Süddeutsche Zeitung

Augsburg:Preiserhöhung bringt Ärger

In Augsburg wird der öffentliche Nahverkehr um 4,9 Prozent teurer. CSU und Grüne verteidigen die Tarifanpassung, für die SPD ist sie "zu dieser Zeit absolut absurd", Fahrgäste beschweren sich. Die Stadtregierung verweist darauf, dass der Anstieg schon lange beschlossen ist

Von Florian Fuchs, Augsburg

In Augsburg, so teilen es die zuständigen Stadtwerke mit, sind wegen der Corona-Krise derzeit nur 40 bis 45 Prozent der sonst üblichen Anzahl an Fahrgästen in Bussen und Trambahnen unterwegs. Es gibt auch keinen regulären Fünf-Minuten-Takt, sondern nur einen abgespeckten 7,5-Minuten-Takt, mit Verstärkern zu Stoßzeiten. Was es allerdings von Mittwoch an geben wird: eine saftige Preiserhöhung um im Schnitt 4,9 Prozent für die Tickets im Nahverkehr. In der Stadt schwelt nun Ärger: Fahrgäste beschweren sich massiv, die übrigen Fraktionen greifen die neue Regierung aus CSU und Grünen scharf an - und die nimmt nun den Freistaat in die Pflicht.

Gerade für die Augsburger Grünen kommt die Tariferhöhung zur Unzeit, sind sie doch angetreten, um die Leute raus aus dem Auto und rauf aufs Fahrrad sowie rein in den Nahverkehr zu bekommen. CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber warb ebenfalls mit neuen Mobilitätskonzepten. Und nun müssen sie alle zusammen diese Tariferhöhung vertreten, die so hoch ausfällt wie lange nicht mehr. Der Preisanstieg ist schon lange beschlossen, eigentlich hätte er bereits zum 1. Januar 2020 erfolgen sollen. Mit Corona und den damit verbundenen Ausfällen von Ticketerlösen hat er also nichts zu tun. Anfang des Jahres allerdings wurde die Erhöhung verschoben: Die Stadt führte gerade die kostenlose Cityzone ein, einige Haltestellen im Zentrum dürfen seither kostenlos befahren werden. Den bundesweit viel beachteten Versuch sollten teurere Preise für die Tickets nicht stören. Zudem stand die Wahl an.

Die nicht an der Regierung beteiligten Fraktionen im Rathaus fragen nun allerdings, warum die Tariferhöhung nicht einfach noch einmal geschoben werden kann. Wenn Corona kein Grund für einen Aufschub sei, schimpft etwa Florian Freund als Vorsitzender der Fraktion SPD/Linke, was dann? "Dieser Preisanstieg zu dieser Zeit ist absolut absurd." Die Stadtregierung kalkuliere nicht ein, dass es noch Hilfen vom Bund für die Corona-Ausfälle geben werde und dass die Dieselpreise erheblich gesunken seien. Selbst wenn die Spritpreise in dieser Preisrunde noch nicht einberechnet werden könnten, müsse man dies doch vorausschauend berücksichtigen. Es müsse nun darum gehen, das Vertrauen der Passagiere wieder zu gewinnen, kritisiert auch der örtliche Ableger des Verkehrsclubs Deutschland in einer Stellungnahme. Die angestrebten Fahrpreiserhöhungen seien "ein fatales Signal" und müssten sofort zurückgenommen werden.

Damit allerdings wird es nichts. Die Stadtregierung verteidigt sich mit dem Hinweis, nicht alleine entscheiden zu können. Im Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund sind auch der Landkreis Augsburg sowie die Landkreise Aichach-Friedberg und Dillingen vertreten. Und nun hoffen CSU und Grüne auf Unterstützung des Freistaats. Als Antwort auf den Proteststurm haben sie ein Antragspaket formuliert, in dem sie fordern, die Finanzierung des Personennahverkehrs zu reformieren und vor allem zu prüfen, unter welchen Bedingungen ein 365-Euro-Ticket eingeführt werden könnte. Solche Forderungen, ätzt die SPD, habe sie bereits im Herbst formuliert. Die Verwaltung soll erarbeiten, unter welchen Voraussetzungen, zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Kosten ein 365-Euro-Ticket in Augsburg eingeführt werden könnte - und wie es finanziert werden könnte. Da sich die Staatsregierung mehrfach zum Ziel eines Ausbaus des öffentlichen Nahverkehrs nicht nur im Raum Augsburg bekannt habe, wie im Antrag eindrücklich erinnert wird, soll sie nun auch liefern. In Augsburg keimt ohnehin latent der Verdacht, im Vergleich zu anderen bayerischen Großstädten benachteiligt zu werden. Tatsächlich hat der Freistaat den Umbau des Tarifsystems in München jüngst massiv unterstützt, in Nürnberg wirbt der Oberbürgermeister gerade ebenfalls um Geld für ein 365-Euro-Ticket.

Zwölf Millionen Euro, so heißt es in Augsburg stets, würde die Einführung eines solchen Tickets ungefähr kosten. Die notorisch klamme Stadt kann gerade in Corona-Zeiten eigentlich keine zusätzlichen Ausgaben verkraften. Die CSU unterstützt es deshalb zwar auszurechnen, unter welchen Umständen ein solches Projekt umgesetzt werden könnte. Der Fraktionsvorsitzende Leo Dietz merkt aber gleichzeitig an, dass die Finanzierbarkeit sorgfältig geprüft werden müsse. Sein Kollege von den Grünen, Peter Rauscher, klingt da deutlich offensiver. Zur Beruhigung der Fahrgäste soll vorerst wenigstens die Mehrwertsteuersenkung an die Fahrgäste weitergegeben werden. Und auch das 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende soll, wenn auch durch Corona nun verschoben, möglichst schnell eingeführt werden - übrigens ebenfalls mit Zuschüssen des Freistaats.

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SZ vom 29.06.2020
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