Ausgrabungen:Die Ur-Fränkin schmückte sich mit Tierzähnen

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"Sensationeller Fund für die Wissenschaft": Archäologiestudenten entdecken in Mittelfranken einen 4500 Jahre alten Friedhof von Steinzeitmenschen.

O. Bilger

Sogar die Zehenknochen sind noch erhalten. Diese zerfallen bei einem Skelett besonders rasch, ebenso wie Finger und Rippen. Doch bei dem Fund, den Archäologen jetzt in der Nähe von Oberickelsheim im mittelfränkischen Landkreis Neustadt an der Aisch gemacht haben, sind diese Knochen selbst Tausende Jahre nach dem Tod der Urahnen noch immer erhalten.

Erhalten bis in die Zehen: Steinzeitmenschen, 4500 Jahre alt. (Foto: Foto: oh)

Von einem "sensationellen Fund für die Wissenschaft" spricht deshalb Martin Nadler, Dienststellenleiter des Landesamtes für Denkmalschutz in Nürnberg. Die Überreste seien dem Kulturkreis der Schnurkeramik zuzuordnen, der nach der charakteristischen Art der Verzierung von Keramikgefäßen benannt ist, erklärt Radu Stoia, der Leiter der Ausgrabung. Es sei der erste Fund dieser Kultur in Franken.

Es sind Forscher einer privaten Archäologie-Firma, die mit Studenten aus Würzburg und Berlin auf einen Friedhof aus der Jungsteinzeit gestoßen sind. Die Wissenschaftler, die im Auftrag des Landesamts für Denkmalpflege graben, untersuchten knapp zwei Hektar Boden entlang der Bundesstraße 13, die an dieser Stelle erweitert werden soll.

Weil an früheren Baustellen an dieser Straße bereits Steinwerkzeuge gefunden worden waren, hofften die Archäologen, auch hier Überreste von Steinzeitmenschen zu entdecken, bevor in knapp zwei Wochen die Bagger der Baufirma anrücken. Ihren außergewöhnlichen Fund machten die Forscher bereits vor vier Wochen, hielten ihren Erfolg aus Furcht vor Grabräubern aber zunächst geheim.

Knapp 70 Zentimeter unter der Erdoberfläche fanden die Archäologen vier Gräber und drei Skelette, die fast 4500 Jahre alt sein sollen. Die Wissenschaftler fanden außerdem Grabbeigaben, die den Verstorbenen für das nächste Leben mitgegeben wurden: Keramiktöpfe, Schmuck aus Zähnen und Knochen, Knochen- und Steinwerkzeuge und Klingen aus Feuerstein.

In dem kalkhaltigen Boden in der Region blieben Gegenstände und Knochen über die Jahrtausende gut erhalten. Von besonderem Interesse der Forscher ist ein Frauengrab: Eine Kette aus Tierzähnen wurde der Verstorbenen beigelegt, Tierzähne sind ebenfalls auf ein Kleid gestickt worden. Dies könnte zusätzliche Aufschlüsse liefern über die Bekleidung der fränkischen Vorfahren. Nadler ist optimistisch, die Kleidung von damals womöglich vollständig rekonstruieren zu können.

Die Wissenschaftler hoffen nun auf Erkenntnisse über Körpergröße, Gewicht und Sterbealter der Ur-Franken, aber auch über ihre Ernährung oder Krankheiten. Das alles lasse sich anhand der mineralischen Struktur der Knochen erforschen, erklärte Denkmalschutz-Experte Nadler.

Grabungsleiter Stoia erwartet sich Informationen über die Ausstattung der Gräber. Die gut erhaltenen Gefäße könnten komplett restauriert werden. "So wird nachvollziehbar, mit welchem Aufwand die Menschen damals bestattet wurden", sagt er. Die Gräber sollen nun in einer Außenstelle des Denkmalpflegeamtes in Bamberg genauer untersucht werden. Zwei Wochen dauere eine Freilegung vor Ort, sagte Stoia. Das Frauengrab soll samt Erdreich geborgen und anschließend im Labor freigelegt werden.

© SZ vom 01.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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