Die Studentin aus China zum Beispiel, die nach einem Semester das Fach wechselt. Weil es ein ähnliches Fach ist und ihr die Universität alle Leistungen anrechnet, meldet sie den Wechsel nicht bei der Ausländerbehörde. Als die Beamten bei der Visumverlängerung das neue Studienfach bemerken, muss die Studentin ausreisen. Innerhalb von zehn Tagen. Um in China ein neues Visum für das neue Studienfach zu beantragen. Das bekommt sie auch. Aber sie verliert ein halbes Jahr und hat Kosten in Höhe von 5000 Euro.
Oder die Studentin aus der Ukraine, die durch ihre mündliche Prüfung fällt und deswegen die Regelstudienzeit überschreitet. Beim Ausländeramt muss sie sich anhören, was ihr denn einfalle, diesen Test nicht zu bestehen. Sie solle von jetzt an besser zu Hause bleiben und sich ganz dem Lernen widmen. "Viele schlaflose Nächte und hohen Blutdruck" habe sie wegen der Behörde gehabt, sagt die Studentin.
Diese Geschichten und noch viele mehr hat Professor Bernd Müller-Jacquier gesammelt. Sie spielen in Bayreuth, wo er an der Uni Interkulturelle Germanistik lehrt. Und wo er sich in den vergangenen 20 Jahren unfreiwillig zum Experten für Ausländerrecht entwickelt hat, weil seine Studenten und Doktoranden, die in seinem Studiengang zu 90 Prozent aus dem Ausland kommen, immer wieder Probleme mit der Ausländerbehörde hatten. "Die Geduld habe ich vor zwei Jahren verloren", erzählt er, "als einer ukrainischen Studentin ihr Visum auf einen Tag vor Abgabe ihrer Magisterarbeit befristet wurde."
"Dieses destruktive Verhalten hat System"
Über Jahre hat er Briefe geschrieben, diskutiert, vermittelt. Nun untersuchte er das Verhalten deutscher Behörden gegenüber ausländischen Akademikern in einer Studie. Herausgekommen ist wenig Schmeichelhaftes für das Bayreuther Amt: "Die Problemfälle illustrieren, dass die Bayreuther Ausländerbehörde ständig Hindernisse bei der Immatrikulation, beim Studienverlauf oder bei der Beschäftigung ausländischer Akademiker aufbaut", heißt es in der Studie.
80 Betroffene wurden dafür interviewt, und außerdem untersuchte Müller-Jacquier auch das Verhalten von Behörden in 14 anderen Universitätsstädten - wo es oftmals sehr viel unkomplizierter für die Ausländer zugeht. Und so kommt Müller-Jacquier zu dem Schluss, dass die Bayreuther Behörde nicht nur problematische Einzelfälle produziert. "Es hat sich herausgestellt, dass dieses destruktive Verhalten System hat", sagt Müller-Jacquier.
Die Untersuchung arbeitet mehrere Probleme heraus, die immer wiederkehrten. So verweigerten die Beamten beispielsweise Studienfachwechsel ohne Rücksprache mit der Universität, sodass die Studenten ausreisen und ein neues Visum beantragen mussten. Oftmals würden Ausländer kriminalisiert, weil ihnen die Behörde Lügen und falsche Angaben unterstelle.
Die Verfasser der Studie halten fest, dass die Bayreuther Behördenmitarbeiter anderen Ausländerämtern die fachliche Kompetenz absprächen und ihre Klienten nur schlecht informierten. Außerdem fahre das Amt einen Zickzackkurs: Oft werde erst Zustimmung signalisiert, diese dann zurückgenommen oder nur gewährt, wenn sich etwa Mitarbeiter der Universität eingeschaltet hätten. Vor allem aber kritisiert Müller-Jacquier den Umgangston im Ausländeramt. Es würden "die Machtausübung betonende, latent aggressiv-schikanöse Kommunikationsformen" verwendet. Ein Verhalten, das dem Image der Universität und der Stadt schade.
So gaben einige der Befragten an, dass sie ihren Bekannten im Ausland kein Studium in Bayreuth empfehlen würden. Was Müller-Jacquier als verheerend einschätzt, da der Ausländeranteil an der Bayreuther Hochschule ohnehin bei nur knapp acht statt wie bundesweit bei zwölf Prozent liege.
Selbst im Ausland ist die Bayreuther Behörde verrufen, wie dem Professor aus einer deutschen Botschaft in einem osteuropäischen Land zugetragen wurde. Ein Mitarbeiter dort habe einen Bericht an das Auswärtige Amt verfasst und auf Missstände im Visumverfahren hingewiesen. "Auch die Ausländerbehörde Bayreuth habe ich namentlich in diesem Bericht erwähnt und deren Vorgehen als bedenklich für einen Studienstandort wie Bayreuth eingestuft", schreibt der Mann.
In Bayreuth ist die Problematik bekannt - auch Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, der Müller-Jacquier seine Studie persönlich überreichte. Sie habe die Untersuchung an alle involvierten Referate weitergeleitet, die nun eine Stellungnahme dazu abgeben sollen, sagt sie. Kritik an ihren Mitarbeitern übt sie freilich nicht, dennoch betont Merk-Erbe, dass "die Leute in Bayreuth Wertschätzung erfahren sollen, egal woher sie kommen".
Ein erster Schritt dahin sei die Verwaltungsvereinbarung, die vor einigen Wochen zwischen Stadt und Universität geschlossen wurde - nachdem sie jahrelang immer wieder vertagt worden war. Sie soll die Zusammenarbeit verbessern und die "Gewinnung qualifizierter Wissenschaftler für Forschung und Lehre an der Universität Bayreuth" fördern. Seitdem kommt ein Mitarbeiter des Ausländeramtes für zwei Stunden pro Wochen zur Beratung von ausländischen Studenten auf den Campus. Maßnahmen, die Müller-Jacquier positiv beurteilt - auch wenn sie anderswo selbstverständlich sind. Schließlich ist in Deutschland längst die Rede von der "Willkommenskultur".
Der Freistaat beteiligt sich am Projekt "Willkommensbehörden"
Von dieser spricht auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU), zumindest wenn es um qualifizierte Arbeitskräfte geht. Deshalb soll es in den Ausländerbehörden bald freundlicher zugehen, wie er kürzlich bei der Vorstellung der Einbürgerungszahlen sagte. Nun beteiligt sich der Freistaat am Projekt "Willkommensbehörden" des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Den bisherigen oft beklagten herablassenden Umgangston erklärte Herrmann damit, dass die Ausländerbehörden auch mit schwierigen Fällen zu tun haben, etwa der Ausweisung krimineller Ausländer.
Eine Erklärung, die Müller-Jacquier wegen der Unterscheidung von guten und bösen Ausländern ärgert. Dennoch hofft er auf eine positive Veränderung. In seiner Studie gibt er Empfehlungen ab, die von flexiblen Öffnungen über Fremdsprachenkenntnisse der Mitarbeiter bis zu einem freundlichen Umgangston reichen. Geht es nach ihm, sollte die Bayreuther Behörde ihren Ermessensspielraum, den sie dem Gesetz nach hat, zugunsten der Ausländer ausschöpfen.
Wie in Erlangen beispielsweise. Dort hat der Stadtrat im Februar beschlossen: "Die Ausländerstelle wird beauftragt, ihre ausländerrechtlichen Handlungs- und Ermessensspielräume grundsätzlich - soweit als möglich - zugunsten der Betroffenen zu nutzen und ein service- und kundenorientiertes Handeln im Alltag sicherzustellen."