Irgendwer ist immer unterwegs. An diesem Wochenende sind es neben den üblichen Ausflüglern noch die Menschen aus Sachsen und aus den nördlichen Niederlanden, die in ihre Winterferien aufbrechen werden und deretwegen der ADAC vor Staugefahr Richtung Alpen warnt. Gleichzeitig träten viele Urlauber aus Mecklenburg-Vorpommern wieder die Heimreise an. Den Anwohnern entlang der A 8 zwischen München und Salzburg sind die Kennzeichen all der Autos aber eigentlich egal, die sich da über die Autobahn wälzen. Oft genug ist es ja auch ihr eigenes RO, TS oder BGL für Rosenheim, Traunstein und das Berchtesgadener Land. Die demnächst 90 Jahre alte A 8 ist die zentrale Achse für den Straßenverkehr im südöstlichen Oberbayern. Der auch schon etliche Jahrzehnte alte Streit über ihren Ausbau nähert sich einer entscheidenden Phase.
Auch unter den mehr als 100 Menschen, die sich am Mittwochabend in einer Veranstaltungshalle in Frasdorf versammelt haben, bestreitet niemand, dass die nur ein paar Schritte entfernt vorbeiführende A 8 ausgebaut werden sollte. Zu wichtig ist die Autobahn für die Wirtschaft, zu oft stehen alle im Stau. Doch die Pläne des Bundes und seiner Autobahngesellschaft gehen den Menschen in der Halle und auch etlichen anderen in der gesamten Region viel zu weit. Durchgängig mindestens drei Fahrspuren pro Richtung plus jeweils ein Seitenstreifen würden über längere Strecken praktisch eine Verdopplung der bisher oft noch vierspurigen A 8 bedeuten – auf einer Trasse, die durch viele äußerst sensible Natur- und Landschaftsräume führt.

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Auch hier in Frasdorf gibt es bisher nur zwei Spuren pro Richtung. Kommt es auf der Autobahn wegen einer Panne, einem Unfall oder aus schlichter Überlastung wieder mal zu einem Stau, dann dirigieren Handys und Navigationsgeräte eine schier endlose Schlange an Autos und Lastwagen durch die schmalen Straßen des Ortes. Seit einem Jahr gibt es für den Abschnitt bei Frasdorf einen Planfeststellungsbeschluss, also eine Baugenehmigung, zum Ausbau auf sechs Spuren plus Standstreifen. Nach einem „Planungsdialog“ mit der Gemeinde und den Anwohnern soll es auch einen zeitgemäßen Lärmschutz durch eine Einhausung der Fahrbahn geben.
Doch der Bund Naturschutz in Bayern (BN) hat beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Klage gegen den aktuellen Planfeststellungsbeschluss eingereicht, gleichsam stellvertretend für den gesamten Ausbau. Ideell und finanziell unterstützt wird der BN dabei von der landkreisübergreifenden Bürgerinitiative „Ausbau A8 – Bürger setzen Grenzen“. Derzeit gehen hinter den Kulissen die üblichen juristischen Schriftsätze hin und her, mit einer Verhandlung rechnet man beim BN nicht vor dem Herbst.

Doch die bundeseigene Autobahngesellschaft muss nicht nur das Urteil aus Leipzig abwarten. Zugleich fehlt es ihr an Geld für den großen Ausbau, der immer teurer und teurer wird. Waren die Gesamtkosten 2009 noch auf rund 600 Millionen Euro geschätzt worden, so stehen sie in der jüngsten Version des Bundesverkehrswegeplans bei insgesamt etwa 1,8 Milliarden. Für einen Zwischenbericht im Jahr 2023 hat die Bundesregierung die Berechnungsgrundlage aktualisiert und schon eine Gesamtsumme von 3,6 Milliarden Euro genannt.
In dieser Situation hat die Autobahngesellschaft nach Angaben eines Sprechers die Pläne für den weiter östlichen gelegenen Abschnitt etwas modifiziert. Von München bis zum Inntaldreieck will sie die A 8 weiterhin auf acht Spuren plus zwei Standstreifen verbreitern, weiter bis Bernau dann auf sechs plus zwei. Vom Chiemsee Richtung Traunstein sollen es nun nicht mehr unbedingt sechs Fahrspuren plus zwei Standstreifen werden.
Stattdessen sind nach Angaben des Sprechers nun als „Zwischenlösung“ weiterhin vier feste Fahrspuren vorgesehen. Dazu sollen zwei Standstreifen kommen, die bei hohem Verkehrsaufkommen durch elektronische Anzeigen als zusätzliche Fahrspuren „zugeschaltet“ werden können, wie es schon jetzt etwa zwischen dem Dreieck München Süd und Holzkirchen der Fall ist. Eine solche Lösung hatte der Bundesrechnungshof schon vor Jahren als ausreichend erachtet, worüber sich der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags aber zunächst hinweggesetzt hat.
Der eigentlich längst dringende Sanierungsbedarf an der A 8 wächst
Der weitere Ausbau von Traunstein bis zur österreichischen Grenze genießt beim Bund und seinen Autobahnern ohnehin geringere Priorität. Und das, obwohl die Autobahngesellschaft damit rechnet, dass die anschließende Tauernroute über die Alpen schon deshalb an Bedeutung gewinnen wird, weil an der Brennerroute über Jahrzehnte hinaus große Sanierungen und damit schwere Verkehrsbehinderungen anstehen. Zugleich wächst der eigentlich längst dringende Sanierungsbedarf an der A 8, die im Kern aus der Nazizeit stammt und damals mit voller propagandistischer Absicht über steile Bergflanken und direkt am Chiemseeufer entlang gebaut wurde. Das macht das dauernde Flickwerk bis zu einer größeren Lösung alles andere als einfach. Doch auch der Ausbau mitsamt Sperrungen und Umleitungen wird die Region extrem belasten, weil es rundherum nicht viele leistungsfähige Straßen gibt.
Aus Sicht der BN und der Bürgerinitiative wäre aber die A 8 selbst mit vier Fahrspuren leistungsfähig genug, sofern zwei Standstreifen dazukämen und ein durchgehendes Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde. Sehr viel leiser, flüssiger, flächensparender, landschaftsverträglicher, klimaschonender und kostengünstiger wären alle miteinander so unterwegs, betont die Vorsitzende Marlis Neuhierl-Huber beim BI-Treffen in Frasdorf. Der Bürgermeister von Bergen im Chiemgau, Stefan Schneider, greift das Argument des Lärmschutzes auf: Wenn es von der Autobahngesellschaft immer heiße, vollen Lärmschutz gebe es laut Gesetz nur bei vollem Ausbau der A 8, „dann muss man halt das Gesetz ändern“.