Ausflug mit dem Mountainbike:"You and your fucking hiking!"

Schluss mit Wanderlust?

Wandern ist nicht jedermanns Sache. Karten mitnehmen offenbar auch nicht.

(Foto: dpa)

Bruchlandende Gleitschirmflieger, kraftlose Kletterer, streitende Paare: Wer in den Bergen unterwegs ist, wird Zeuge großer und kleiner Dramen am Wegesrand.

Kolumne von Sebastian Beck

Unterm Strich war es eine sehr abwechslungsreiche Mountainbiketour: von Fleck hinauf zur Tegernseer Hütte, dem Epizentrum der Voralpenromantik. "Mittelschwer, lohnend", so heißt es im Tourenguide. Was alles nicht drinsteht:

Noch im Tal fährt eine Frau bei einem doch sehr mühsamen Ausparkmanöver den Weidezaun um. Ein paar Meter daneben legt ein Gleitschirm-Tandem eine Bruchlandung hin, die dem Anschein nach glimpflich ausgeht.

Weiter oben dann wird es steil, es ist die Zone, in der sich unter Wanderern die Paar-Dramen abspielen: "You and your fucking hiking!", ruft eine Engländerin in schwarzen Hotpants und Turnschuhen ihrem Liebsten nach. Das "U" spricht sie deutsch aus, was den Gefühlsausbruch noch authentischer wirken lässt. Der Adressat der Beschwerde wartet 20 Höhenmeter entfernt, er trägt eine Spiegelbrille, sein Oberkörper ist nackt. Er sagt nichts.

Oben ohne ist auch die Fünfer-Boygroup unterwegs, die angetrunken Richtung Tal marschiert und dazu laut Musikantenstadlzeugs hört. Vor der Tegernseer Hütte fällt eine Kletterin aus der Wand, sie schlägt mit dem Helm gegen den Fels und muss sich abseilen lassen. Auf der Aussichtsterrasse steigt ein Mann über den Zaun, weil er sehen will, was dahinter liegt: nichts, außer 200 Meter Steilwand. Am Gipfelkreuz winken alle Menschen scheinbar so freundlich, erst aus der Nähe erkennt man, dass sie um sich schlagen, weil Abertausende fliegende Ameisen am liebsten unters T-Shirt kriechen.

"Sie sehen aus, als ob sie Ahnung hätten", sagt eine Frau zum Mountainbiker und drückt ihm die Kamera in die Hand. Er macht ein paar Gruppenaufnahmen, bevor er die Flucht antritt. Sehr begehrt ist seine Wanderkarte, die hinten aus der Tasche lugt. Nach Bayerwald links oder rechts? "Ach, komm doch endlich!", ruft ein Mann seiner Frau zu. Sie hängt zwischen ihren Stöcken und pumpt. Sie kann jetzt nicht reden.

Weiter unten winkt ein Radler neben dem Forstweg. Vollbremsung. Er braucht Hilfe, weil sich in der Schaltung ein Stein verklemmt hat und er ohne Brille nichts sieht. Die letzten zwei Kilometer zum Parkplatz ziehen ereignislos vorbei. Wie gesagt: eine lohnende Tour, irgendwie.

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