der Neujahrsbaum ersetzte den Christbaum und "Väterchen Frost" den Nikolaus. Bei dieser Zeichnung handelt es sich um eine Abbildung zu einer Weihnachtsgeschichte mit Lenin, erschienen in "Bummi", Heft 24/ 1969 aus der Sammlung Weihnachten von Rita Breuer.

Einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet die Vereinnahmung des Weihnachtsfests durch die Nationalsozialisten: Diese Postkarte stammt aus dem Jahr 1942. Sie ist der Serie "Soldatenblätter für Feier und Freizeit" entnommen - herausgegeben vom Oberkommando der Wehrmacht.

Die völkische Note sollte im Dritten Reich auch zu Weihnachten betont werden: Christbaumkugeln und anderen Weihnachtsschmuck statteten die Nationalsozialisten mit NS-Symbolik aus. Diese Kerze hier brennt auf einem Hakenkreuz. Die Zeichnung stammt aus dem Kalender "Vorweihnachten" aus dem Jahr 1942, herausgegeben vom Hauptkulturamt der Reichspropagandaleitung der NSDAP.

Überhaupt versuchten die Nationalsozialisten das christliche Weihnachtsfest auf germanisches Brauchtum zurückzuführen. Anstelle des Christbaums propagierten sie die Jultanne. Der Julleuchter sollte die Wintersonnenwende am 21. Dezember einleuchten. Die Feier zur Geburt eines Juden als Heilsbringer passte schließlich schlecht in das Bild der nationalsozialistischen Ideologie. Der abgebildete Julleuchter ist jenem nachempfunden, den der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, in der Zeit zwischen 1935 und 1945 zu Weihnachten für SS-Angehörige in den KZ-Außenstellen Allach und Neuengamme fertigen ließ.

"Hohe Nacht der klaren Sterne" sollte im Dritten Reich "Stille Nacht, heilige Nacht" als Weihnachtslied ablösen. Allerdings waren die Nationalsozialisten hier wenig erfolgreich. "Stille Nacht, heilige Nacht" war bei den Deutschen einfach zu beliebt.

Das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes (WHW) veranstaltete regelmäßige Eintopfsonntage: Die Bevölkerung war aufgerufen, auf Fleisch zu verzichten. Der Eintopf am Sonntag galt als öffentliches Bekenntnis zum nationalsozialistischen Regime, die Ersparnisse gingen ans WHW.

Einen weiteren Teil der Ausstellung bildet die Weihnachtszeit im Kalten Krieg: Hier eine Anzeige vom Dezember 1954, die die Bevölkerung im Westen mobilisieren sollte, Pakete in den Osten zu schicken - die sogenannten Westpakete.

"O du fröhliche, o du selige / dollarbringende Weihnachtszeit / Geld ward geboren / Märkte erkoren / Pleite, pleite die Christenheit": Diese abgewandelte Version von O du fröhliche findet sich in dem Band "Garstige Weihnachtslieder". Die Generation der Achtundsechziger protestierte mit umgedichteten Liedern gegen den weihnachtlichen Konsumrummel.

Das Schwäbische Volkskundemuseum Oberschönenfeld nahe Augsburg: Die Ausstellung "Von wegen Heilige Nacht! - Weihnachten in der politischen Propaganda" ist hier noch bis 30. Januar 2011 zu sehen. Das Museum hat von Dienstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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