Ausstellung:Grande Dame der Kunst

Mehrmals hat Stefan Moses die Sammlerin Peggy Guggenheim in Venedig fotografiert. Nun sind die Farbbilder in Augsburg zu sehen

Von Sabine Reithmaier

Manchmal wirkt Peggy Guggenheim sehr allein, verhärmt und gezeichnet von einem intensiven Leben. Allein sitzt sie an einem blauen Klapptischchen, ein livrierter Bediensteter hat das Mittagessen serviert: Fisch, Weißwein und eine Flasche Ketchup. Oder sie döst, umgeben von ihren Hunden, in einer blauen Hollywoodschaukel, eine müde alte Frau. Das ist die eine Geschichte, die Stefan Moses' Fotografien erzählen. Die andere berichtet von einer Grande Dame, einer grandiosen Selbstdarstellerin, die sich lustvoll in Szene setzt und in großer Robe im Gartenpavillon Hof hält. Nicht Hunde leisten ihr dann Gesellschaft, sondern Gemälde von Miró, Chagall, Chirico, Brauner und Max Ernst, ihrem zweiten Ehemann. Allein ist sie trotzdem.

Von letztgültigen Wahrheiten und Sichtweisen hielt Stefan Moses nichts. Doch etwas ist in der Augsburger Ausstellung wirklich ungewöhnlich: Anders als sonst in seinen Serien hat der große Fotograf die legendäre Kunstsammlerin in Farbe, nicht in Schwarz-Weiß fotografiert. 1969 und 1974 hatte er sie im Palazzo Venier dei Leoni am Canale Grande in Venedig besucht. Einige der Aufnahmen wurden 1971 im Zeit-Magazin und 1974 im Kölner Stadtanzeiger veröffentlicht. Doch erst 2017, in den Monaten vor seinem Tod, entschied Moses, einen Bildband über die "Begegnungen mit Peggy Guggenheim" (Elisabeth Sandmann Verlag) zu publizieren. Thomas Elsen, Kunsthistoriker, Kurator und Leiter des H2-Zentrums für Gegenwartskunst im Augsburger Glaspalast, schrieb dafür einen Essay. Aus der Zusammenarbeit entwickelte sich die Idee, die größtenteils noch nie ausgestellten farbigen Serien im Glaspalast zu zeigen. Stefan Moses hat die Ausstellung zwar nicht mehr erlebt. Vermutlich aber hätte es ihm gefallen, seine Aufnahmen an den hohen Wänden im lichtdurchfluteten Glaspalast zu sehen.

Peggy Guggenheim und Moses sind sich sichtlich mit viel Sympathie und heiterer Offenheit begegnet. Huldvoll sitzt sie für ihn auf ihrem byzantinischen Thron im Garten, ganz die "letzte Dogaressa", wie sie die Venezianer nannten. Ermattet lehnt sie sich an den Fuß des Löwen vor dem Portal des Arsenale, die Handtasche neben sich auf den Boden gestellt. Oder sie liegt entspannt auf einem Sofa und lässt sich von einem Maler ein neues Gemälde vorführen. In knallroter Wollstrumpfhose und weißen Lederstiefeln gondelt sie durch die Wasserstraßen, die Augen versteckt hinter schmetterlingsflügligen Sonnenbrillen, die der amerikanische Bildhauer Edward Melcarth für sie entworfen haben soll.

Peggy Guggenheim war es gewohnt, hofiert und abgelichtet zu werden; Man Ray, Gisèle Freund, André Kertész und Berenice Abbott haben sie fotografiert. Da war sie allerdings noch deutlich jünger. Für Stefan Moses setzt sie sich vor das Porträt, das Franz von Lenbach 1903 von der kostümierten Fünfjährigen malte. Den Auftrag hatte ihr heiß geliebter Vater erteilt. Benjamin Guggenheim starb 1912 beim Untergang der Titanic im eisigen Atlantik, als Peggy 13 Jahre alt war. Volljährig erbt sie "nur" 450 000 Dollar, fühlt sich zeitlebens als die "arme" Guggenheim. Nach einem Volontariat in einer New Yorker Buchhandlung zieht sie nach Paris, erprobt rund um den Montparnasse das freie Leben, umgeben von vielen Künstlern. 1922 heiratet sie einen davon, den Dichter, Maler und Bildhauer Lawrence Vail. Acht Jahre und zwei Kinder später wird die Ehe geschieden.

1937 hat sie eine kurze, leidenschaftliche Affäre mit Samuel Beckett. Der Schriftsteller empfiehlt ihr, Kunst zu sammeln, ein Rat, den sie befolgt. Erst eher unsystematisch, doch bald entwickelt sie ein Gespür für zeitgenössische Kunst, eröffnet 1938 bereits eine Galerie in London. Aufgrund ihrer jüdischen Familie in Europa gefährdet, zieht sich Peggy Guggenheim 1941 wieder in die alte Heimat zurück.

Nach Venedig kommt sie 1948, eingeladen zur Biennale. Im griechischen Pavillon zeigt sie Picasso, Alexander Calder, Mark Rothko und Constantin Brancusi. Und beschließt zu bleiben, erwirbt den unvollendet gebliebenen Palazzo. 1969, als Moses sie zum ersten Mal fotografiert, hatte sie nach einer Ausstellung ihrer Sammlung im Salomon R. Guggenheim Museum in New York entschieden, Palazzo und Kunstsammlung der Stiftung ihres Onkels zu übereignen. Unter einer Bedingung: Die Kollektion muss in Venedig bleiben. Inzwischen zählt das Haus zu den bestbesuchtesten Museen der Lagunenstadt.

Eines der schönsten Fotos hat Stefan Moses von der anderen Seite des Canale Grande aus gemacht. Unten fährt der Wasserbus, auf dem Flachdach des Palazzos steht Peggy Guggenheim im weiten roten Kleid mit hoch erhobenen Armen. Und sofort fühlt man sich willkommen.

Stefan Moses - Peggy Guggenheim: Begegnungen, H2 - Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast Augsburg, bis 24. Februar

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